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Bergläufer und Fotograf Philipp Reiter distanziert sich von „Influencern“

Am Gipfel der Selbstdarstellung: Verändern soziale Medien unsere Bergwelt?

Collage: links: Frau an Gipfelkreuz, rechts: Phillip Reiter hinter der Kamera
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Der Skibergsteiger, Trailrunner und Fotograf Phillip Reiter (rechts) im Gespräch mit BGLand24 über den Impakt von Bergsport-Posts in den sozialen Medien. Er distanziert sich klar von sogenannten Influencern.

„Yes, Watziüberschreitung schnell am Nachmittag gerockt.“ Überschrift eines Instagram-Posts. Dazu das Video einer braun gebrannten jungen Frau, die scheinbar mühelos über felsiges Absturzgelände sprintet. Ist das verantwortungslos? Müssen Influencer ihre Follower vor den Gefahren am Berg warnen? Wir fragen Bergläufer und Sportfotograf Philipp Reiter zum Hype in den Bergen: Er distanziert sich ganz klar.

Bad Reichenhall – „Ich sehe mich nicht als Influencer und das ist mir auch wichtig.“ Der bekannte Bad Reichenhaller Trailrunner und Skibergläufer Phillip Reiter möchte sich abgrenzen. Influencer würden zum Beispiel ihre Partner und Sponsoren wechseln wie Werbung auf einer Litfaßsäule. Ein Sportler sei kein Influencer, aber „die Grenzen verschwimmen da natürlich auch.“

Unterschätzen Leute Gefahren am Berg durch Instagram-Posts?

Plattformen wie Instagram, TikTok oder Facebook: Sie sind voll mit Posts von Leuten, die gefährliche Outdoor Abenteuer scheinbar mühelos, stets gut gelaunt und ohne Probleme meistern. So auch zum Beispiel der Beitrag einer heimischen Bergsteigerin, die auf Instagram ihre Watzmann-Überschreitung postet. In den Kommentaren kommt die Frage auf, inwieweit solche Videos dazu verleiten, anspruchsvolle Touren wie am Watzmann zu unterschätzen und sich so in Gefahr zu bringen:

„Man kann sich nicht mit jedem vergleichen. Das wäre falsche Selbsteinschätzung.“

„Wenn man keinerlei Erfahrungen im Bergsteigen hat und diesen Clip sieht - dann denkt man, dass die Watzmannüberschreitung quasi eine leichte Wanderung ist. Und das ist doch für Nachahmende einfach nur gefährlich.“ Haben Extremsportler eine Mitverantwortung, wenn Leute leichtsinnig und unvorbereitet in den Bergen unterwegs sind? Nein, sagt die Erstellerin des Instagramposts und antwortet auf den Kommentar: „Man kann sich nicht mit jedem vergleichen und jeder muss selber wissen, was er tut und wie erfahren man ist. Das wäre dann falsche Selbsteinschätzung.“

„Verantwortlich fühle ich mich nicht für Leute, die am Watzmann abstürzen.“

Und auch unser Gesprächspartner, Phillip Reiter, verneint grundsätzlich die Frage: „Also verantwortlich fühle ich mich nicht, das muss ich auch sagen, für Leute, die dann dort am Watzmann abstürzen.“ Mehr als 100 Tote forderte der, von vielen auch als „Schicksalsberg“ bezeichnete Watzmann seit der Erstbegehung. Der letzte tödliche Bergunfall ereignete sich erst am 6. Oktober, als ein 42-Jähriger in der Watzmann Ostwand verunglückte. Phillip Reiter holt aus und erklärt seine Meinung an einem Beispiel:

Spektakuläres Video vom Rekordlauf Toni Palzers.

„Weil wenn ich jetzt Formel eins schaue, dann fahren die Leute auch mit 300 oder 400 auf dem Ring und deswegen setze ich mich auch nicht ins Auto und fahre auf der Autobahn 300.“ Der Trailrunner hatte 2018 einen neuen Rekord in der Watzmann Ostwand aufgestellt. In nur einer Stunde und 53 Minuten erklomm er die höchste Wand der Ostalpen. Auch er ist bekannt für seine Videos. Er begleitete zum Beispiel seinen Berglauf-Kollegen Toni Palzer bei dessen Rekordlauf über den Watzmann. Die Aufnahmen sind spektakulär.

Vorbild für 110.000 Follower? Reiter geht es nicht um Reichweite.

Seit 18 Jahren ist Phillip Reiter jetzt schon extrem am Berg unterwegs: „Wie wir angefangen haben, haben wir es ganz genauso betrieben, nur konnten wir es halt nicht zeigen und das geht jetzt, aber die Herangehensweise ist immer noch dieselbe.“ Influencer wiederum würden Dinge in erster Linie machen, um Reichweite zu generieren, das sei bei Sportlern anders. Nichtsdestotrotz hat Phillip Reiter 110.000 Follower auf Instagram. Keine Sorge, dass da der ein oder andere seinem „Idol“ folgt und sich am Berg in Gefahr begibt?

„Ich kann nicht mein Hirn unten am Parkplatz abgeben.“

„Ich kann nicht mein Hirn abgeben, unten am Parkplatz, und sagen, weil der das auch macht, kann ich es auch. Das ist aber ein grundsätzlicher Trend in der modernen Welt, dass man sich ja gern vergleicht und die Selbstwahrnehmung nicht mehr gesund ist. Und das ist natürlich durch Social Media viel zugänglicher.“ Reiter appelliert an den gesunden Menschenverstand und gibt zu bedenken: „Wenn ich da über den Grat rüberlaufe, dann habe ich mich da schon quasi mein ganzes Leben lang vorbereitet, weil ich das von klein auf mache.“

Instagram: „Falsches Bild der Realität.“

Man müsse sich auch immer wieder vor Augen halten: Die Instagram Posts würden ja nur die Highlights einer Bergtour wiedergeben: „Ich sehe ja kaum Infos, wo ich umgedreht bin und wo es nicht geklappt hat und das Wetter schlecht war, das zeigt ja keiner, das will ja auch keiner sehen. Das ist dann eine Beschönigung und die Summe der Beschönigungen ergibt ein komplett falsches Bild der Realität.“ Auch der Faktor Zeit spielt am Berg eine Rolle. Man könne sich, so Phillip Reiter, Erfahrung nicht erkaufen:

Bergerfahrung kann man nicht kaufen: „Wir leben in einer Instant-Welt.“

Bergspurt ist einer von den wenigen Sachen, die man nicht instant haben kann. Und wir leben in einer Instant-Welt. Ich gehe auf Amazon, bestelle es und am nächsten Tag ist es da. Leistung oder Erfahrung kann ich nicht instant bekommen. Ich kann nichts überspringen. Ich kann noch so viel Geld zahlen, ich kann die beste Ausrüstung haben, wenn ich keinen Fünfer klettern kann, dann kann ich keinen Fünfer klettern, dann komme ich die Tour nicht hoch.“

Bergsport: Immer mehr „Follower“ in den Alpen.

Soziale Medien haben in den letzten Jahren nicht nur dazu geführt, dass sich so mancher selbst überschätzt und ohne Eigenverantwortung gefährliche Bergtouren startet. Auch der Hype um besonders fotogene Orte für Selfies sorgt für Unmut. Bekanntes Beispiel: Die Gumpen am Königsbach-Wasserfall am Königssee. 2019 waren hier sogar zwei Männer beim Baden ertrunken. Immer mehr Menschen pilgerten zu der Naturkulisse, auf Instagram auch als „Infinity-Pool“ bekannt. Die Nationalparkverwaltung zog damals die Reißleine. Absolutes Zutrittsverbot. Atemberaubende Aufnahmen locken immer mehr Menschen in die Alpen. Die Folge: Der Druck auf die sensible Bergökologie steigt.

„Die Berge gehören nicht ausschließlich den Einwohnern.“

„Also grundsätzlich, die Berge gehören nicht ausschließlich den Einwohnern des Berchtesgadener Landes. Also das ist ja auch oft, da neigt man dazu, zu sagen, die Ausländer, die Touristen, die Fremden, was wollen die hier eigentlich?“ Es sei ein Privileg hier in dieser Bergwelt zu Hause zu sein, das Privileg gehöre uns aber nicht, so Phillip weiter. Er freue sich grundsätzlich, wenn mehr Menschen Gefallen am Outdoor-Sport finden würden. Aber es sei auch hier wieder wichtig, sich richtig zu verhalten:

Rücksichtnahme auf die Umwelt: „Auch eine Frage der Erziehung.“

„Ich laufe nicht mit lauter Musik herum, aus meiner Musikbox. Das gehört sich einfach nicht. Oder Müll wegschmeißen, das ist der Klassiker.“ Das sei eine Frage der guten Erziehung. Aber Phillip Reiter glaubt auch, dass man nur mit Verboten nicht weiterkommt: „Es geht eigentlich darum, den Leuten das zu erklären. Was passiert, wenn ich jetzt diesen Abkürzer nehme, wenn ich jetzt diese Serpentine schneide? Viele wissen das ja nicht.“ Es gäbe aber auch immer unbelehrbare Leute, so Phillip, da helfe das dann auch nichts.

Massentourismus am Berg: Bereits verbaute Gebiete verstärkt bewerben.

Der Ansturm auf die Alpen, die Massen an Bergsportlern, wo sollen sie hin? Selbst wenn sich alle umweltbewusst verhalten: Der Impakt auf die Umwelt ist groß. Phillip Reiter glaubt, dass eine Steuerung des Tourismus in Bereiche, die bereits erschlossen sind, Sinn machen könne: „Am Jenner zum Beispiel, da gibt es ja den Lift, man kann einen Klettersteig machen, man kann wandern, es gibt Hütten, alles Mögliche. Und dann promote ich doch das. Ob es da noch eine Downhill-Strecke mit Mountainbike gibt oder nicht, das ist grad wurscht. Der Jenner ist schon zerstört, wenn man so will, aus ökologischer Sicht.“

Verantwortung nicht nur sich selbst gegenüber: Rettungseinsätze nehmen zu.

Am Ende unseres Gespräches möchte Phillip nochmal unterstreichen, wie wichtig Eigenverantwortung am Berg sei. Er denkt dabei an die ständig steigenden Rettungseinsätze der Bergwacht. „Also lustig ist es auch nicht, wenn du die ganze Nacht irgendwo im Regen rumkrabbeln musst, weil du halt irgendeinen, der sich da den Fuß vertreten hat, rausziehen musst. Dieses Denken: die holen mich dann eh. Aber wer ist jetzt die? Das sind ganz normale Leute. Und die ehrenamtlichen Retter gehen in der Früh wieder arbeiten, nach ihrem Einsatz. Man hat jetzt nicht nur die Verantwortung für sich selber, man hat auch die Verantwortung für die Menschen um sich rum.“

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