Verschärfter Umweltbonus
Wie Frankreich E-Autos aus China jetzt den Import-Riegel vorschiebt
Die französische Regierung startet ein Leasingprogramm für Geringverdiener. Der Protektionismus geht vor allem zulasten chinesischer Hersteller – das Klima könnte hingegen profitieren.
Frankreich geht bei der Förderung der Elektromobilität neue Wege. Während in den meisten europäischen Ländern der Kauf von Elektroautos unabhängig von weitergehenden Umweltkriterien gefördert wird, legt die Regierung in Paris künftig strengere Maßstäbe an. Dazu wurde der „Bonus écologique“, der französische Umweltbonus, reformiert.
„Wir hören auf, Elektrofahrzeuge zu subventionieren, die einen schlechten CO₂-Fußabdruck haben“, betonte der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire bei der Vorstellung der Maßnahmen im September 2023. Zudem wolle man die Förderung von Elektroautos aus chinesischer Produktion beenden. „Mit dem Geld der französischen Steuerzahler sollten keine Fahrzeuge finanziert werden, die zu 70 Prozent aus China kommen“, zeigte sich Le Maire überzeugt.
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Diese Analyse liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem ESG.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte sie ESG.Table am 1. November 2023.
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Umweltscore schließt Produktion in China aus
Um sich für den Umweltbonus zu qualifizieren, müssen Elektroautos ab 2024 eine Mindestzahl an Umweltpunkten erreichen. Diese errechnen sich aus den Treibhausgasemissionen in der Lieferkette, also dem CO₂-Fußabdruck der verwendeten Materialien, sowie den Emissionen bei der Herstellung und Überführung eines Fahrzeugs. Erst ab einem „Score environmental“ von 60 von 100 möglichen Punkten wird der Umweltbonus in Höhe von bis zu 7.000 Euro gewährt.
Insbesondere zwei Kriterien des überarbeiteten Umweltbonus dürften entscheidend dazu beitragen, dass E-Autos aus chinesischer Produktion künftig von der Förderung ausgeschlossen werden. Zum einen fließt der CO₂-Emissionsfaktor für den Strommix des Herstellerlandes in die Bewertung ein. Hier schneidet China schlecht ab, weil es einen hohen Anteil seines Stroms aus Kohle erzeugt. Hinzu kommen die CO₂-Emissionen, die beim Transport vom Produktionsort zum Vertriebsort in Frankreich entstehen.
Für die Berechnung der Umweltpunkte ist die französische Energieagentur ADEME zuständig. Ihr müssen die Autohersteller seit Oktober alle relevanten Daten zur Verfügung stellen. Eine Liste der in Zukunft noch förderfähigen Elektroautos soll am 15. Dezember vorgestellt werden.
Bekannt ist bereits, dass sie nicht nur die neuen Kriterien für den Umweltbonus erfüllen müssen, sondern auch nicht teurer als 47.000 Euro und nicht schwerer als 2,4 Tonnen sein dürfen. Fahrzeuge aus deutscher Produktion wie der ID.3 von VW in Zwickau oder der Mini Countryman E, der ab März 2024 in Leipzig gebaut wird, dürften also gute Chancen haben.
Protektionismus oder CO₂-orientiertes Fördersystem?
Die in der deutschen Automobilindustrie traditionell starke Gewerkschaft IG Metall hält den Ansatz der französischen Regierung für richtig. „Sowohl bei der CO₂-Bepreisung von Einfuhren als auch bei der Gestaltung von Förderprämien und -instrumenten sollten der CO₂-Fußabdruck von Produktion, Energiemix und Transport mit einfließen“, heißt es gegenüber Table.Media. Es gehe nicht um Anti-China-Zölle, sondern um ein CO₂-orientiertes Fördersystem, das die Entwicklung regional-lokaler Wertschöpfungsketten fördere.
Dem Verband der Automobilindustrie (VDA) geht das zu weit. Zwar sei es grundsätzlich sinnvoll, den Umstieg auf alternative Antriebe zu fördern. Es müssten aber gleiche Bedingungen für alle gelten, so eine VDA-Sprecherin. „Protektionismus ist nicht der richtige Weg. Europa muss für den Wert des internationalen, freien und fairen Handels sowie offener Märkte stehen.“
Jürgen Matthes, Leiter Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, ist sich da nicht mehr so sicher. Normalerweise würde man ein solches Vorgehen „als blanken Protektionismus brandmarken“, sagt er. Doch so einfach sei die Sache nicht, denn auch die anderen großen Player würden sich nicht an die Spielregeln halten. „Die USA fördern E-Autos ja mit ähnlichen Vorschriften. Und China hat bei den E-Autos auch die Produktionsseite kräftig subventioniert.“
EU untersucht chinesische Subventionen
Auch die EU-Kommission sieht das inzwischen als Problem an. Nach ihren Berechnungen werden aus China importierte E-Autos in der EU durchschnittlich 20 Prozent billiger verkauft als Fahrzeuge aus europäischer Produktion. Ihr Marktanteil könnte in den nächsten Jahren von derzeit 8 auf 15 Prozent steigen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen führt dies auf „unfaire Praktiken“ zurück. „Der Preis dieser Autos wird durch riesige staatliche Subventionen künstlich gedrückt – das verzerrt unseren Markt“, kritisierte sie Mitte September vor dem EU-Parlament in Straßburg.
Anfang Oktober leitete die Kommission daher ein förmliches Antisubventionsverfahren gegen China ein. Ziel sei es, in der EU produzierende Unternehmen zu schützen. „Wo immer wir Hinweise darauf finden, dass sie durch Marktverzerrungen und unlauteren Wettbewerb behindert werden, werden wir entschlossen handeln“, sagte von der Leyen.
Während die Franzosen intensiv für diesen Schritt lobbyiert haben, hielt sich Deutschland aus Angst vor Gegenmaßnahmen zurück. Zudem ist derzeit unklar, inwieweit neben chinesischen Marken auch nicht-chinesische Autohersteller wie BMW, Tesla oder VW, die in China Elektroautos für den Weltmarkt produzieren, von den beanstandeten Subventionen profitieren.
E-Auto für 100 Euro im Monat
Neben dem Umweltbonus lässt auch ein zweites Förderinstrument in China hergestellte Fahrzeuge künftig außen vor. Denn für das neu geschaffene „Leasing social“ kommen explizit nur in der EU hergestellte Fahrzeuge in Frage. Ziel des Sozial-Leasings ist die in Frankreich viel diskutierte Demokratisierung der Elektromobilität. Es soll Haushalten mit einem Jahreseinkommen von weniger als 20.850 Euro ermöglichen, für 100 Euro im Monat ein neues Elektroauto zu leasen. Präsident Emmanuel Macron löst damit ein Wahlversprechen aus dem vergangenen Jahr ein.
Für 2024 rechnet die Regierung mit rund 20.000 Sozial-Leasing-Verträgen. In den Folgejahren soll die Zahl auf 100.000 geförderte Leasingfahrzeuge pro Jahr steigen. Dafür ist ein Budget von 50 Millionen Euro vorgesehen. Mit diesem Geld übernimmt der französische Staat die zu Vertragsbeginn fällige Sonderzahlung. Sie darf allerdings 16 Prozent des Fahrzeugpreises oder 5.000 Euro nicht übersteigen. Daher kommen vor allem kleine, sparsame Fahrzeuge für das Programm in Frage. Im Gespräch sind unter anderem der Citroën ë-C3, der Renault Twingo E-Tech und der Fiat 500e.
Die Förderrichtlinie wird im November veröffentlicht. Dann beginnt auch das Antragsverfahren. Eine Fahrzeugliste wird, wie beim Umweltbonus auch, für Mitte Dezember erwartet.
Kein deutsches E-Auto im Sozial-Leasing?
Dass sich ein Elektroauto eines deutschen Herstellers für das Sozial-Leasing qualifiziert, ist allerdings unwahrscheinlich, seitdem VW vor wenigen Wochen das Aus für den e-Up verkündet hat. Stattdessen dominieren margenstarke SUV und Oberklassefahrzeuge die Produktpalette der deutschen Autokonzerne. Die IG Metall hält das für falsch. Aus ihrer Sicht „braucht es eine schnelle Ergänzung der Modellpolitik in Richtung auf bezahlbare Fahrzeuge“. Dies entscheide über die Zukunftsfähigkeit und die Marktposition der Unternehmen, so die Gewerkschaft.