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Branding-Experte
„Der Twingo hat mir besonders viel Spaß gemacht“: Autonamen-Erfinder Manfred Gotta im Interview
Mit Autonamen hat schon mancher Hersteller daneben gegriffen. Im Interview verrät Branding-Experte Manfred Gotta, worauf es bei einem guten Namen ankommt.
Manfred Gotta hat in seinem Leben schon zahlreiche Namen erfunden: für neu gegründete Unternehmen (Targobank, Evonik), für Waschmittel (Megapearls) oder alkoholfreies Bier (Kelts). Aber auch viele Namen für einige sehr bekannte Automodelle. Zu seinen Schöpfungen gehören unter anderem der Renault Twingo, der Porsche Cayenne und der Smart. Inzwischen ist Gotta 77 Jahre alt, sein Unternehmen Gotta Brands soll einmal sein Sohn Julian weiterführen, der sich mit dem Vater mittlerweile den Posten des Geschäftsführers teilt. Im Interview mit IPPEN.MEDIA blickt Manfred Gotta auf seine jahrzehntelange Karriere in der Branding-Branche zurück, erklärt, was er von Elektroautos hält – und verrät seine schönste Namenskreation für ein Auto.
Herr Gotta, Sie sind nun 77 Jahre alt. Wie lange wollen Sie denn eigentlich noch Namen erfinden?
Manfred Gotta: Was ich mache, macht mir sehr viel Spaß. Ich will keine Rosen züchten. Ich finde, sich mit unterschiedlichen Dingen auseinanderzusetzen, hält jung. Und viele sagen zu mir: „Du siehst nicht aus wie 77“. Also kann ich noch ohne Scham in Meetings gehen, in denen junge Leute sitzen (lacht). Ich habe dieses Jahr übrigens so ein bisschen ein magisches Datum. Mit 38 Jahren habe ich mich selbstständig gemacht – und heuer bin ich genau seit 38 Jahren im Geschäft.
Blicken wir zurück: Welcher Autoname war die aus Ihrer Sicht anstrengendste Kreation?
Ich habe ein echtes Faible für Autos, deshalb gab es eigentlich nie eine Situation, in der ich gedacht habe: Mir fällt nichts mehr ein oder ich krieg’ das nicht mehr hin. Es gab Fahrzeuge, die mir besonders viel Spaß gemacht haben, wie der Twingo. Der Smart dagegen war ein bisschen kompliziert: Als ich zum ersten Mal die Bilder von dem Auto gesehen hab, hab ich gedacht: „Ne. Das ist ja ein Winzling! Wenn du da an einem Laster vorbeifährst und der Fahrer schmeißt seine Essensreste zum Fenster raus – dann bist du nicht mehr sichtbar.“ Bis ich dann zu Mercedes hingefahren bin und mich in das Auto hineingesetzt hab – da war ich positiv überrascht.
Wie ist Ihre Herangehensweise bei der Namensfindung für ein Automodell?
Das wichtigste für mich ist, dass ich das Auto sehe. Ein Auto ist wie ein Mensch: Es hat einen Hintern, es hat ein Herz, es hat Ohren, es hat Beine. Und wenn Sie das Auto anschauen, müssen Sie herausfinden: Was ist die Seele von diesem Auto? Und deshalb setze ich mich nicht nur rein, ich befühle es. Ich sage den Auftraggebern zwar immer, sie sollen nicht zugucken, damit die sich nicht totlachen und denken: „Was ist denn das für ein Irrer, der da unter und neben dem Auto rumkriecht?“ Aber: Das ist das Entscheidende. Es könnte sein, dass ich beispielsweise das Gefühl habe: Das Auto schielt. Und dann stellt sich die Frage: Kann ich das Projekt realisieren? Wenn man ein schlechtes Gefühl hat, ist es vielleicht manchmal auch besser, die Finger davon zu lassen.
Sie haben also auch schon Benennungen von Autos abgelehnt?
Ja, in zwei Fällen. Diese Autos waren so hässlich, dass ich mit einer eleganten Ausrede den Auftrag nicht angenommen habe.
Geben Sie uns einen Hinweis, welche Modelle das waren?
Nein, so etwas mache ich natürlich nicht. Aber eigentlich bauen diese Hersteller schöne Autos.
Was ist denn aus Ihrer Sicht der bislang größte Fehlschlag in Sachen Autonamen?
In Frankreich werden Sie an Audis relativ selten den Schriftzug e-tron sehen – was nachvollziehbar ist, wenn ihr Auto dort „Kothaufen“ heißt. Dann lassen Sie das wahrscheinlich besser weg, man kann ja ohne Aufpreis auf den Schriftzug verzichten. Das ist eine ähnlich unglückliche Wahl, wie bei VW der Phaeton: Eine Figur in der Mythologie, die bekanntermaßen irgendwo einen Unfall hatte. Oder: Denken Sie an die Opel-Modelle Karl und Adam.
Da frag’ ich mich wirklich: Was hat die Geschäftsführung sich damals dabei gedacht? Das muss einem doch der gesunde Menschenverstand sagen, dass ich keinen „Adam“ fahre.
Jetzt mal was Positives: Was war aus Ihrer Sicht der schönste Autoname, den Sie erfunden haben?
Mein persönlicher Favorit wurde am Ende leider kein erfolgreiches Automodell: der Renault Vel Satis – ein wirklich ausgefallener Name, der auf dem Namen einer etruskischen Fürstenfamilie basiert. Das Fahrzeug war eine Luxuslimousine, die ursprünglich einfach traumhaft aussah. Aber dann kamen die Leute, die die Kosten kürzen – und dann wurde das immer hässlicher. Es ist wirklich schade, dass dieses Auto nicht in der ursprünglichen Form realisiert wurde.
Wie gelang Ihnen der Durchbruch in der Autobranche?
Früher waren Bezeichnungen für Autos sehr konkret: Man wollte beispielsweise einfach Urlaubsgefühle vermitteln: Dann haben sie ein Modell halt Ascona genannt. Bei Opel hat man für die Baureihe aber keinen Nachfolger gefunden. Dann kam Gotta, der Verrückte, und hat gesagt: Ein Name muss nichts Konkretes bedeuten. Die haben mich machen lassen. Das war unser Start: der Opel Vectra.
Haben Sie schon mal ein E-Auto benannt?
Nein. Aber ich bin eines der ersten Elektroautos gefahren. Das ist schon ein paar Jahrzehnte her, da war ich bei RWE zu Gast. Dort stand ein elektrisch betriebener VW Golf. Das Ding fuhr wie ein Rasenmäher – trotzdem war es sehr interessant. Auch Bugatti hatte übrigens früh ein Elektroauto entwickelt – aus kuriosem Grund: Ettore Bugatti hatte es gebaut, weil ihn seine Angestellten immer schon von weitem hörten, wenn er mit dem Pferd daher ritt – und manche erst dann anfingen zu arbeiten. Das wollte er ändern. Das Auto gibt es übrigens noch.
Die zehn seltensten Autos der Welt – und was sie kosten
Welcher Hersteller hat denn für sein E-Auto eine besonders gute Bezeichnung gefunden?
Das ist schwierig. Mich ärgert es generell, dass eigentlich außer Tesla alle anderen E-Autos „Genauso-wie-Autos“ sind. Mich macht wütend, dass unsere eigentlich tollen Automobilhersteller – Mercedes-Benz, BMW, Audi, VW – dass die sich nichts haben einfallen lassen, um sich von Tesla zu differenzieren. Mir fehlt das Besondere – eine Technik, die zeigt: Wir sind anders als Tesla.
Haben Sie ein Elektroauto?
Nein, natürlich nicht. Und ich würde mir auch keines kaufen. Irgendwo fehlt mir da die Seele und die Emotionalität. Kürzlich habe ich mir beispielsweise auf einer Veranstaltung den Lucid Air angesehen – der sieht toll aus. Aber wenn du dir vorstellst, du bist auf der Autobahn, gibst Gas – und hörst überhaupt nichts, außer Windgeräusche... Ich brauche Benzingeruch und ich brauche Geräusche. Ich habe mir jetzt einen MG gekauft.
1960. Mein Sohn hat den abgeholt und ich bin hinterhergefahren. Allein dieser Geruch weckt in mir unglaubliche Erinnerungen. Das sind Dinge, die man liebt, wenn man ein Autofreak ist. Die Zukunft wird wahrscheinlich anders sein.
Manche Hersteller – oft aus China – beleben stillgelegte Marken neu: MG oder Borgward zum Beispiel. Ist so etwas aus Ihrer Sicht eine gute Idee?
Wenn eine gute Substanz da ist, kann das funktionieren. Wenn man stillgelegte Marken wiedersieht, die plötzlich modern sind, aber in der Vorstellung bestimmte Erinnerungen wecken, dann geht das schon. Schauen Sie sich mal chinesische Hersteller wie BYD an: Deren Autos sehen toll aus, da muss man mal ehrlich sein. Die haben nur ein Problem: Sie haben kein Image. Deswegen tun die sich nicht ganz leicht.
In dem Land ist speziell in der Automobilbranche das Markenbewusstsein noch nicht so ausgeprägt. Das muss man verstehen. Es gibt Fahrzeugbezeichnungen, bei denen man lacht, weil man sich denkt „So ein beknackter Name“. Aber die werden das auch noch lernen.
Welches Unternehmen wäre noch ein Traumkunde für Sie im Automobilbereich? Tesla?
Mit Mercedes würde ich gerne etwas realisieren, was ich mir schon ausgedacht habe. Wir haben mit denen ja den Lkw-Namen Actros gemacht. Alle Lastwagen hatten bis dahin nur simple Buchstaben- und Zahlenkürzel als Bezeichnung. Wie es zu der Entscheidung für den Namen kam, ist übrigens auch eine lustige Geschichte: Ich war dreimal bei Mercedes – ohne Entscheidung für einen Namen. Dann habe ich in die Runde von fünf, sechs Leuten gesagt: „Jetzt reicht's! Ich komme nur noch einmal zu euch. Dann ist Schluss.“ In diesem Moment klopft es an der Tür – und der Vorstandschef kommt herein. Der kannte mich schon und fragte: „Um was gehts?“ Er hat sich meinen Vorschlag angehört und gesagt: „Warum machen wir das nicht, meine Herren?“ Da war klar, dass Actros der neue Name für den Lkw ist.