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Gastbeitrag Prof. Claudia Kemfert

Künstliche Verbilligung für einige wenige wird von uns allen bezahlt

Michael Hüther
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Prof. Claudia Kemfert ist Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.

Energieintensive Industrien fordern von der Bundesregierung Hilfen und drohen mit Abwanderung. Doch wenige zu unterstützen auf Kosten von vielen ist problematisch, warnt Prof. Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, im Gastbeitrag.

Berlin – „Pester Power“ nennt man im Marketing die Macht kleiner Kinder, ihre Eltern zum Kauf von Süßigkeiten zu zwingen. Ihre Waffen: Quengeln, Nöhlen, Heulen. Solche Pester-Power erleben wir derzeit in der Politik: Energieintensive Industrien jammern lautstark, drohen mit Abwanderung und beschreien eine drohende De-Industrialisierung Deutschlands. Mit dem Heulgesang liegen sie vor allem der Bundesregierung in den Ohren, die sich in den Krisen der letzten Jahre gegenüber der Wirtschaft durchaus spendabel gezeigt hat. Jetzt soll also auch noch ein Industriestrompreis her, der ausgewählten Unternehmen für die nächsten Jahre einen Nettopreis von 6 Cent garantieren soll.

Doch dieser Schoko-Riegel aus der Staatskasse ist nicht nur teuer und unfair, er ist überflüssig und kontraproduktiv. Nicht nur, weil die künstliche Verbilligung für einige wenige – immerhin reden wir von 30 Mrd. Euro – von uns allen bezahlt werden muss. Sondern vor allem, weil ein niedriger Preis die Nachfrage und damit den Preis für alle anderen erhöht.

Stimme der Ökonomen

Klimawandel, Lieferengpässe, Corona-Pandemie: Wohl selten zuvor war das Interesse an Wirtschaft so groß wie jetzt. Das gilt für aktuelle Nachrichten, aber auch für ganz grundsätzliche Fragen: Wie passen die milliarden-schweren Corona*-Hilfen* und die Schuldenbremse zusammen? Was können wir gegen die Klimakrise tun, ohne unsere Wettbewerbsfähigkeit aufs Spiel zu setzen? Wie sichern wir unsere Rente? Und wie erwirtschaften wir den Wohlstand von morgen?

In unserer neuen Reihe Stimme der Ökonomen liefern Deutschlands führende Wirtschaftswissenschaftler in Gastbeiträgen Einschätzungen, Einblicke und Studien-Ergebnisse zu den wichtigsten Themen der Wirtschaft – tiefgründig, kompetent und meinungsstark.

Auch ohne Industriestrompreis fällt Deutschland entgegen aller Pester-Prophezeiungen nicht in vorindustrielle Zeiten zurück. Einige Fakten: Die – potenziell zu päppelnden – vornehmlich Unternehmen der Papier-, Metall- und Chemie-Industrie haben einen sehr geringen Anteil an der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung. Beim Großteil der Industrie fließen nur 5% des Umsatzes in Energieausgaben. Ein nicht unbedeutender Anteil der Industrie erzeugt Strom selbst, nämlich 25% des Strombedarfs und das oftmals mittels KWK-Anlagen. Und: Gerade die stromintensiven Industrien werden ohnehin schon durch zahlreiche Privilegien entlastet, so dass ihre Stromkosten in Wahrheit kaum höher sind als im Rest der EU.

Zu recht sind der Kanzler, aber auch die FDP skeptisch. Vermutlich haben sie aus der Erfahrung der letzten 20 Jahre gelernt, als eben solche Pester-Power den fossilen Einflüsterungen folgte und zur Abhängigkeit vom vermeintlich billigen russischen Gas führte. Vor allem aufgrund des hohen Anteils fossiler Energien ist Strom heute teuer. Die aktuell hohen Strompreise verdanken wir also eben jenem Pester-Chor, der heute Strompreissubventionen fordert. Derzeit zahlen wir den Preis der verschleppten Energiewende. Die stetig subventionierte fossile Fütterung verhinderte die rechtzeitige Umstellungen auf – tatsächlich billigere - erneuerbare Energien, weswegen die westliche Wirtschaft im Frühjahr 2022 beinahe einen Herzinfarkt erlitt. Die Ukraine liegt seither auf der Intensivstation, aber der Rest Europas hätte eigentlich die Kraft, den Umstieg auf eine ökologisch und ökonomisch nachhaltige Energieversorgung zu bewältigen. Ist die geschafft, muss auch niemand mehr jammern.

Die Stärke des Wirtschaftsstandorts Deutschland basierte nämlich nie auf geringen Energiekosten, sondern auf hoher Energieeffizienz, Innovationen und Knowhow. Der Industrie wäre durch Bürokratieabbau, schnelle Sonder-Genehmigungen für die Transformation und Anreize für Energiesparen mehr geholfen. Wirtschaftsförderlich wäre auch ein schnellerer Ausbau der erneuerbaren Energien, Digitalisierung und bessere Infrastrukturen, ein Fachkräfte-Booster-Programm und Unterstützung für Forschung und Entwicklung.

Der energie-intensiven Industrie wäre somit deutlich mehr geholfen, wenn schnelle Sonder- Genehmigungen für selbst erzeugte erneuerbare bzw. emissionsfreie Energien greifen würden. Da kann der FDP Vorschlag für erleichterte und verbesserte PPAs (Power Purchase Agreements) zwischen Industrie und erneuerbaren Energien Parks in die richtige Richtung gehen.

Die Stromsteuer zu senken, wie Teile der Opposition fordern, ist nicht anzuraten, da zu befürchten ist, dass die gesunkene Stromsteuer nicht bei den Kunden ankommt, sondern wie in der Vergangenheit die Margen der Konzerne erhöht.

Die beste Antwort an den Pester-Kinderchor lautet also: Hört auf zu heulen! Sorgt lieber dafür, durch Modernisierung endlich effizienter zu werden und sattelt auf die dauerhaft günstigeren erneuerbaren Energien um! Und den regierenden Eltern sei gesagt: Die beste Strompreisbremse ist ein Turbo-Ausbau erneuerbarer Energien.

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