Experte spricht von „regional ausgeprägter Welle“
Ist Corona in Bayern wieder auf dem Vormarsch? So ist die aktuelle Situation in der Region
München/Landkreis – In Bayern gibt es zurzeit wieder deutlich mehr Corona-Infektionen. Darauf deutet das Abwasser-Monitoring hin. Ein Experte spricht sogar von einer „regional ausgeprägten Welle“. Eine aktuelle Bestandsaufnahme:
Im Freistaat gibt es wieder mehr Corona-Infektionen. „Wir haben aktuell eine moderate regional ausgeprägte Corona-Welle in Bayern. Das sieht man im Abwasser-Monitoring und auch die Fallzahlen sind deutlich erhöht“, sagt Oliver Keppler. Der Virologe und Leiter des Max von Pettenkofer-Instituts ist Sprecher des Überwachungsnetzwerks Bay-VOC, zu dem unter anderem das Abwasser-Monitoring gehört.
Rund 30 Messstellen gibt es im Freistaat, an den meisten von ihnen zeigt sich bereits seit einiger Zeit ein Anstieg der Viruslast. Von den Spitzenwerten der vergangenen großen Wellen sind die aktuellen Stände noch weit entfernt, allerdings in der Regel auch deutlich höher als noch im März, April oder Mai. Dabei gibt es allerdings regionale Unterschiede: Während die Werte beispielsweise in München zuletzt auf erhöhtem Niveau tendenziell stabil geblieben oder in Augsburg und Erlangen leicht gefallen waren, sieht man in Nürnberg, Regensburg, Straubing, Aschaffenburg, Ulm, Schweinfurt und zahlreichen anderen Städten steigende Werte.
Das sind die konkreten Zahlen aus der Region
In der (erweiterten) Region liegen insgesamt sieben Messstellen. Die Situation stellt sich auch hier unterschiedlich dar (Messung: 10. Juli). So wurde im Abwasser in Freilassing seit Ende Juni wieder eine deutlich steigende SARS-CoV-2 Viruslast festgestellt – und das um fast 20 Prozent im Vergleich zur völlig entspannten Situation seit Jahresbeginn 2024. Aus Bad Reichenhall und Piding wurden ebenfalls leicht steigende Werte gemeldet. In Berchtesgaden waren die Werte zuletzt in der zweiten Juni-Hälfte höher, fielen aber seither wieder. Die Messungen im Abwasser von Altötting und Grafing (Landkreis Ebersberg) zeigen derzeit moderate, aber stetige Anstiege der Viruslasten. Im Abwasser von Glonn (Landkreis Ebersberg) war im Herbst 2023 und im Winter zwei größere Wellen gemessen worden. Derzeit ist der Wert dort jedoch fallend.
Konkrete Zahlen aus dem Freistaat gibt es natürlich auch (noch): In der Kalenderwoche 27 wurden laut Bayerischem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) insgesamt 517 Neuinfektionen in Bayern registriert (Oberbayern 186, Niederbayern 45, Schwaben 75, Oberpfalz 53, Mittelfranken 47, Unterfranken 65, Oberfranken 46). Die Dunkelziffer dürfte allerdings um einiges höher liegen, da die Meldepflicht derzeit de facto eigentlich nur für Ärzte und/oder Labore besteht. Laut DIVI-Intensivregister waren zuletzt „nur“ 20 Intensivbetten im Freistaat durch Corona-Patienten belegt, was einem Anstieg im Vergleich von 17,6 Prozent im Vergleich zur Vorwoche entspricht. Zur absoluten „Corona-Hochzeit“ waren es deutlich über 1000, Anfang des Jahres lag der Wert bei rund 200. Die Betriebssituation in den Kliniken ist also entspannt.
Neue Untervariante ist noch ansteckender
Eines stellte Keppler jedoch ausdrücklich klar: Die aktuelle Welle schlage sich nicht in vielen schwer kranken Menschen nieder. Allerdings könnten auch eigentlich gesunde Menschen „durchaus für ein paar Tage richtig krank sein“, sagt er. Beitragen dazu dürfte auch die neue Untervariante Omikron KP.2, die laut dem Experten seit einiger Zeit im Abwasser sichtbar ist und noch etwas ansteckender ist. Auch in den vergangenen Jahren gab es übrigens teilweise Sommerwellen, sagt der Experte: „Mit einem starken weiteren Anstieg würde ich aktuell nicht rechnen, auch weil hohe Temperaturen eigentlich ungünstig für das Virus sind.“ Wie es genau weitergehe, sei kaum vorauszusagen. Die Erfahrung lehre aber, dass es zum Ende der Sommerferien zu einem Anstieg kommen könne, wenn die Menschen aus dem Urlaub zurückkehrten.
Das Abwasser-Monitoring stellt den Gesundheitsbehörden, Entscheidungsträgern sowie der interessierten Bevölkerung neben den etablierten Kennzahlen des Pandemiemonitorings zusätzliche Erkenntnisse zur Entwicklung des Infektionsgeschehens bereit. „Darin kann man die Entwicklung gut sehen“, sagt Keppler. Anders als die Inzidenzzahlen ist es nicht davon abhängig, dass Erkrankte getestet werden. Durch die öffentlich einsehbaren Zahlen könne jeder einzelne auch für sich Konsequenzen ziehen. „Ich bin in der U-Bahn zurzeit vorsichtiger und setze vielleicht eher eine Maske auf, wenn es um mich herum röchelt und hustet“, sagt Keppler. „Das muss jeder für sich selbst entscheiden – auf jeden Fall sollten Menschen, die eine Maske aufsetzen, nicht komisch angeschaut werden. Das kann Selbstschutz und Fremdschutz sein.“ (mw)