Aktuelle Studie
Chinas neue Investitions-Strategie: Mehr Fabriken in Europa – warum Konkurrenz bei E-Auto-Batterien droht
Chinas Investitionen in Europa haben sich fundamental verändert. Statt auf Übernahmen setzen chinesische Konzerne auf den Aufbau eigener Fabriken. Hierbei haben sie vor allem die E-Auto-Batterien im Blick.
Dieser Artikel liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem China.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn China.Table am 9. Mai 2023.
Berlin – Chinas Investitionen in Europa werden geringer. 2022 schrumpfte das Volumen im Vergleich zum Vorjahr um 22 Prozent, wie es in einer aktuellen Studie des Mercator Institute for China Studies (Merics) und der Denkfabrik Rhodium Group heißt. Im Vergleich zu 2016 ist es demnach sogar ein Rückgang um 83 Prozent.
Doch Chinas Investitionen in der EU und in Großbritannien sind nicht nur gesunken. Sie haben sich auch fundamental verändert. Inzwischen handelt es sich vor allem um so genannte Greenfield-Investitionen für neue Fabriken, die sich zielgerichtet vor allem auf einen Industriebereich konzentrieren: die Produktion von Batterien für Elektrofahrzeuge. Europa sei dadurch zu einem wichtigen Bestandteil der globalen Expansion chinesischer Elektrofahrzeuge (EV) geworden, schreiben die Herausgeber der Studie.
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Chinas Batteriehersteller: Milliarden-Investitionen in Europa
Markante Beispiele gibt es genügend: Der chinesische Batteriehersteller und Weltmarktführer bei E-Autobatterien CATL baut für 7,6 Milliarden Euro eine Fabrik in Ungarn, Svolt ein Werk für rund zwei Milliarden Euro in Deutschland oder Envision AESC in Frankreich eines für ebenfalls zwei Milliarden Euro. Damit bildeten Batterieinvestitionen die neue Hauptstütze chinesischer Investitionen in Europa, heißt es in der Merics/Rhodium-Studie.
Die wichtigen Erkenntnisse der Untersuchung sind:
- Chinas weltweite Auslandsinvestitionen fallen auf ein Acht-Jahres-Tief; auch die Investitionen in Europa (EU+UK) gehen weiter zurück
- Die Greenfield-Investitionen sind erstmals seit 2008 größer als Fusionen und Übernahmen (mergers & acquisitions, kurz M&A)
- Chinas Investitionen konzentrieren sich auf Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Ungarn. Mehr als zwei Drittel des Geldes fließen in diese vier Länder.
- Ziel-Branchen sind der Automobilsektor und Konsumprodukte
- Ein starker Anstieg chinesischer Investitionen ist 2023 unwahrscheinlich, trotz des Endes der Corona-Beschränkungen
Auf die grüne Wiese statt Übernahme
Die Studie zeigt somit vor allem zwei grundlegende Neuheiten: Die Art des chinesischen Engagements hat sich verändert, wie auch die Zielbranche.
Jahrelang hatte sich Peking vor allem auf klassische M&A-Vorgänge konzentriert, also Fusionen und Übernahmen von deutschen und europäischen Unternehmen durch chinesische Konzerne. Für Schlagzeilen und hitzige Diskussionen sorgte beispielsweise der Kauf der 1898 in Augsburg gegründeten Roboterfirma Kuka durch den chinesischen Elektronik-Konzern Midea.
Doch inzwischen haben chinesische Greenfield-Investitionen in Europa derartige M&A-Aktionen überholt – zum ersten Mal seit 20 Jahren. So beliefen sich chinesische Investments auf der grünen Wiese im vergangenen Jahr auf rund 4,5 Milliarden Euro – und machten damit 57 Prozent der gesamten chinesischen Investitionen aus. Ein Grund: Chinas Unternehmen sind zunehmend wettbewerbsfähig – wie zum Beispiel Weltmarktführer CATL mit einer neuen Akku-Technik.
Chinas Fokus auf Elektrofahrzeuge
Daran schließt sich direkt die zweite Veränderung an: Chinas Greenfield-Investionen konzentrierten sich 2022 vor allem auf Batteriefabriken für Elektroautos. „Chinesische Unternehmen stecken Milliarden in die Lieferkette von Elektrofahrzeugen in Europa“, sagt Agatha Kratz, Präsidentin der US-Denkfabrik Rhodium Group.
Max Zenglein von Merics sieht darin einen Indikator für eine globale Verschiebung. „Die sich ändernden Investitionsmuster unterstreichen die Wettbewerbsfähigkeit chinesischer Unternehmen insbesondere bei Elektrofahrzeugen“, sagt der Wirtschaftsexperte.
Chinas Schlüsselrolle in Europa
In dieser Entwicklung steckten dramatische Nachrichten für die deutsche Autoindustrie: BMW, VW und Co. sind nicht nur dabei, den riesigen Absatzmarkt in China zu verlieren. Vielmehr scheint es, als fühlten sich Chinas Konzerne bereit, den Wettbewerb im Automobilsektor nun auch nach Europa zu tragen.
Darüber hinaus haben Chinas veränderte Direktinvestitionen auch Auswirkungen, die weit über die direkten Regionen und Branchen hinausreichen: Sie sind nicht nur wichtige Einnahmequellen für die Ziel-Regionen, wo zahlreiche neue Arbeitsplätze entstehen. Vielmehr erhalten Chinas Konzerne damit zunehmend eine strategisch wichtige Rolle auf dem Kontinent. „Sie sind zu wichtigen Akteuren der grünen Wende Europas geworden“, erklärt Rhodium-Präsidentin Kratz.
Es ist eine Feststellung, die jene Strategen in Europa nachdenklich stimmen sollte, die auf mehr Autonomie bedachten sind. Europa droht, auch bei der Energiewende abhängig zu werden von China. Das kann gut gehen, wenn beide Seiten ein gemeinsames Ziel verfolgen. Allerdings gibt es auch warnende Beispiele, wie ein Blick auf das Schicksal der deutschen Solarindustrie zeigt oder die aktuellen Entwicklungen bei Deutschlands Wärmepumpenherstellern. (Von Michael Radunski)