KSOB-Projekt im Stadtrat
Von „Verbrechen an der Natur“ bis „Perle von Bad Reichenhall“: Zentralklinikum BGL in der Diskussion
„Es ist nicht gottgegeben, dass Bad Reichenhall für immer ein Krankenhaus hat“, mahnte Oberbürgermeister Lung in der Stadtratssitzung, als es um den Vorentwurf zum neuen Zentralklinikum ging. Wenn auch die große Mehrheit sich für das Projekt aussprach, um die Gesundheitsversorgung zu sichern, war ein Stadtrat wieder einmal dagegen.
Bad Reichenhall – Die Kliniken Südostbayern (KSOB) planen für die in die Jahre gekommene Kreisklinik einen Ersatzneubau zwischen der Bundesstraße und Saalach. Das Areal erstreckt sich vom Freizeitgelände bis hin zur Wiese in der Nähe des Nonner Stegs. Auch der gegenüber liegende Pendlerparkplatz neben dem der Rupertustherme fällt ins Plangebiet. Der Stadtrat hatte in seiner Sitzung vom 20. April 2022 beschlossen, einen Bebauungsplan für den Bau des neuen Zentralklinikums im Berchtesgadener Land zu erstellen. Die KSOB hatten daraufhin das Ingenieurbüro KlingConsult beauftragt, diesen Bebauungsplan auszuarbeiten.
In der Stadtratssitzung am Dienstagabend (22. Oktober) ging es nun darum, den Geltungsbereich des Bebauungsplan „Campus Zentralklinikum Berchtesgadener Land“ zu ändern, den Vorentwurf zu billigen und die Durchführung der frühzeitigen Beteiligung zu beschließen.
Änderungen beim Geltungsbereich
Oberbürgermeister Dr. Christoph Lung fasste die wesentlichen Ergänzungen kurz zusammen. Da die Erschließung über den Hammerschmiedweg nun doch nicht möglich sei, habe man umgeplant.
- Derzeit liefen noch die Verhandlungen zwischen dem Freistaat und den KSOB, sodass die Kurgärtnerei einen Teil des Grundstücks abgeben könnte. Dadurch verwandle sich das trapezförmige Grundstück in einen rechteckigen Geltungsbereich. Der Verbleib des Wohnmobilstellplatzes am Hammerschmiedweg sei dennoch bisher unklar.
- Verkehrlich soll das Areal über einen Kreisel nördlich des Knotenpunkts Bundesstraße-Kurfürstenstraße erschlossen werden.
- Die Unterführung an der Friedrich-Ebert-Allee bleibt bestehen. Die Straße schwenkt aber dann auf dem Klinikareal nach rechts ab.
- Auf dem Pendlerparkplatz an der Kurfürstenstraße soll ein Gebäude für Personalwohnungen entstehen. „Dadurch werden verbesserte Arbeitsbedingungen und eine gute Erreichbarkeit für das Klinikpersonal geschaffen“, hieß es in der Beschlussvorlage.
- Das Parkhaus soll hingegen auf Klinikseite errichtet werden. Es biete Parkmöglichkeiten, „die aufgrund beengter Platzverhältnisse am alten Klinikgelände so nicht zur Verfügung stehen oder geschaffen werden können.“
Lung betonte, dass der Neubau keine „Liebeslösung“, sondern notwendig sei, um die Gesundheitsversorgung dauerhaft sicherzustellen. Hinsichtlich der Krankenhausreform sei es „nicht gottgegeben, dass Bad Reichenhall für immer ein Krankenhaus hat.“
Das Klinikum als neue „Perle“
Friedrich Hötzendorfer (FWG) fragte in die Runde: „Macht es überhaupt Sinn, dass wir die Möglichkeit schaffen, dass eine neue Klinik gebaut wird? Die Freie Wählergemeinschaft sagt: Ja, ja und noch mal ja.“ In einem Vortrag einer Architektin sei ihm klar geworden, dass die Sanierung des Bestandsgebäudes keinen Sinn mache. Das Grundstück an der Saalach sei das einzig geeignete. „Wir wollen unseren Standort erhalten und eine zukunftsfähige Klinik haben. Wenn wir das so lassen, hätten wir in zehn Jahren keine Klinik mehr in Bad Reichenhall.“ Gleichzeitig müsse man sich aber darum kümmern, den Sport- und Skaterplatz an besserer Stelle entstehen zu lassen, ebenso gegebenenfalls den Wohnmobilstellplatz.
Rainer Hüller (Grüne-SPD) nannte „eine ganze Reihe von Diamanten“ in Bad Reichenhall wie die Predigtstuhlbahn, die Saline und den Kurgarten. „Genauso eine Perle muss das Krankenhaus werden“, nämlich mit einer guten medizinischen Versorgung, einer ansprechend begrünten Außenfassade und einer guten Anbindung an den ÖPNV. Sein Wunsch: „Die Traunsteiner sollen beim Vorbeifahren neidisch sein und sagen, ‚da will ich auch hin‘ – und wenn es nur zum Sterben ist.“ Bei dieser Aussage blieb so einigen Stadträten das Lachen im Halse stecken. Hüller erkundigte sich noch, welche Bäume gerodet und kompensiert werden sollen. Lung erklärte, dass die Baumreihe an der Friedrich-Ebert-Allee entfernt werde. Ersatz dafür sei im östlichen Bereich geplant. Auch in der Nähe des Geh- und Radwegs seien die Bäume eingetragen, die für die entfallenden gepflanzt werden.
Hofmeister warnt vor „HQ extrem“
Manfred Hofmeister (BLR) mahnte, dass man bei der Verkehrserschließung frühzeitig für Klarheit über die finanziellen Belastungen sorgen müsse. Auch die Pendler sollten nicht durch den wegfallenden Parkplatz übersehen werden. Des Weiteren solle man an einen guten ÖPNV-Anschluss, Vermeidung von Lärmbelästigungen durch Wärmepumpen und giftfreie Baustoffe denken. Zudem bemängelte Hofmeister, dass im Fall eines „HQ extrem“ (tausendjähriges Hochwasser) Grundwasser nach oben drücken könnte. Hierfür brauche es Schutzmaßnahmen.
„Ich bin kein Wasserwirtschafter, aber ich kann lesen und Karten zutreffend verstehen“, entgegnete Lung. Er sei bei den starken Regenfällen vor einigen Wochen selbst vor Ort gewesen. „Die Wiese war nicht unter Wasser und die Saalach drei Meter darunter. Dieser Standort ist nicht hochwassergefährdet.“ Bezüglich der ÖPNV-Anbindung habe er bereits mit dem Stadtwerke-Chef Peter Fösl gesprochen. „Die Klinik soll kein Satellitendasein führen.“ Auch bezüglich eines Anschlusses an die Fernwärme hätten die KSOB Bereitschaft signalisiert. Für Angestellte und Klinikbesucher entstehe ein eigenes Parkhaus, was wiederum für mehr freie Plätze in der Riedelstraße und der Reichenbachstraße sorge, führte Lung weiter aus.
Grübl wie immer gegen das Projekt
Wie auch schon in den Diskussionen zuvor, war auch dieses Mal Fritz Grübl (FWG) komplett gegen das Projekt. Die Vernichtung von 40.000 Quadratmetern Grünfläche bezeichnete er als „Verbrechen an der Natur.“ Ein Naherholungsgebiet ginge verloren und die Kinder und Jugendlichen würden ausgesperrt. „Und der Transitverkehr an der Bundesstraße hat einen ‚tollen‘ Genesungswert für die Patienten. Wer es noch nicht wahrgenommen hat: Traunstein wird zum großen Klinikum erweitert.“ Das bisher gut funktionierende Bestandskrankenhaus genüge. Dort seien auch An- und Ausbauten möglich. In Bezug auf das Rücktrittsrecht der KSOB und des Fehlbetrags von 39,8 Millionen Euro sagte Grübl: „Die Klinik, die kimmt ned.“
Lung entgegnete: „ Wenn wir nichts machen, können wir Gift darauf nehmen, dass unser Krankenhaus zugesperrt wird.“ Das Haus in Traunstein werde immer größer sein. „Wir können aber nicht wollen, dass alle Patienten nach Traunstein gefahren werden.“ Beide Landkreise seien willig, die derzeitige Situation durchstehen zu wollen.
Schoberth widerspricht Grübl
„Das Staatsbad braucht ein Krankenhaus. Es wäre ein Witz, wenn wir mit der Kurtradition und den Kliniken kein Krankenhaus hätten“, meldete sich Dr. Herbert Lackner (Liste Lackner) zu Wort. „Die Kooperation mit Traunstein ist richtig, aber auch das bestehende Krankenhaus muss in Reichenhall gestärkt werden.“ Es gebe bereits Tendenzen, gewisse Bereiche nach Traunstein zu verlagern. „Wir wollen auch jetzt schon eigenständig und gut versorgen.“
Martin Schoberth verwies auf die ausgewiesenen Überschwemmungsgebiete im Bayernatlas. Zu Grübls Kritik äußerte auch er sich: „Es ist schlichtweg a Schmarrn, was Sie da sagen.“ Die Jugendlichen würden nicht ausgesperrt. Grübl tue so, als sei das aktuelle Freizeitgelände ein Eldorado der Jugendlichen, dabei sei die Straße schon jetzt vielbefahren. Bei dem Baugrundstück handle es sich zudem um eine Wiese und nicht um das Naherholungsgebiet Nonner Au.
Öffentliche Auslegung voraussichtlich ab 30. Oktober
Guido Boguslawski (Grüne-SPD) forderte, „den Bebauungsplan mit Leben zu füllen“, sodass man besser erkennen könne, welche Bereiche der Fläche bebaut werden, um so Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen zu können.
Der Beschluss, den Geltungsbereich des Bebauungsplan „Campus Zentralklinikum Berchtesgadener Land“ zu ändern, den Vorentwurf zu billigen und die Durchführung der frühzeitigen Beteiligung zu beschließen, wurde mit einer Gegenstimme (Grübl) mehrheitlich gefasst. Die Planunterlagen liegen voraussichtlich vom 30. Oktober bis einschließlich 2. Dezember öffentlich aus. (mf)
