Klimawandel und Wirtschaftlichkeit
Ist es wirklich besser für die Umwelt, aufs E-Auto umzusteigen?
Elektroautos haben eine begrenzte Reichweite und sind teuer – aber wenigstens gut für die Umwelt. Kritiker bezweifeln jedoch, dass die E-Autos wirklich nachhaltiger sind. Fachleute klären auf.
Frankfurt – Der Verkauf von Elektroautos boomt weltweit. Sie sollen einen wichtigen Baustein für einen klimafreundlicheren und nachhaltigeren Verkehr bilden. Doch was ist mit den alten Verbrennern, die noch gut fahren? Ist es nicht ökologischer Unsinn und Verschwendung von Rohstoffen, ein gut laufendes Fahrzeug zu verschrotten, nur um ein neues E-Auto anzuschaffen?
Das Argument: Die Herstellung von E-Autos benötigt eine große Menge an Rohstoffen und Energie. Besonders die Batterieherstellung ist ressourcenintensiv, dafür werden ohnehin bereits knappe Rohstoffe wie Lithium oder Kobalt gebraucht. Man spare also Ressourcen, indem man ein altes Auto weiterfährt, so die häufige Annahme.
Ökobilanz von Autos: Lohnt sich die Anschaffung von E-Autos fürs Klima?
Und richtig ist zweifelsohne, dass bei der Bewertung der Ökobilanz von Fahrzeugen die anfallenden Emissionen über ihren gesamten Lebenszyklus zu bedenken sind, von der Herstellung über ihre Betriebszeit bis hin zum Recycling. Allerdings werden auf der Seite der Verbrenner-Anhänger offenbar oft die Ausmaße der Emissionen innerhalb der Nutzungsdauer unterschätzt.
Gerfried Jungmeier, der in Graz zu klimaneutralen Energie- und Antriebssystemen forscht, erklärt gegenüber dem Spiegel dazu: „Der große Teil der klimarelevanten Emissionen, nämlich rund 80 Prozent, entsteht beim Betrieb, also beim Bereitstellen und Verbrennen fossiler Kraftstoffe“. In Studien zur Ökobilanz verschiedener Fahrzeugtypen werden zudem ihre Emissionen über den gesamten Lebenszyklus eingehend untersucht, so etwa am Fraunhofer-Institut für Energie- und Umweltforschung von Martin Wietschel und Kollegen.
Die Ergebnisse zeigen: Zwar stimmt es, dass batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) bei der Batterieherstellung zunächst eine relativ große Menge an Emissionen verursachen. Doch nach einer bestimmten Laufleistung erreichten die BEV bereits mit der heutigen Technologie den Ausgleich. Und über ihre gesamte Lebensdauer betrachtet verursachten E-Autos deutlich weniger Treibhausgase als vergleichbare Verbrenner.
Ökobilanz von Tesla und Co. – Mehr E-Autos gleich mehr Kohleverbrennung?
Starke Zweifel an der Umweltfreundlichkeit der E-Autos äußerte dagegen der Ökonom Hans-Werner Sinn. Der Umstieg auf E-Autos sei „klimapolitisch sinnlos“, so der Top-Ökonom, der als Präsident des Ifo Instituts für Wirtschaftsforschung von 1999 bis 2016 eine der führenden Stimmen der Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik war.
In einem Interview mit der Bild sagte er sogar, das für 2035 angesetzte Verbrenner-Aus würde den Klimawandel weiter beschleunigen. Seine Erklärung: Der grüne „Flatterstrom“, wie Sinn ihn nennt, – also Strom, der durch Solar- und Windanlagen erzeugt wird – stehe noch nicht ausreichend zur Verfügung, deshalb müsse der Strom für E-Autos in umweltschädlichen Braunkohlekraftwerken erzeugt werden.
Mehr E-Autos würden deshalb auch mehr Braunkohleförderung bedeuten, was den Klimawandel insgesamt schneller voranschreiten lasse, so der Rückschluss des 75-jährigen Ökonomen.
Ökonomen widersprechen Sinns Thesen zum Verbrenner-Aus
„Bei aller Wertschätzung für meinen Kollegen Sinn: Mit dieser Behauptung liegt er falsch“, kommentierte die Vorsitzende des Sachverständigenrates Monika Schnitzer dessen Argumentation dagegen gegenüber der FAZ. Auch Moritz Schularick, der Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft, wies zurück, dass die europäischen Emissionen wegen der Kohleverfeuerung gestiegen seien. Trotz der Gaskrise habe Europa im vergangenen Jahr insgesamt weniger CO2 emittiert. Zudem seien die grünen Energien in vielen Bereichen bereits wettbewerbsfähig, anders, als Sinn es darstellte. (na)