EU-Entscheidung
Verbrenner-Aus beschlossen: Aber keine Rechtssicherheit für E-Fuels trotz Einigung
Der Streit mit der EU-Kommission über das Verbrenner-Aus 2035 ist beigelegt, Verkehrsminister Wissing will sich durchgesetzt haben: Der Weg für mit E-Fuels betriebene Fahrzeuge sei frei, verkündete er.
Dabei bietet der ausgehandelte Kompromiss kaum mehr Gewissheit als vor dem Nein der FDP.
Diese Analyse liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Europe.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Europe.Table am 27. März 2023
Die FDP forderte im Streit um das Verbrenner-Aus stets Rechtssicherheit dafür, dass „E-Fuels only“-Fahrzeuge auch nach 2035 zugelassen werden können. Zwar stand eine entsprechende Forderung in einem Erwägungsgrund der verschärften EU-Flottengrenzwerte, die CO₂-Reduktionsziele für die Autohersteller vorgeben. Doch Klimakommissar Frans Timmermans hatte schon im Juni vergangenen Jahres betont, dass es der Kommission obliegt, ob sie einen solchen Vorschlag vorlegt oder nicht. Das reichte der FDP nicht, weshalb sie den Aufstand geprobt hat.
Auch die am Wochenende erzielte Einigung schafft die von Bundesverkehrsminister Volker Wissing geforderte Rechtssicherheit allerdings nicht. EU-Parlamentarier von SPD, CDU und Grünen äußern bereits erhebliche Zweifel, dass sich der Kompromiss zwischen Wissing und Timmermans in die Tat umsetzen lässt.
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Keine Rechtsgrundlage für delegierten Rechtsakt
Die Einigung besagt laut Bundesverkehrsministerium: Der Text der Trilog-Einigung wird unverändert angenommen.
Die EU-Kommission schafft mit einem Durchführungsrechtsakt innerhalb der Euro-6-Typgenehmigung eine neue Fahrzeugkategorie für Verbrenner, die ausschließlich mit synthetischen Kraftstoffen betankt werden können.
Anschließend soll die Kommission diese Fahrzeugkategorie über einen delegierten Rechtsakt in die Flottenregulierung integrieren.
Der letzte Schritt würde bedeuten, dass Hersteller von „E-Fuels only“-Autos sich diese für das Erreichen ihrer CO₂-Reduktionsziele anrechnen können. Doch der Kommission fehlt womöglich die rechtliche Grundlage für einen delegierten Rechtsakt. Die Co-Gesetzgeber Europaparlament und Rat müssen der Kommission erlauben, bestimmte Details eines Gesetzes über delegierte Rechtsakte zu klären. Im Falle des Gesetzes zum Verbrenner-Aus fehlt diese Erlaubnis im aktuellen Text. EU-Parlamentarier wie Michael Bloss (Grüne) haben daher schon die rechtliche Prüfung und gegebenenfalls eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof angekündigt, falls der delegierte Rechtsakt kommt.
Der CDU-Abgeordnete Peter Liese hält zwar inhaltlich nichts von einem Verbrenner-Aus, zweifelt aber an der Rechtmäßigkeit des Konstrukts: „Neun von zehn Juristen werden sagen, dass das nicht geht“, sagte er zu Table.Media. Der delegierte Rechtsakt könnte vom EuGH also einkassiert werden. Liese sagt, in der Kommission selbst gehe man auch davon aus, dass das Ganze nicht rechtssicher sei.
Alternative: Ordentliches Gesetzgebungsverfahren
Für diesen Fall haben Kommission und Bundesverkehrsministerium vereinbart, dass statt eines delegierten Rechtsakts eine ordentliche Revision der EU-Flottenregulierung erfolgen soll. Diese würde ein Mitspracherecht des Parlaments und der Mitgliedstaaten bedeuten. Beide Co-Gesetzgeber wären also in der Lage, eine Ausnahme für E-Fuels vom Verbrenner-Aus zu verhindern.
Zudem braucht dieser Prozess Zeit und wird wohl kaum vor der Europawahl im Frühjahr 2024 abgeschlossen sein. Das Verkehrsministerium selbst geht von Herbst 2024 aus. Die Zusage der Kommission, „E-Fuels only“-Autos notfalls über ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren in die Flottenregulierung zu integrieren, sei allerdings nicht rechtlich bindend, sagt Bloss. Die nächste EU-Kommission müsse sich daran nicht halten.
Ohnehin steht im aktuellen Gesetzestext bereits eine Überprüfung des Gesetzes für 2026 festgeschrieben. Wie weitreichend das Gesetz dann überarbeiten wird, obliegt der nächsten EU-Kommission und dem nächsten EU-Parlament sowie den Mitgliedstaaten. Unterm Strich bedeutet das: Wissing hat Timmermans zwar eine deutlichere Absichtserklärung als zuvor abgerungen, aber eine Garantie, dass Verbrenner auch nach 2035 noch zugelassen werden können – ob mit E-Fuels oder ohne – ist es nicht.
Fest steht: Die Blockade der FDP ist gelöst. Die EU-Botschafter werden Anfang dieser Woche eine erneute Abstimmung anberaumen, damit die formale Annahme auf Ministerebene beim Energierat am Dienstag (28. März) noch vollzogen werden kann.
Von Lukas Scheid
Rubriklistenbild: © Julian Weber / dpa