Giga-Factory in Grünheide
Neue Tesla-Vorwürfe: Wer zu lange krank ist, erhält kein Gehalt
Wer in der Tesla-Gigafabrik Grünheide zu lange krankgeschrieben ist, hat ein Problem. Mitarbeitern im Krankenstand droht der E-Auto-Hersteller offenbar mit Kündigung oder Gehaltsstopp.
Grünheide – Seit etwa einem Jahr laufen in der Gigafactory Grünheide bei Berlin Autos der Marke Tesla vom Band, doch die Liste an Vorwürfen gegen den Elektroautobauer ist bereits lang. Jüngst wurde bekannt, dass die Anzahl der Unfälle in der Fabrik offenbar überdurchschnittlich hoch ist. Zudem soll Tesla Angestellte unter Druck setzen, die häufig krankgeschrieben sind, wie aus einem Bericht des Stern hervorgeht. Demnach droht der E-Auto-Hersteller damit, kein Gehalt mehr zu zahlen, wenn Mitarbeiter ihre ärztliche Diagnose nicht offenlegen.
Tesla in Deutschland: Autobauer übt offenbar Druck auf krankgeschriebene Mitarbeiter aus
Firmenchef Elon Musk wird nachgesagt, ein Arbeitstier zu sein und bis zu 100 Stunden pro Woche zu arbeiten. Von seinen Mitarbeitern scheint er Ähnliches zu erwarten. Nach seiner Übernahme der Plattform Twitter (heute X) pfiff er alle umgehend aus dem Homeoffice zurück ins Büro und kündigte rund die Hälfte der Belegschaft. Per Ultimatum forderte er seine Mitarbeiter auf, sich einer „extrem Hardcore“ Arbeitskultur zu verschreiben. Konkret bedeutet das für viele wohl eine 80-Stunden-Woche.
Der Umgang mit häufiger krankgeschriebenen Tesla-Mitarbeitern in der deutschen Gigafabrik bei Grünheide ist ebenfalls wenig zimperlich. Die Werksleitung der Teslafabrik habe krankgeschriebenen Angestellten unter Druck gesetzt und schriftlich gedroht, Entgeltzahlungen einzustellen oder sie zu kündigen, hieß es in einem Bericht des Magazins Stern.
Wer das verhindern wolle, müsse seine ärztliche Diagnose offenlegen und den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht entbinden. Die Krankenstände sind mit über 30 Prozent offenbar sehr hoch. Der Industriegewerkschaft IG Metall würden rund ein Dutzend solcher Fälle vorliegen, bestätigte der Bezirksleiter für Berlin, Brandenburg und Sachsen, Dirk Schulze dem Magazin Stern. Laut dem Arbeitsrechtler Sven Jürgens ist das Vorgehen des Autobauers nicht rechtens, es dränge „sich der Verdacht auf, dass sogar der Straftatbestand einer Nötigung oder Erpressung erfüllt sein könnte.“ Ärztliche Diagnosen seien personenbezogene Daten und unterlägen dem Datenschutz, so der Experte zum Magazin.
Weitere Vorwürfe gegen Tesla: Anzahl der Arbeitsunfälle überdurchschnittlich hoch
Im Werk in Grünheide soll es auch zu einer Häufung an Arbeitsunfällen gekommen sein. Tesla habe 190 meldepflichtige Unfälle zwischen Juni und November 2022 angegeben, hieß es in dem Stern-Bericht. Das liegt offenbar deutlich über dem branchenweiten Durchschnitt, wie die Deutsche Presse-Agentur unter Berufung auf Angaben der Berufsgenossenschaft Holz und Metall berichtete. Demnach hatte es im vergangenen Jahr bei Autoherstellern und Zulieferern 16 meldepflichtige Unfälle pro 1000 Beschäftigte gegeben. Würde die Mitarbeiterzahl von Tesla für Mai 2022 von rund 4000 Beschäftigten zugrunde gelegt, wären statistisch gesehen 64 meldepflichtige Unfälle normal.
„Für uns als Gigafactory Berlin-Brandenburg steht der Gesundheitsschutz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an oberster Stelle und damit auch die Arbeitssicherheit“, hieß es von Tesla auf Anfrage der dpa. Nach Angaben der IG Metall klagen zahlreiche Tesla-Beschäftigte in Gesprächen mit der Gewerkschaft über schlechte Arbeitsbedingungen. Die Arbeitsbelastung sei wegen kurzer Taktzeiten, Personalmangels und überzogener Produktionsziele „extrem“, hieß es. Die IG Metall sprach von einer „Atmosphäre der Angst“, was Tesla zurückwies. Indes soll der Autobauer laut Stern versuchen, seine Mitarbeiter davon zu überzeugen, kein Gewerkschaftsmitglied bei IG Metall zu werden.
Kritik an dem E-Auto-Hersteller kam in Deutschland auch von anderer Seite: Umwelt- und Naturschützer sehen große Risiken, etwa weil ein Teil des Fabrikgeländes im Wasserschutzgebiet liegt. In den USA verklagte eine US-Bürgerrechtsbehörde Tesla indes wegen angeblicher Belästigung schwarzer Mitarbeiter. Ein Gericht hatte den Elektroautohersteller bereits in einem anderen Rassismus-Fall zu einer Zahlung von 14 Millionen Euro verurteilt.
Mit Material von dpa
