Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Kosten-Steilflug im Berchtesgadener Land

Abfallgebühren gehen durch die Decke – Leiter der kommunalen Abfallwirtschaft äußert sich

Die einzige vom Landkreis betriebene aktive Mülldeponie in Bischofswiesen. Mit einem Millionenaufwand könnte hier künftig Sondermüll gelagert werden.
+
Die einzige vom Landkreis betriebene aktive Mülldeponie in Bischofswiesen. Mit einem Millionenaufwand könnte hier künftig Sondermüll gelagert werden.

Die Kosten für die Abfallentsorgung im Landkreis Berchtesgadener Land steigen immer weiter an, ob und wie stark diese in den kommenden Jahren weiter steigen, erzählt Thomas Hartenberger, Leiter der kommunalen Abfallwirtschaft im Landkreis.

Berchtesgadener Land - 40 Prozent höhere Kosten bei der Abfallentsorgung erwarten die Bürger des Berchtesgadener Landes: Auch in Zukunft könnten die Preise weiter steigen, weiß Thomas Hartenberger, Leiter der Kommunalen Abfallwirtschaft im Landkreis. Die Entwicklung ist nicht auf den Landkreis beschränkt. Im Gespräch berichtet er über schwierige Rahmenbedingungen und Versuche, den Aufwärtstrend bei den Kosten zu stoppen.  

Herr Hartenberger, die Kostensteigerungen in der Abfallentsorgung sind mit 40 Prozent gewaltig. Mit der Inflation hat das aber nur wenig zu tun. Bereitet Ihnen das Kopfzerbrechen?
Thomas Hartenberger: 40 Prozent sind gewaltig, wenn es eine Veränderung in einem Jahr wäre. Wir reden aber von einer Veränderung, die sich auf die vergangenen fünf Jahre bezieht - und auf die kommenden zwei Jahre vorausschaut. Die Gebührensätze wurden 2018 ermittelt. Seither hat jeder von uns die Teuerung zu spüren bekommen. Zudem: Inflation ist nicht gleich Inflation. Der Verbraucherpreisindex ist ein Sammelsurium an Indexentwicklungen, ermittelt am berühmten Einheitswarenkorb. Für Verträge des Landkreises mit den Entsorgungsfirmen sind aber andere Indizes maßgeblich. Etwa der Index der gewerblichen Erzeugnisse. Die Fremdkosten in der Abfallwirtschaft haben sich deutlich oberhalb der Veränderung des Verbraucherpreisindex entwickelt. Was uns aber für die kommenden Jahre erheblich schmerzt, sind die Kostenveränderungen bei der Neuvergabe von Aufträgen, etwa der Sammlung von Rest- und Bioabfall - oder auch die Einführung der CO₂-Abgabe auf die Restmüllverbrennung.
Sie sagten kürzlich, die Einnahmen durch Abfall seien stark gesunken?
Hartenberger: Bei einigen Abfällen gibt es für das getrennt gesammelte Material noch Geld zurück - für Altpapier oder Altmetall etwa. Die Vermarktung des Altpapiers war in der Vergangenheit immer Zugpferd bei den Einnahmen der kommunalen Abfallwirtschaft. Wie immer unterliegen solche Märkte aber Schwankungen. Nach schlechten Jahren 2015 bis 2019 hatte sich der Altpapiermarkt erholt und wieder höhere Einnahmen erbracht. Auch die Corona-Phase hat diese Entwicklung gestützt. Die Ukrainekrise hat beinahe über Nacht den Trend umgekehrt. Nicht zuletzt durch die exorbitanten Energiekosten in 2022 sahen sich viele Hersteller vor nicht mehr tragfähigen Produktionskosten. Eine geringere Nachfrage bei gleichem Angebot bedeutet niedrigere Preise. Der Papiermarkt stabilisiert sich derzeit zwar etwas, aber leider auf sehr niedrigem Niveau. 
Welchen Grund gibt es noch?
Hartenberger: Es kommt erschwerend hinzu, dass wir nicht mehr über den kompletten Inhalt der Altpapiertonne verfügen. Seit diesem Jahr bestehen die Dualen Systeme auf ihren Anteil. Verpackungsmaterial muss seinem Eigentümer zurückgegeben werden. Dieser Anteil beträgt aktuell rund 35 Prozent der gesammelten Tonnage. Der Landkreis enthält zwar von den Systemen ein Mitbenutzungsentgelt für die gemeinsame Sammlung. Leider hat der Bundesgesetzgeber im Verpackungsgesetz eine Höchstgrenze formuliert. Diese führt dazu, dass die Kosten der Sammlung nicht umfänglich mitgetragen werden. Also neben niedrigen Erlöspreisen ist es auch eine deutlich geringere Tonnage, die wir vermarkten.
Wie sieht es bei Altmetall oder Elektroschrott aus?
Hartenberger: Die Preisentwicklungen beim Altmetall sind ähnlich. Die gesammelten Mengen sind aber bei Weitem nicht so erträglich wie bei Altpapier. Es werden sämtliche Abfälle, wie Elektroschrott, für Folgeproduktionen gesucht. Allerdings sind die Kosten für die Trennung nach Metallarten und Bauteilen noch teurer als die zu erzielenden Erlöse. Bei einigen Abfallarten zeichnet sich zwar ein Aufwärtstrend bei den Erlösen ab. Die nächsten zwei Jahre wird sich das aber noch nicht bemerkbar auswirken. Langfristig lässt sich aber mit Einnahmen rechnen.
Kostenanpassungen für die Sammlung von Bauschutt und Altholz sollen erst noch folgen. Was erwartet da die Bürger?
Hartenberger: Das Thema Bauschutt beobachten wir momentan kritisch. Es gibt auf Bundesebene Bestrebungen, dass Bauschutt aus Privathaushalten von Gebäuden mit Baujahr 1995 und früher grundsätzlich als asbesthaltig anzusehen ist. Die Entsorgungskosten steigen deutlich. Aber auch der Aufwand, den wir für qualifiziertes Personal und die geeigneten Sammelstätten haben. Bislang ist die Abgabe von haushaltsüblichen Mengen asbestfreien Bauschutts für Bürger kostenfrei. Die Kosten werden über die Abfallgebühr getragen. Mit den neuen Rahmenbedingungen würde das Angebot in heutiger Form nicht mehr zu erbringen sein. Wie genau wir reagieren müssen und handeln können, lässt sich noch nicht abschätzen.
Inwiefern stehen die Kostensteigerungen in der Abfallwirtschaft mit der Erhöhung der Lkw-Maut in Verbindung? 
Hartenberger: Die Mautkosten fließen zu einem nicht unerheblichen Teil in die Kostenkalkulation unserer Auftragnehmer ein. Im Rahmen von indexbasierten, vertraglich fixierten Preisanpassungen erhöhen sich die Kosten im neuen Jahr. Auch die CO₂-Abgabe auf Kraftstoffe steigt Anfang Januar wieder an. Die Unternehmer sehen sich gestiegenen Lohnkosten gegenüber. Aktuell rechnen wir mit einer Kostenerhöhung für uns von 5 bis 8 Prozent, davon stammen rund 40 Prozent aus der Mautanpassung.
Der Aufschrei nach Rekommunalisierung ist laut. Ist das realistisch?
Hartenberger: Abfallwirtschaft ist Daseinsvorsorge. Mit Daseinsvorsorge sollte kein Gewinn erzielt werden. Aber Gewinnerzielung ist Teil privatwirtschaftlichen Handelns. Klar ist auch, dass eine Rekommunalisierung politisch gewollt sein muss. Im Zuge der Weiterentwicklung des Abfallwirtschaftskonzeptes wird man sich damit noch auseinandersetzen müssen. Es muss uns aber bewusst sein, dass die Rekommunalisierung, wie sie mittlerweile rund 50 Prozent aller öffentlich-rechtlichen Entsorger vollzogen haben, kein Sprint ist, sondern ein Marathon. Vor allem was die Vorbereitung angeht. In der aktuellen Wirtschaftslage haben zum Beispiel Müllfahrzeuge eine Lieferzeit von bis zu 36 Monaten. Eine Abfallwirtschaft in öffentlicher Hand kann sich langfristig lohnen. Das sieht man auch am Beispiel des Landkreises Rosenheim. 
Sie rechnen 2026 bereits mit weiteren Gebührenerhöhungen. Werden sich Bürger die Müllentsorgung in Zukunft nicht mehr leisten können?
Hartenberger: Wir werden nichts unversucht lassen, den starken Aufwärtstrend zu unterbrechen. Jeder einzelne kann seinen Beitrag zur Reduzierung der Gebühren leisten. Bewusster einzukaufen, verpackungsärmer, nachhaltiger: Stichwort Abfallvermeidung. Da, wo Abfall anfällt, muss jeder von uns mehr trennen. Wir bauen mit dem Landkreis Traunstein und dem österreichischen Flachgau ein Netzwerk an Anlaufstellen auf, die zur Abfallvermeidung beitragen sollen. Abfälle müssen als Rohstoff zur Produktion neuer Güter verwendet werden. Wenn die Wirtschaft mehr Abfälle als Sekundärrohstoffe verwendet, entstehen höhere Markterlöse. Weniger Restmüll und höhere Erlöse bei Vermarktung und Verwertung stoppen auch den Aufwärtstrend bei den Gebühren.

kp

Kommentare