„Zutiefst ungerecht“
Wer würde von den „59 Prozent Reichensteuer“-Plänen der SPD stark belastet? Eine Berechnung gibt Aufschluss
Trotz der geringen Anzahl bekannter Details, entzünden die Steuerkonzepte der SPD eine lebhafte Diskussion. Es wird angenommen, dass der Steuersatz für Vermögende stark zunehmen könnte.
Berlin – Reiche sollen mehr abgeben, damit Normalverdiener zusätzlich etwas in der Tasche haben – mit dieser Forderung will die SPD in den Bundestagswahlkampf ziehen. Die SPD will nach der nächsten Bundestagswahl „die große Mehrheit der Steuerzahlenden (etwa 95 Prozent) entlasten und dafür die höchsten ein Prozent der Einkommen etwas stärker in die Verantwortung nehmen.“ Laut SPD-Chefin Saskia Esken (63) geht es um Bezieher von Einkommen ab 15.000 Euro im Monat, die „etwas stärker“ belastet werden sollen. Nun gibt es erste Berechnungen, was für Folgen so eine Steuerreform haben könnte.
SPD plant Steuerreform und Entlastungen – wenige Details bekannt, Kritik aus FDP wird lauter
Angestrebt werde eine höhere Einkommensteuer für allerhöchste Einkünfte, ebenso aber „eine gerechte Erbschaftssteuer, eine neue Vermögenssteuer und eine grundlegende Reform der Schuldenregel“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Achim Post dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die SPD will also nicht nur das Einkommen sehr reicher Menschen stärker besteuern, sondern auch deren Vermögen.
Die FDP hat bereits die Pläne des Koalitionspartners scharf kritisiert. „Durch die Steuerideen der SPD würde unser Land mehr verlieren als gewinnen. 59 Prozent von Spitzenkräften und Mittelstand zu verlangen, das geht voll zu Lasten von Wachstum und Arbeitsplätzen im Mittelstand“, sagte der FDP-Vorsitzende Christian Lindner der F.A.Z. „Es ist in einer freien Gesellschaft auch zutiefst ungerecht, wenn der Staat von der Leistung der Bürger mehr verlangt, als ihnen selbst verbleibt.“ Doch was genau ist an der Kritik dran und wie kommt Lindner auf die 59 Prozent?
Wer muss eine Vermögenssteuer zahlen?
Da die Vermögensteuer seit 1997 ausgesetzt ist, muss derzeit niemand in Deutschland eine Vermögensteuer zahlen. Zu einer Wiedereinführung der Vermögenssteuer ist es dennoch bisher nicht gekommen.
„Problem der Gegenfinanzierung“ – Erhöhung der Reichensteuer wegen SPD-Steuerplänen möglich?
Bisher hat die SPD wenig Einzelheiten darüber gegeben, welche Steuerzahler genau von den Plänen betroffen wären und wie stark die 95 Prozent entlastet werden sollen. Zu den oberen ein Prozent zählen nach den Zahlen des Finanzministeriums aktuell Steuerpflichtige mit Einkünften von mehr als 280.000 Euro. Bei den 95 Prozent, also denen, die die SPD entlasten will, handele es sich laut Finanzministerium um rund 46 Millionen Personen, schreibt das Handelsblatt.
Experten zufolge wird es sehr schwierig, die Mitte durch die Steuerpläne der SPD zu entlasten. Es ist damit zu rechnen, dass Spitzen- und Reichensteuersatz dafür drastisch steigen müssten. Denn um die Mitte zu entlasten, bedarf es einer Gegenfinanzierung. Und genau bei dem Punkt sehen viele noch Schwierigkeiten. „Das Problem des SPD-Steuerkonzepts ist, dass der Partei eine Gegenfinanzierung der Steuerentlastung durch das obere Prozent vorschwebt“, sagt Martin Beznoska, Steuerexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zur Welt.
SPD will Steuerzahler entlasten – doch die Gesamtbelastung der Spitze würde drastisch ansteigen
In dem Fall wären die Folgen deutlich bemerkbar: „Wenn diese Personen (Anmerkung der Redaktion: die 95 Prozent) durchschnittlich ,spürbar’, zum Beispiel um durchschnittlich 240 Euro im Jahr oder 20 Euro im Monat bei der Einkommensteuer (gegebenenfalls einschließlich Solidaritätszuschlag) entlastet werden sollen, ist dafür ein Volumen von rund elf Milliarden Euro erforderlich“, zitierte die F.A.Z aus dem Bundesfinanzministerium.
Für diese Entlastung müsste man den Grundfreibetrag laut dem Finanzministerium um gut 1200 Euro anheben. Ein um 100 Euro erhöhter Grundfreibetrag soll den Fiskus laut der F.A.Z 900 Millionen Euro im Jahr kosten. Um diese elf Milliarden Euro gegenzufinanzieren, müsste der Reichensteuersatz um elf Punkte auf 56 Prozent steigen. Zuzüglich Solidaritätszuschlag würde man laut Lindner auf eine Gesamtbelastung in der Spitze von 59 Prozent kommen.
Spitzensteuersatz in Deutschland
Der Spitzensteuersatz in Deutschland beträgt 42 Prozent und gilt 2023 ab einem Einkommen von 62.810 € bis 277.826 €. Wer mehr als 277.826 € verdient, wird in Deutschland mit dem Höchststeuersatz von 45 Prozent besteuert (auch Reichensteuer genannt). In etwa 4 Millionen Deutsche zahlen derzeit den Spitzensteuersatz.
Kritik an Steuerplänen der SPD: Merz wirft gefährliche Gegenfinanzierung vor
Die Gegenfinanzierung bleibt also ein großer Kritikpunkt bei den SPD-Plänen zur Steuerreform. Die Union hat der SPD eine gefährliche Gegenfinanzierung vorgeworfen. Unionschef Friedrich Merz sagte zu den Steuerplänen, dass dann der Steuersatz auf 60 Prozent steigen müsse. Sonst gehe die Rechnung nicht auf. Es zeige sich das alte Muster der SPD: „Mehr Staat, mehr Schulden, mehr Bürokratie, höhere Steuern für die Reichen, wie die SPD es ja dann immer gerne nennt.“ Dann brauche man sich über die Abwanderung von Unternehmen in benachbarte Länder in Europa nicht wundern. (bohy mit Material der dpa)
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