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Was kommt bald auf Sparer zu? Im Interview spricht Bayerns Sparkassen-Präsident Ulrich Reuter über die Folgen der Zinswende – und über die Zukunft des Bargeldes.
München – In Deutschland bieten 309 Sparkassen Tagesgeld an, der Zinssatz von 155 Angeboten beträgt aber nur 0,01 Prozent oder weniger. Das berichtete Anfang Mai das Portal tagesgeldvergleich.de. Der Präsident des bayerischen Sparkassenverbands, Ulrich Reuter, erklärt im Interview, warum die Sparzinsen nicht schneller steigen, worauf sich Haus- und Wohnungskäufer einstellen müssen, wie es um das Filialnetz bestellt ist und warum Geldautomaten ins Visier von Kriminellen geraten sind.
Bayerns Sparkassen-Präsident Reuter: „Die Zinserhöhungen kamen ein halbes Jahr zu spät“
Die EZB hat die Zinsen im Eiltempo in die Höhe getrieben. Eine gute Nachricht? Oder ging Ihnen das zu schnell?
Eine gute Nachricht. Wir haben jetzt wieder die Grundlage, unsere Geschäfte vernünftig zu betreiben. Die zehn Jahre davor mit Negativzinsen waren auch für die Kunden eine verkehrte Welt: Wer sich verschuldet hatte, wurde belohnt.
Steigen die Zinsen weiter?
Ja, das werden sie. Wir rechnen beim Leitzins zum Jahresende mit einer Vier vor dem Komma. Die EZB wird erst dann aufhören, die Zinsen zu erhöhen, wenn die Inflation wahrnehmbar gedämpft ist.
Hat die Notenbank die Zinswende im Sommer 2022 zu spät eingeleitet?
Ja. Das ist das einzige Unerfreuliche an dem Prozess. Die Zinserhöhungen kamen ein halbes Jahr zu spät.
Nur sind die Sparkassen auch nicht gerade berühmt dafür, die Zinsentwicklung schnell an die Sparer weiterzugeben. Die ersten Direktbanken bieten bereits Tagesgeldzinsen von über drei Prozent an.
Da werden aber auch viele Lockangebote ins Schaufenster gestellt. Die drei Prozent gelten oft nur für Neukunden und für einen beschränkten Zeitraum. Aber Sie haben Recht: Die Sparkassen gehören nicht zu den Marktführern, was die Zinsen angeht.
Warum nicht?
Weil wir auch viele langfristige Kredite finanzieren und die Zinsen in diesem Bestand erst langsam ansteigen. Anders als Direktbanken haben wir über einen Zeitraum von zehn Jahren langfristige Immobilienfinanzierungen vergeben mit Zinsen von teilweise 0,8 oder 0,9 Prozent. Diese Kredite sind im Bestand. Da können wir nicht am anderen Ende drei Prozent bezahlen. Ich rate Sparern aber ohnehin dazu, nicht ausschließlich aufs Tagesgeld zu schauen.
Sondern?
Es gibt auch Angebote im Festgeldbereich: Wenn man bereit ist, sich für ein, zwei oder drei Jahre festzulegen, dann bieten auch Sparkassen mehr als zwei Prozent.
Ich bin ernsthaft besorgt, dass selbst für Doppelverdiener eine Immobilie kaum noch erschwinglich ist.
Die Inflation – im vergangenen Jahr waren es immerhin knapp acht Prozent – schlägt man damit aber noch lange nicht.
Richtig. Der Abstand vom Zins zur Inflationsrate ist immer noch enorm. Deswegen ist es auch richtig, dass die EZB viel daransetzt, die Inflation zu bekämpfen. Gelingt das, kann ich mit einem guten Anlagemix die Inflation im besten Fall wieder schlagen. Das Geld darf dann nicht nur auf dem Konto liegen: Ich brauche zusätzlich festverzinsliche Wertpapiere, Fonds oder ETFs – je nach Risikoprofil.
Gleichzeitig gibt es regelrechte Zins-Jäger, die jede Woche schauen, welche Bank gerade den besten Zins bietet. Registrieren Sie bereits eine Abwanderung von Kunden?
Unsere Kunden sind schon zinssensibel, das stimmt. Sie schichten aber eher um, wählen andere Produkte bei uns. Denn gleichzeitig spüren wir, dass angesichts kritischer Nachrichten aus der Finanzbranche auch der Sicherheitsaspekt wieder eine wichtige Rolle spielt.
Leidtragende sind gerade diejenigen, die ein Haus oder eine Eigentumswohnung kaufen wollen. Viele können eine Immobilie bei den aktuellen Zinsen nicht mehr finanzieren. Besorgt Sie das?
Ja. Das Problem ist, dass die Immobilienpreise noch nicht im gleichen Maße zurückgegangen sind. Wir raten trotzdem allen unseren Kunden, insbesondere den jungen, den Traum von der eigenen Immobilie nicht aufzugeben.
In München und Oberbayern droht dieser Traum für viele trotzdem niemals in Erfüllung zu gehen.
Ich bin auch ernsthaft besorgt, dass selbst für Doppelverdiener eine Immobilie kaum noch erschwinglich ist. Ich bin auch immer wieder erstaunt darüber, wie wenig der Staat für diese Menschen tut.
Sie könnte beispielsweise die Grunderwerbsteuer reduzieren, steuerliche Erleichterungen und Zinszuschüsse beschließen oder das Baukindergeld erhöhen. Das mietfreie Wohnen im Alter ist nach wie vor die beste Form der Altersvorsorge.
Ihre Aufgabe als Sparkassen-Präsident ist es, den Kontakt zur Politik zu suchen. Warum dringen Sie nicht durch?
Hauseigentümer oder diejenigen, die es werden möchten, stehen nicht im Zentrum von sozialpolitischen Überlegungen. Deutschland hat mit einer Wohneigentumsquote von 40 Prozent eine der geringsten in Europa. Trotzdem hat die staatliche Förderung des Wohneigentums in den vergangenen Jahren eher abgenommen.
Und jetzt ist auch noch das Eigenheim als solches in Verruf geraten.
Natürlich schneidet ein Eigenheim energetisch schlechter ab als ein Mehrfamilienhaus. Aber das ist eben nicht das Einzige, worauf es ankommt.
Der Traum von der eigenen Immobilie kann auch zum Albtraum werden: Nämlich dann, wenn die Anschlussfinanzierung angesichts steigender Zinsen unbezahlbar wird.
Hier sehe ich kein Problem auf uns zukommen, bei diesen Finanzierungen gelingt es meist, sie mit gleicher Belastung zu verlängern, dann eben mit einem geringeren Tilgungsanteil. Bei meiner eigenen Baufinanzierung vor über 30 Jahren stand übrigens noch eine Acht vor dem Komma. Es gab auch schon ganz andere Zeiten.
Dafür boomt jetzt das Bausparen, um günstige Zinsen für die Zukunft zu sichern.
Absolut. In der Zeit der Nullzinsen war das anders: Da ließ sich die Immobilie mit einer Finanzierung von der Bank um die Ecke besser finanzieren als über einen Bausparvertrag.
Die bayerischen Sparkassen sind Eigentümer der Landesbausparkasse Bayern. Aktuell fusionieren Sie das Institut mit der Stuttgarter LBS Südwest. Profitieren Bausparer davon?
In den Konditionen dürfte sich das nicht niederschlagen. Aber eine Bausparkasse lebt von der Masse: Je größer die Zahl der Bausparer ist, desto sicherer ist das System.
Wenn Größe entscheidend ist: Warum gibt es nicht eine große LBS für Deutschland?
Langfristig könnte das der Fall sein. Es gibt acht Landesbausparkassen, davon sechs selbstständige. Aktuell laufen drei Fusionen, bald wird es nur noch drei selbstständige Landesbausparkassen geben. Der Prozess ist damit nicht abgeschlossen, in Zukunft könnte es weitere Fusionen geben. Aber solche Zusammenschlüsse sind sehr komplex, das Thema muss man langsam angehen.
Es gibt auch Überlegungen, die Landesbanken – darunter die BayernLB – mit der Deka zu einem Sparkassen-Zentralinstitut zu verschmelzen. Eine gute Idee?
Es ist in einer Gruppe immer sinnvoll, sich möglichst zu konzentrieren, damit ein und dieselbe Aufgabe nicht mehrmals erledigt wird. Andererseits sehen wir gerade auch: Größe ist nicht immer sinnvoll. Die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS zeigt: Es gibt Banken, die sind so groß, dass sie nicht pleitegehen dürfen, weil sie sonst die Stabilität des Finanzsystems gefährden– sie sind „too big to fail“. Das ist ein Zustand, den wir als Sparkassen nicht anstreben. Wir in Bayern können zum Beispiel mit der im Vergleich zu früher kleineren, aber risikoärmeren BayernLB gut leben.
Bei bayerischen Sparkassen kam es allein im vergangenen Jahr zu rund 20 Sprengungen an Automaten.
Größe streben die Sparkassen auch beim Filialnetz nicht an: In den vergangenen Jahren haben viele Institute Filialen zugesperrt. Ist damit jetzt Schluss?
Wir werden in Zukunft bestimmt noch die ein oder andere Geschäftsstelle schließen, wenn wir merken, dass sie kaum noch frequentiert wird. Die große Welle liegt aber hinter uns.
Die Sparkassen haben geschlossene Filialen oft durch Geldautomaten ersetzt. Ausgerechnet die sind jetzt ins Visier von Kriminellen geraten, etliche Automaten wurden gesprengt. Wird jetzt das Automatennetz ausgedünnt?
Nein, das glaube ich nicht. Die Sparkassen haben in Bayern noch immer über 3000 Geldautomaten in Betrieb, das soll auch so bleiben.
Warum hat die Zahl der Sprengungen so stark zugenommen?
Die große Welle kam 2021, nachdem Holland die Kriminellen vergrämt hatte. Bei bayerischen Sparkassen kam es allein im vergangenen Jahr zu rund 20 Sprengungen. Immerhin gibt es mittlerweile in vielen Automaten Geldschein-Einfärbetechniken.
Wie funktionieren die?
Mit der Erschütterung durch eine Detonation platzt im Automaten eine Tintenpatrone, das Geld wird unbrauchbar. Aktuell experimentieren wir mit weiteren Methoden: Anstatt die Geldscheine einzufärben, kann man sie auch zu einem einzelnen Block verkleben. Das Problem ist: Lange gab es keine Möglichkeit für Kreditinstitute, die verklebten Barren bei der Bundesbank in neue Scheine zu tauschen. Im Moment fehlt noch die arbeitsschutzrechtliche Freigabe.
Was kostet eine Sparkasse der Betrieb eines Geldautomaten?
Zwischen 15.000 und 20.000 Euro im Jahr.
Und die Anschaffung?
Je nach Modell und Sicherungstechnik sind das schon mal 30.000 bis 40.000 Euro für Kauf und Installation.
Von Fremdkunden verlangen die Sparkassen ordentlich Geld, wenn sie am Automaten Geld abheben, oft über vier Euro.
Die Gebühren decken aber bei Weitem nicht die Kosten. Wir halten trotzdem an den Automaten fest, weil es der Wunsch unserer Kunden ist. Fakt ist aber auch: Heute wird deutlich seltener mit Bargeld bezahlt als noch vor 20 Jahren – also müssen sich Sparkassen schon die Frage stellen, ob sich der ein oder andere Automat noch lohnt.
Wird die Bedeutung von Bargeld weiter schwinden?
Zumindest in den nächsten zehn Jahren wird Bargeld noch eine große Rolle spielen, denn Deutschland ist sehr bargeldaffin. Unter anderem deshalb, weil Bargeld Anonymität gewährleistet. Bargeld ist gedruckte Freiheit.
Interview: Sebastian Hölzle, Corinna Maier, Andreas Höß