Seit 40 Jahren
„Ich bekomme sehr viel zurück“ - Erika Stefanutti über ihr ehrenamtliches Engagement
Erika Stefanutti aus Übersee setzt sich mehr als ihr halbes Leben lang für andere ein. Seit 40 Jahren engagiert sie sich in verschiedenen Ehrenämtern. Was motiviert sie und wie bereichert das Engagement für andere ihr eigenes Leben?
von Isabella Fiala
Die Liste ihrer Ämter ist lang: Erika Stefanutti, 70, ist Familienbeauftragte der Gemeinde Übersee, sitzt im örtlichen Gemeinderat, ist Schöffin am Landgericht Traunstein, engagiert sich im Kreisvorstand des Sozialverbands Vdk und ist Einsatzleiterin des Krankenpflegevereins sowie des Helferkreises Übersee. Seit zwölf Jahren leitet sie zusammen mit Uschi Geiger den Familienstützpunkt Übersee, einen von sechs Standorten im Traunsteiner Landkreis. Für ihr herausragendes Engagement für die Gesellschaft wurde ihr 2018 die Bundesverdienstmedaille verliehen.
Frau Stefanutti, seit 40 Jahren engagieren Sie sich ehrenamtlich für andere. Wie sind Sie damals zum Ehrenamt gekommen?
Ich wurde gefragt, ob ich die Leitung des Jugendtreffs in Übersee übernehmen möchte. Die Entscheidung war nicht schwierig, weil der Schutz für Kinder und Jugendliche schon immer meine Herzensangelegenheit war und bis zum heutigen Tag ist.
Was motiviert Sie?
Das große Vertrauen, das mir die Bürger entgegenbringen. Auch das Lob und die Anerkennung, die netten Worte – gesagt oder geschrieben. Einfach die Dankbarkeit und Freude über das, was wir gemeinsam geschaffen und durchgestanden haben. Der Zusammenhalt aller ehrenamtlichen Mitarbeiter in unserem Team ist ebenfalls motivierend. Ohne den Zusammenhalt wäre alles nicht möglich, alle Ehrenamtlichen bilden die grundlegende Basis für unseren Erfolg. Und zwar jeder einzelne, egal in welcher Form er oder sie Unterstützung leistet, um Menschen zu helfen. Auch nach Jahren kommt die Rückmeldung einiger Bürger, dass sie ihre Lebensziele ohne unsere Hilfe nicht erreicht hätten. Man gibt nicht nur, man bekommt auch sehr viel zurück. Das motiviert mich und uns alle im Team sehr stark.
Welche Erlebnisse haben Sie besonders berührt?
Eine Frau, 80 Jahre, seit 60 Jahre verheiratet und kinderlos, rief mich eines Tages an: Ihr Mann liegt im Krankenhaus im Sterben und sie kann nicht zu ihm, da sie schon zu gebrechlich dafür ist. Hätte sie ein Krankenbett, könnte ihr Mann nach Hause und dürfte in ihren Armen sterben, sagte sie mir. Unsere Ehrenamtlichen des Krankenpflegevereins haben alle Hebel in Bewegung gesetzt und ihr ein Krankenbett gebracht. Zwei Tage später rief mich die alte Dame an und erzählte mir, dass soeben ihr Mann in ihren Armen für immer eingeschlafen ist. Das berührt mich bis heute sehr. Aber das ist nur eines von vielen Beispielen. Es gibt noch so vieles, was mir in Erinnerung geblieben sind.
Wollen Sie uns davon erzählen?
Seit 40 Jahren begleite ich als Ehrenamtliche Jugendliche, die im Rahmen eines Strafverfahrens Arbeitsstunden leisten müssen. Ich motiviere sie dazu, was eine sehr große Aufgabe ist. Wer will schon so viele Stunden umsonst arbeiten, wenn er jung ist und eh kein Geld hat? Ich habe dabei immer den einzelnen Menschen im Blick und schau, was bringt der Jugendliche mit, was liegt ihm? Wer zum Beispiel Mechaniker ist, kann im Kindergarten die Fahrgeräte überprüfen und richten. Es freut mich immer sehr, wenn ich am Ende den Zettel ausfüllen kann, dass der Jugendliche seine Stunden geschafft hat. Die Krönung ist, wenn danach einer sagt: Erika, wenn du einmal meine Hilfe brauchst, dann kannst du mich gerne anrufen.
Wie bereichert das Ehrenamt Ihr Leben?
Ich bin reich an Erfahrungen. Meine Kollegen im Ehrenamt und ich konnten gemeinsam viel bewegen in all den Jahren. Ich habe gelernt, Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, ich bin an meinen Aufgaben gewachsen und habe eigene Stärken entdecken. Ich habe viele Menschen – jeden Alters, Geschlechts und jeder Herkunft – und deren Lebensgeschichte kennenlernen dürfen. Die riesige Freude, wenn uns gemeinsam etwas geglückt ist, motiviert mich. Und ganz wichtig: Ich bin bodenständig geblieben.
Was raten Sie anderen Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren möchten?
Man sollte sich überlegen, wo und wie man seine Stärke einsetzen kann. Seine Zeit und Kraft sollte man sich genau einteilen. Und dann sollte man sich auf das, was kommt, ruhig und besonnen einlassen und nicht auf Morgen warten, sondern sich zügig entschließen, als ehrenamtlicher Mitarbeiter anzufangen. Dann beginnt eine spannende Zeit, die man nie mehr missen will. Menschen zu helfen bedeutet, dass im Körper viele Glückshormone freigesetzt werden. Wer möchte das nicht?
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