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Skandal um HVO100

Wissing wird verklagt – Wegen neuartigem Treibstoff

Die Deutsche Umwelthilfe hat das Verkehrsministerium verklagt. Der Auslöser ist ein neuartiger Kraftstoff. Der DUH fehlen entscheidende Informationen.

Berlin – „90 Prozent weniger Treibhausgasemissionen als fossiler Diesel“. So hatte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) Ende Dezember 2023 den „grünen Diesel“ HVO100 vorgestellt. Es müsse jede verfügbare Technologie genutzt werden, um die Emissionen auf den Straßen zu reduzieren – das gehe nicht nur mit Elektroautos oder Hybridfahrzeugen, es müssten auch Lösungen für die vielen Verbrenner her, die auch in „15 bis 20 Jahren“ noch auf den Straßen unterwegs sein werden. Die Deutsche Umwelthilfe wollte das genauer wissen – und verklagte das Verkehrsministerium.

Deutsche Umwelthilfe verklagt Volker Wissing – Offene Fragen um HVO100

Was war passiert? Im Zentrum der Affäre steht die Kampagne „HVO100 goes Germany“, die der Münchner Verein „Mobil in Deutschland“ angeheizt hatte, um HVO100, einen neuen Bio-Kraftstoff, zu bewerben und die breite Masse darüber zu informieren. Verkehrsminister Volker Wissing und der Parlamentarische Staatssekretär im Verkehrsministerium, Oliver Luksic (auch FDP) waren mit in die Kampagne geraten; Wissing hatte aktiv mit geworben und Luksic war gegen den Rat des Verkehrsministeriums zum Schirmherren der Aktion ernannt worden.

Verkehrsminister Volker Wissing im Portrait (Symbolfoto). Die Deutsche Umwelthilfe hat das Verkehrsministerium verklagt. Hintergrund ist der neue Kraftstoff HVO100. Angeblich fehlen wichtige Daten.

Jetzt hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) vor dem Verwaltungsgericht Berlin Klage gegen das Verkehrsministerium erhoben, dem der FDP-Verkehrsminister Wissing vorsteht. Als Grund führte die DUH die „Weigerung“ des Ministeriums an, Abgasmessungen zum Lobbyskandal-Kraftstoff HVO100 zu veröffentlichen. Sowohl Wissing und Luksic hätten sich „ungewöhnlich einseitig“ über den neuen Bio-Diesel geäußert – er sei sauberer und geruchsärmer, verglichen mit konventionellem Diesel, und er würde die lokale Umweltbelastung in Städten und Kommunen reduzieren.

Das DUH habe bereits im Juni 2024 Hinweise auf „deutlich erhöhte“ Stickoxid-Emissionen bei bestimmten Dieselfahrzeugen gefunden und das Verkehrsministerium darüber informiert. Abgastests im Emissions-Kontroll-Institut hätten zum Beispiel bei einem VW Touareg Euro 5 um rund 20 Prozent höhere Stickoxid-Werte erwiesen. „Allein wegen der hohen Stickstoffdioxidwerte in der Atemluft sterben jedes Jahr über 23.000 Menschen in Deutschland vorzeitig“, erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch in einer Meldung. „Volker Wissing muss aufhören, HVO100 mit falschen Behauptungen zu bewerben und stattdessen seinen Einsatz für die kurzfristige Durchsetzung einer wirklich sauberen Luft in unseren Städten durch eine Stilllegung oder Nachrüstung schmutziger Dieselfahrzeuge erhöhen.“

HVO100 bezeichnete Resch als „Scheinlösung“.

DUH fordert Belege um grünen Diesel HVO100 von Volker Wissing

Im Anschluss an diese Erkenntnisse hatte die DUH sich an das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) gewandt. Dabei hatte sie, so die Darstellung der DUH, die Herausgabe der dem Ministerium vorliegenden Messwerte von Diesel-PKW und Nutzfahrzeugen, die HVO100 verwenden, erbeten. Das BMDV habe sich geweigert, die entsprechenden Daten zu veröffentlichen.

Am 14. Juni ging die DUH einen Schritt weiter und soll einen formalen Antrag auf Basis des Umweltinformationsgesetzes gestellt haben. Die Deadline für die Herausgabe der Dokumente war nun der 12. Juli – die DUH wollte Abgasmessungen, Prüfprotokolle, Prüfberichte und Studienergebnisse sehen – und vieles mehr. Kurz gesagt: Das Ministerium sollte belegen, woher Wissing seine Erkenntnisse genommen hatte, auf deren Basis er vorher HVO100 beworben hatte. Eine ähnliche Anfrage hatte die DUH dem Kraftfahrt-Bundesamt geschickt. „Die von Lobbycontrol und ZDF frontal aufgedeckte skandalöse Zusammenarbeit von Verkehrsminister Wissing und seinem Staatssekretär Luksic mit der Lobby-Kampagne der Ölindustrie für HVO100 steigert unsere Neugierde auf die vom Ministerium verweigerten Messergebnisse und Prüfprotokolle“, sagte Resch von der DUH.

Volker Wissing gerät wegen Lobby-Kampagne zu HVO100 unter Druck

Beim BMDV und „Mobil in Deutschland“ gibt es mittlerweile Versuche zur Schadensbegrenzung. Das BMDV teilte mit, dass Luksic die Schirmherrschaft für die „HVO100 goes Germany“-Kampagne mittlerweile ausgesetzt habe. Außerdem habe der Staatssekretär den Verein Mobil in Deutschland e.V. schriftlich aufgefordert, die Vorwürfe „umfassend aufzuklären“. Dem Verein sei untersagt worden, mit dem BMVD-Logo und der Schirmherrschaft zu werben.

„Das BMDV tritt jeglichen Vorwürfen einer unrechtmäßigen Einflussnahme von Interessengruppen und einer Vermittlung von Terminen mit der Hausleitung gegen Bezahlung mit aller Entschiedenheit entgegen. Die Übernahme von Schirmherrschaften ist grundsätzlich nicht mit Gegenleistungen verbunden“, teilte das Ministerium in einer speziellen Stellungnahme mit.

Allerdings lässt das BMDV die Schadstoff-Thematik um die DUH dabei außen vor.

Wie nachhaltig ist HVO100 wirklich?

Die Frage nach der Nachhaltigkeit des HVO100-Kraftstoffs beginnt jedoch nicht erst beim Ausstoß von Stickoxiden. HVO (kurz für Hydrotreated Vegetable Oil, also mit Wasserstoff behandelte Pflanzenöle) bestehen aus pflanzlichen Rohstoffen, Rückständen und Abfällen. Altes Frittierfett, Palmöl-Nebenprodukte oder Tierfette können also die Basis für diesen Kraftstoff darstellen.

Das wirft zwei Fragen auf: Woher stammen diese Produkte und wie ist der Wasserstoff entstanden, der zur Behandlung der Rohstoffe notwendig ist? Je nachdem, wie die Hersteller diese Fragen beantworten, kann der positive Effekt in der CO₂-Bilanz schnell aufgefressen sein. Denn Wasserstoff – sofern in Deutschland hergestellt – braucht fossile Energieträger.

Rubriklistenbild: © IMAGO / Political-Moments

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