Rheinmetall
Angst vor China: Warum ein deutscher Rüstungskonzern jetzt in Wärmepumpen investiert
Der Rüstungskonzern Rheinmetall strebt in den Markt für Wärmepumpen und investiert in die Herstellung wichtiger Komponenten. Denn bei diesen Komponenten ist die Abhängigkeit von Asien und China groß.
Dieser Artikel liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Climate.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Climate.Table am 11. Mai 2023.
Berlin – Der Rüstungs- und Technologiekonzern Rheinmetall hat einen 770 Millionen Euro-Auftrag für die Herstellung von Kompressoren für Wärmepumpen erhalten. Das Unternehmen investiert damit in ein wichtiges neues Geschäftsfeld – und könnte damit gleichzeitig die Abhängigkeiten der europäischen Wärmepumpen-Industrie von internationalen Lieferketten verringern. Das Unternehmen hatte den Auftrag bereits Ende 2022 erhalten – erst jetzt wurde jedoch bekannt, dass es sich um Kompressoren für Wärmepumpen handelt.
Rheinmetalls Investitionen seien eine „wichtige Entscheidung“, sagt Thomas Nowak, Generalsekretär des Europäischen Wärmepumpen-Verbands (European Heat Pump Association – EHPA) gegenüber Table.Media. Denn bei Kompressoren gebe es starke Abhängigkeiten von Asien, so Nowak. Rheinmetalls Investitionen würden Wärmepumpen-Herstellern eine weitere Option zum Einkauf wichtiger Komponenten ermöglichen und „einen Beschaffungspunkt innerhalb Europas“ schaffen, so Nowak. Die Schaffung weltweit verteilter Produktionsstandardorte wäre nützlich, um den Wärmepumpen-Hochlauf „resilient zu machen“, glaubt der Experte.
Die Kompressoren, auch Verdichter genannt, sind häufig die teuerste Komponente einer Wärmepumpe. Sie machen gut ein Viertel der Kosten aus und sorgen für die Verdichtung und Erhitzung des Kältemittels in den Anlagen.
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Import-Abhängigkeiten reduzieren
Das Beispiel Rheinmetall und die bisherige Abhängigkeit von importierten Kompressoren wirft eine grundlegende Frage auf: Wird China mit seinen Vorteilen in der Massenproduktion industrieller Güter auch beim Boom-Markt Wärmepumpen europäische Anbieter durch günstige Preise vom Markt verdrängen? Wiederholt sich die Geschichte der Solarfertigung, die praktisch völlig nach China abgewandert ist?
Bisher sehen Experten dafür keine deutlichen Anzeichen. Es sei nicht ausgemacht, dass die Volksrepublik den nächsten Markt für Energiewende-Produkte übernehmen wird. Dafür gebe es verschiedene Gründe, die Unterschiede zum Aufstieg der Solarindustrie zeigen:
- Ein Großteil der chinesischen Produktion wird in der Volksrepublik installiert. Bisher geht nur ein kleiner Teil in den Export.
- Der Markt ist weltweit schon etabliert.
- Der internationale Handel mit Wärmepumpen ist schwieriger als bei Solarzellen.
- Verbraucher bevorzugen heimische Produkte. Handwerker haben enge Verbindungen zu heimischen Herstellern.
Insgesamt sind europäische Hersteller bei einigen Komponenten stark auf China und Asien allgemein angewiesen. „Hier kann es zu Engpässen bei bestimmten Produkten kommen“, sagt Jan Rosenow, europäischer Geschäftsführer des Think-Tanks Regulatory Assistance Project. In der Corona-Zeit fehlten beispielsweise Mikrochips – aber auch unscheinbare Güter wie die Gummifüße, auf denen die Wärmepumpen stehen. Die derzeitige Abhängigkeit von Asien betrifft laut Nowak allerdings vor allem Kompressoren.
Chinas Exporte steigen – aber von geringem Niveau
China ist bei Wärmepumpen einer der weltweit wichtigsten Hersteller. Sein Marktanteil beträgt 40 Prozent der Weltproduktion. Die europäischen Importe chinesischer Wärmepumpen und -Komponenten haben sich zwischen 2018 und 2022 von 327 Millionen Euro auf 1,37 Milliarden Euro mehr als vervierfacht (sowohl Wärmepumpen als auch „reversible Wärmepumpen“). China ist laut Internationaler Energieagentur (IEA) einer der wenigen Hersteller mit einem „signifikanten Anteil“ von Exporten bei Wärmepumpen.
Der Markt in Europa boomt. Bis 2030 sollen allein in Deutschland sechs Millionen Wärmepumpen installiert werden – ein Zubau von 500.000 Einheiten pro Jahr. Die Wärmepumpen-Industrie investiere derzeit viel zu wenig in neue Produktionsanlagen, um die globale Nachfrage zu decken, schreibt die IEA.
Wärmepumpen: Anderer Markt als für Solar-Anlagen
Laut Experten wird China den Markt für Wärmepumpen in naher Zukunft nicht umkrempeln. „Eine ähnliche Entwicklung der Abhängigkeiten wie in der Solarindustrie kann ich mir kaum vorstellen“, sagt etwa Jan Rosenow. Dafür gibt es viele Gründe:
- Der Markt für Wärmepumpen ist schon sehr ausgereift. „China produziert zwar günstiger“ als Hersteller im Westen, sagt Rosenow. Die größten Kostenreduktionen seien in Zukunft jedoch bei der Installation zu erwarten. „Somit kann China seine Vorteile einer günstigen Massenproduktion nicht gut ausspielen“, so der Wärmepumpen-Experte. Martin Sabel, Geschäftsführer des Bundesverbands Wärmepumpe, sieht allerdings „insbesondere bei den in Deutschland weit verbreiteten Monoblock-Wärmepumpen durchaus noch ein erhebliches Potenzial für Kostenreduktion“. Durch größere Stückzahlen würden effizientere Produktionsmethoden und eine Reduktion der Margen möglich. Auch der Wärmepumpen-Hersteller Bosch sieht nach Angaben einer Sprecherin „Potenzial für Skaleneffekte“, die durch den Aufbau weiterer Kapazitäten europäischer Hersteller gehoben werden könnten.
- Der internationale Handel mit Wärmepumpen ist nicht einfach: Es sind sperrige Produkte, die – anders als Solarzellen und -module – nicht leicht zu transportieren sind. Zudem gibt es auf den unterschiedlichen Absatzmärkten unterschiedliche Regulierungen und technische Anforderungen an die Wärmepumpen, wie die IEA in einem aktuellen Bericht schreibt. Ein Beispiel: Die EU hat den Einsatz von F-Gasen als Kühlmittel jüngst verboten. „Hier hat die europäische Industrie einen Vorsprung vor chinesischen Konkurrenten, die weniger Erfahrung beim Einsatz von CO₂ oder Propan als Kühlmittel haben“, sagt Rosenow. China passt sich jedoch an internationale Standards an und versucht so, die Exporte zu steigern, wie die IEA schreibt. Auch Rosenow vermutet, dass die Chinesen „wahrscheinlich schnell aufholen“ werden.
- Auch sind Wärmepumpen kein einheitliches Produkt wie Solarzellen. In den drei größten Märkten – den USA, Asien und Europa – gibt es unterschiedliche Präferenzen. Luft-Luft-Wärmepumpen sind in den USA üblich. In Europa sind Luft-Wasser und Sole-Wasser Wärmepumpen die gängigen Arten – und hier stammt ein Großteil aus europäischer Fertigung. In China und anderen Teilen Asiens dominieren Wärmepumpen, die sowohl zum Kühlen als auch Heizen verwendet werden können („reversible Wärmepumpen“).
- Zudem achten die Kunden bei Wärmepumpen sehr auf die Qualität, sagt Rosenow. Das Vertrauen in heimische Hersteller sei sehr hoch. Zudem haben Installateure häufig langjährige Erfahrungen mit heimischen Produkten und empfehlen diese häufiger als Importe aus Asien.
Von Nico Beckert