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„Das ist komplett irre“

Bayern im Hochzeitsrausch: Standesämter am Limit

Nach zwei Jahren Pandemie herrscht ein regelrechter Hochzeitsboom. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres wurde laut dem bayerischen Landesamt für Statistik im Freistaat mehr geheiratet als 2021.
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Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres wurde laut dem bayerischen Landesamt für Statistik im Freistaat mehr geheiratet als 2021. (Symbolfoto.)

Nach zwei Jahren Pandemie herrscht ein regelrechter Hochzeitsboom. Viele Standesämter sind am Limit. Und auch die Suche nach einer passenden Location ist schwieriger geworden. Über die Herausforderungen, sich das Ja-Wort zu geben.

München – Eigentlich sollte es schon im Juni vor zwei Jahren passieren. Am Chiemsee wollen sich die Grundschullehrerin und der Wirtschaftsmathematiker das Jawort geben. Alles ist vorbereitet, Kleid und Anzug gekauft, das Menü ausgesucht, die Hotels für die Verwandtschaft aus Australien, Brasilien und den USA gebucht. „Die Idee für unser Fest war, dass die gesamte Familie, die bei uns sehr weit verstreut lebt, endlich einmal wieder zusammenkommt“, erzählt Sandra. 

Stattdessen kommt die Pandemie – und Absage Nummer eins. Im kleinen Kreis heiratet das Paar im Oktober 2020 zumindest standesamtlich. „Meinem Mann ging es vor allem darum, dass seine Eltern, die aus Großbritannien kommen und schon ein gewisses Alter erreicht haben, bei der Hochzeit dabei sein können“, sagt Sandra. 

Ein Jahr später der zweite Anlauf am Chiemsee. Er scheitert an den verschärften Reisebeschränkungen für die Tanten und Cousins aus dem Ausland. Absage Nummer zwei. Damit nicht genug. Die ganze Planung löst sich in Luft auf. Die Betreiber des Restaurants am Chiemsee gehen insolvent, ebenso die Catering-Firma. Die Floristin ist nicht mehr erreichbar, von der Party-Band ist nichts mehr zu hören. „Im Grunde haben wir ganz von vorne beginnen müssen“, sagt die 53-Jährige. Und wie das Paar feststellen muss, sind sie nicht die Einzigen, die 2022 ihre Hochzeit feiern wollen. 

„Die ganze Welt scheint heuer heiraten zu wollen“

„Die ganze Welt scheint heuer heiraten zu wollen“, fasst die Hochzeitsplanerin Uschi Glas aus Garmisch-Partenkirchen die Situation am Markt zusammen. In den Jahren vor Corona hätte sie vielleicht drei bis vier Anfragen im Monat gehabt. „In diesem Jahr aber sind es jede Woche sechs bis sieben. Das ist komplett irre.“

Nach zwei Jahren Pandemie herrscht ein regelrechter Hochzeitsboom. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres wurde laut dem bayerischen Landesamt für Statistik im Freistaat mehr geheiratet als 2021. Und der Trend hat sich fortgesetzt.

Standesämter am Limit

Viele Standesämter sind am Limit. Bei ihrem Rückruf entschuldigt sich Petra Oswald, Leiterin des Standesamts in Fürstenfeldbruck, dafür, dass sie so schwer erreichbar sei. „Es ist unglaublich viel los“, sagt sie. Freie Termine gibt’s bei ihr nur noch im November, und das auch nur unter der Woche. Das aber sei eigentlich normal für ihr Standesamt. Was nicht normal ist, seien die vielen Anfragen. „Wenn wir könnten, könnten wir dieses Jahr noch sehr viel mehr Ehen schließen.“

Ähnliches berichtet Katharina Aust, Leiterin des Standesamts Tegernsee. „Wir führen keine Statistik, aber gefühlt haben wir sehr viel mehr Anfragen als sonst“, sagt Aust. Die sechs Standesämter des Tegernseer Tals sind für dieses Jahr fast komplett ausgebucht. „Corona könnte eine Rolle spielen“, sagt Aust, „aber auch die Tatsache, dass das Tegernseer Tal als Hochzeitsort grundsätzlich seit einigen Jahren immer beliebter wird.“ Waren es vor gut zehn Jahren noch an die 400 Hochzeiten, die im Tal geschlossen wurden, sind es jetzt rund 600. „Das ist unsere Grenze“, sagt Aust. „Mehr schaffen wir personell einfach nicht.“ 

Im Standesamt Hausham hat man personell noch Luft. Weil auch hier die Nachfrage regelrecht explodiert, bietet das Standesamt nun auch mittwochs und donnerstags Termine an. „Das ist bei uns absolut ungewöhnlich“, konstatiert Leiterin Sylvia Heyder. Zu den Gründen hat sie eine eigene Vermutung. „Dass so viel los ist, liegt nicht daran, dass so viele Paare in den vergangenen zwei Jahren ihren Termin wegen Corona abgesagt und auf dieses Jahr verschoben haben“, sagt sie. „Bei uns lag die Absagequote in diesem Zeitraum nur zwischen drei und fünf Prozent.“

Hochzeitsplanerin Uschi Glas erklärt das so: „Viele Paare wollen jetzt einfach Nägel mit Köpfen machen, bevor nächstes Jahr vielleicht neue Corona-Wellen durchs Land rollen.“ Glas freut sich über den Boom, aber ihre Arbeit sei auch anstrengender geworden. „Einen passenden Ort für die Feier zu finden, das ist derzeit eine wirklich große Herausforderung.“ Einige ihrer Stammlokalitäten gebe es nicht mehr, weil die Besitzer in der Pandemie Insolvenz angemeldet hätten. Andere würden keine größeren Veranstaltungen mehr ausrichten. „Und der Rest ist ausgebucht.“

Fast alles ausgebucht 

In diesem Jahr ohne Feier-Einschränkungen ist die Konkurrenz um die besten Plätze besonders groß. Da sind die frisch Verheirateten, die ihre Hochzeit zeitnah feiern wollen, aber auch all die Paare wie Sandra und Stephen, die ihr Fest verschieben mussten und nachfeiern wollen. „Größere Nachfrage trifft gerade auf knapperes Angebot“, sagt Glas. „Da muss man sich als Hochzeitsplanerin schon was einfallen lassen.“

„Wir haben die Nadel im Heuhaufen gesucht“, sagt Sandra über ihre Zeit der Location-Fahndung. „Ich weiß nicht mehr, wie viele Anfragen wir gestartet haben und wie viele Besichtigungen wir hatten – die dann doch zu nichts geführt haben. Es waren viele.“ Dann endlich eine Zusage. „Für eine Woche waren wir glücklich.“ Dann kam die Absage von der Zusage. „Die Betreiber wollten doch keine Hochzeit mehr ausrichten, weil ihnen das Geschäft zu unsicher geworden sei.“ Auch diesen Rückschlag tragen sie mit Fassung. Ihren Mann, den Briten, würde ohnehin nichts so leicht aus der Ruhe bringen, sagt Sandra. „Und ich bin ein Stehaufmännchen. Ich habe mir gedacht: Jetzt erst recht!“

Ihr Glück finden sie im Schloss Aufhausen. Buchstäblich den letzten Termin für 2022 hätten sie ergattert, sagt Sandra und klingt auch jetzt noch erleichtert. „Ich habe den Kalender gesehen – da war alles voll.“ Auch wenn die ausländische Verwandtschaft nicht anreisen konnte, schwärmt Sandra von dem Tag, der so emotional und so ausgelassen gewesen sei. Ein Tag, den sie nie vergessen werde. Genug vom Hochzeiten Planen hat sie übrigens nicht. Zwei Freundinnen hätten sie gefragt, ob sie bei der Vorbereitung ihrer Hochzeit helfen könne, erzählt sie und lacht. „Ich habe nicht gezögert und sofort zugesagt. Ich habe ja jetzt einen gewissen Erfahrungsschatz, den ich sehr gerne weitergebe.“

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