Handwerksmeister sind skeptisch
Von den Bienen lernen auf der Baustelle: Rosenheimer Start-up setzt auf neue Arbeitsweise
Von Bienen lernen und ihre Arbeitsweise auf der Bastelle integrieren. Da ist das Ziel von Florian Schiffer und seinem Rosenheimer Bauunternehmen „Tjiko“. Die erfahrenen Handwerksmeister aus der Region sehen jedoch Probleme im zunächst vielversprechend klingenden „Bienenstock-Prinzip“.
Rosenheim – Was Menschen von den Bienen lernen können? „Eine ganze Menge“, meint Lukas Schiffer, Mitbegründer und Geschäftsführer des Rosenheimer Start-ups „Tjiko“. Er will das aus dem Projektmanagement stammende „Bienenstock-Prinzip“ in die Baubranche bringen und erklärt im Interview seine Idee der netzwerkorientierten Arbeitsweise. Der ungewöhnliche Ansatz sorgt bei den Handwerksmeistern in der Region jedoch größtenteils für Skepsis.
Was der Mensch von der Natur lernen kann
Bei einem Blick auf einen Bienenstock sehen nur wenige eine natürlich organisierte Großbaustelle. Doch um das Volk am Leben zu erhalten, hätte jede Biene seine eigene Aufgabe. Das ganze System ist laut Schiffer durch einen ständigen Austausch organisiert, sodass jeder Bienenarbeiter schnell und effektiv eingesetzt werden kann. Dieses Prinzip soll nun aus der Natur in die Arbeitswelt des Rosenheimer Unternehmens integriert werden. Die Idee: „Eine digitale Fertigungsakte, in der alle Baumodule mit den Einsatzplänen der Arbeiter verknüpft sind.“ So soll jeder sehen können, an welchem Gewerk welcher Arbeitsschritt erfolgen muss. Die Mitarbeiter können sich daraufhin selbstständig in die passende Schicht eintragen, ohne auf Wartezeiten oder die Zuteilung durch den Bauleiter angewiesen zu sein.
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„Der Mitarbeiter wird da nicht reinschauen“
„Das „Bienenstock-Prinzip“ klingt in der Theorie ganz gut, in der Praxis bin ich da allerdings sehr skeptisch“, sagt Thomas Pichler, Obermeister der Zimmererinnung Rosenheim. Demnach ist es zwar eine gute Idee, den Bauleiter zu entlasten und gleichzeitig einige Arbeitsschritte zu digitalisieren. Ihm die Zuteilung der Arbeiter größtenteils zu entziehen, sei allerdings nicht der richtige Weg. Ein weiteres Problem sieht Pichler darin, dass man dafür sehr engagierte Mitarbeiter braucht. „Die meisten kommen morgens in den Betrieb und fragen dann erst, was an dem Tag überhaupt zu tun ist. Das machen einige selbst dann, wenn sie am Vortag an ihrer Baustelle nicht fertig geworden sind“, meint der Zimmerer. Sich jeden Tag selbst in bestimmte Schichten einzutragen, brauche ein hohes Maß an Eigenverantwortung.
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„Der Betriebsleiter braucht weiterhin die Kontrolle“, betont auch Gerhard Hardrath, Obermeister der Rosenheimer Innung für Spengler-, Sanitär- und Heizungstechnik. Er vertraue lieber darauf, dass der gesunde Menschenverstand und keine digitale Akte darüber entscheidet, welcher Mitarbeiter an einer bestimmten Baustelle gebraucht wird. Ein guter Bauleiter sollte demnach wissen, wann und wo beispielsweise ein Fliesenleger seine Arbeit verrichten kann. „Der Arbeiter selbst“, da ist sich Hardrath mit Pichler einig, „schaut niemals in eine digitale Akte.“
Digitalisierung wird immer wichtiger
Der Rosenheimer Kreishandwerksmeister Rudolf Schiller hält das „Bienenstock-Prinzip“ dagegen für gar nicht so abwegig. „Die Digitalisierung wird auch in der Baubranche immer wichtiger, da viele Kunden das mittlerweile voraussetzen“, meint er. Selbst mittelständische Unternehmen setzen demnach immer mehr auf ein eigenständiges Onlinesystem, um beispielsweise Arbeitszeiten oder Bauphasen zu erfassen. Wenn man das neue Prinzip in die bestehende Infrastruktur einbauen könnte, wäre es durchaus eine Möglichkeit, um Zeit und Ressourcen zu sparen. „Gerade für Generalunternehmer wird die Auslastung immer größer, da könnte das schon helfen“, sagt Schiller.
Erste Testphase verlief erfolgreich
Der „Tjiko“-Fertigungsleiter Moritz Schubert kann nach der ersten Testphase bereits Positives berichten. „Im Großen und Ganzen sind wir sehr zufrieden“, sagt er. Zwar gebe es noch die ein oder andere Stellschraube, wie zum Beispiel die Integrierung des Baumaterials. Mit den rund zehn Mitarbeitern funktioniere der menschlich gewordenen Bienenstock aber bisher gut und hat laut Schubert auch in Zukunftspotenzial.
