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Energiewende

Solarunternehmer Amir Roughani: „Erneuerbare Energien werden mit Preisbremsen-Gesetz bestraft“

Um die Strompreisbremsen zu finanzieren, werden derzeit 90 Prozent der Zufallserlöse von Stromerzeugern abgeschöpft. Es gibt jedoch Unterschiede für erneuerbare und fossile Energien.

München - Für Amir Roughani, Chef des Münchner Solarparkbetreibers Vispiron, ist das ein fatales Signal an Investoren. Und auch praktisch sieht Roughani Probleme: Weil das Preisbremsen-Gesetz jedem Erzeuger unterstellt, seinen Strom teuer an der Börse zu verkaufen, ist die günstigere Direktvermarktung (PPA) für viele Anlagen unrentabel geworden.

Herr Roughani, die Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Quellen, Uran und Braunkohle hatten kaum gestiegene Kosten, aber deutlich höhere Erlöse. Ist eine Abschöpfung nicht irgendwo gerecht?
Das geplante Gesetz bevorzugt stark die Verursacher der Krise und die CO₂-intensivsten Energieträger gegenüber den erneuerbaren Energien. Während die Mehreinnahmen bei Solaranlagen ab 8 Cent und bei Wind ab 9 Cent abgeführt werden sollen, wird bei Braunkohle ab 11 Cent, bei Atom ab 15 Cent und bei Mineralöl ab 28 Cent abgeschöpft. Mehreinnahmen bei Steinkohle und Erdgas werden überhaupt nicht, also mit null Prozent, abgeschöpft.
Damit werden der Betrieb und Ausbau fossiler Energiekraftwerke, die unsere Abhängigkeit nur stärken und die teuersten Energieträger sind, gefördert. Der Ausbau der erneuerbaren Energien wird ausgebremst. Und das zeigt sich bereits im Markt. Während die Ausschreibungen für neue erneuerbare Energien unterboten werden, planen 96 Prozent der Öl- und Gasunternehmen die Erschließung neuer Ressourcen bzw. betreiben weiterhin Exploration.
Es kann nicht sein, dass die Erneuerbaren Energien, die am Markt die günstigsten Strompreise und Unabhängigkeit für Verbraucher und Wirtschaft schaffen, gegenüber den fossilen Energieträgern, die uns in die Energiekrise gestürzt haben, benachteiligt werden.
Die Sonne geht über dem Braunkohle-Tagebau Garzweiler auf: Werden fossile Energien mit dem Preisbremsen-Gesetz bevorzugt?
Aber für diese Gewinne haben sie ja nichts getan, sagen Kritiker.
Unsere Marktwirtschaft hat schon immer geplante sowie ungeplante Chancen und Risiken für Unternehmen geboten. Wenn unsere Marktmechanismen künftig planwirtschaftlichen Rahmenbedingungen unterstellt und Gewinne der Firmen gedeckelt werden sollen, müsste der Gesetzgeber eine Gleichbehandlung aller Branchen für die Abschöpfung von Mehrerlösen gewährleisten und nicht nur jetzt für die der Energiewirtschaft.
Genau aus diesem Grund gab es in den bisherigen Krisen keine Abschöpfung von „zufälligen“ Mehrerlösen. Zum Beispiel die Milliardengewinne bei Medizintechnik- und Pharmaunternehmen oder Laborbetreibern in der Corona-Krise. Die zum Teil sich verdreifachenden Immobilienpreise innerhalb von wenigen Jahren sind ebenfalls auf die Euro-Krise-bedingten Minus- beziehungsweise Niedrigzinsen zurückzuführen. Was haben Immobilienbesitzer für solche Vervielfachungen Ihres Eigentums getan? Es ist auch nicht geplant, dass die im Februar 2022 beschlossenen einmaligen Rüstungsinvestitionen in Höhe von mehr als 100 Mrd. EUR abgeschöpft werden. Auch diese Mehreinnahmen sind zufällig und krisenbedingt.
Und nochmal, uns geht es nicht darum, dass wir keinen Beitrag leisten wollen. Es geht um die Gleichbehandlung bei der Herstellung des gleichen Produktes, nämlich Strom.
Stellen Sie sich vor, die Automobilindustrie müsste abgeschöpft werden und diejenigen Hersteller, die am effizientesten klimafreundliche Fahrzeuge bauen, müssten mehr abgeben als die ineffizienten und klimaschädlichen Hersteller.
Einen Teil des Zufallserlöses dürfen die Betreiber behalten, sagt das Wirtschaftsministerium, es lohnt sich also weiterhin.
Für bestimmte Bestandsanlagen mag es zu treffen. Aber das Gesetz nimmt auch für Neuanlagen eine fiktive Abschöpfungsschwelle an, die nichts mit den tatsächlich erzielten Gewinnen zu tun hat. Aufgrund der stark gestiegenen Kosten wie zum Beispiel 50 Prozent bei Kabel und Wegebau, 40 Prozent bei Modulen, 100 Prozent bei Umspannwerken und 300 Prozent bei Finanzierungszinsen sind die Abschöpfungsschwellen für Neuanlagen zu niedrig. Die Unterbietung der letzten Windausschreibung belegt, dass die Gestehungskosten inzwischen deutlich höhere Einnahmen benötigen.
Es geht doch insbesondere darum, für neue Anlagen attraktive Rahmenbedingungen zu ermöglichen. Die Bundesregierung, die sich noch vor einem Jahr die Klimakoalition nannte, müsste doch im Sinne der VerbraucherInnen, künftigen Generationen und Wirtschaft einen Aufbruch bei Investitionen in erneuerbaren Energien schaffen, denn nur die erneuerbaren Energien sorgen für Energieunabhängigkeit, niedrige Preise und vor allem Klimaschutz. Wir stehen im internationalen Wettbewerb. In den USA beispielsweise wurde letzte Woche bekannt gegeben, dass Unternehmen und Projekte bei der Investition in erneuerbaren Energien mit großzügigen Steuererleichterungen und Förderprogrammen begleitet werden. Mit welchen Argumenten sollen wir denn Investoren für mehr als 400 Mrd. EUR erforderliche Investitionen für die Energietransformation in Deutschland überzeugen, wenn bei uns zum selben Zeitpunkt Mehreinnahmen abgeschöpft werden sollen.
Im Übrigen sieht der EU-Mechanismus ein Preisdeckel von 18 Cent je kWh vor. Warum Deutschland mit einem grünen Wirtschafts- und Klimaminister trotzdem einen Sonderweg geht und die Abschöpfungsschwelle der erneuerbaren Energien um circa 55 Prozent niedriger als eingefordert ansetzt, ist ein Rätsel.
Aber die Abschöpfung ist ja zeitlich befristet.
Sie ist bis Mitte 2023 befristet und kann per Verordnung bis Mitte 2024 verlängert werden. Die Folge ist eine große Verunsicherung bis zu diesem Zeitpunkt, die zu Verzögerungen und teilweise Stopp der Projekte führen wird. Niemand investiert dort, wo der Staat einfach so Gelder abschöpft – noch dazu die Ankündigung einer rückwirkenden Abschöpfung. Hier wird der Vertrauensschutz völlig missachtet und das Vertrauen in den Standort Deutschland leichtsinnig verspielt. Zudem baut der Gesetzgeber für den Vollzug ein Bürokratiemonster auf. 35.000 Anlagenbetreiber müssen beschieden und kontrolliert werden. Die Bescheide sollen von der Bundesnetzagentur kommen, aber das Geld eintreiben sollen die Übertragungsnetzbetreiber. Zahlreiche Rechtsstreitigkeiten und der administrative Aufwand halten die Marktakteure von ihrer eigentlichen Aufgabe ab.
Zudem dürfen wir von vielen Klagen ausgehen. Viele Experten gehen davon aus, dass das Gesetz mit seinen Folgen nicht verfassungskonform ist, denn ein Anlagenbetreiber darf nicht aufgrund von fiktiven Annahmen des Gesetzes Verluste erzielen oder sogar in Zahlungsschwierigkeiten geraten.
Energieunternehmer Amir Roughani
Wie das – wenn nur Überschüsse abgeschöpft werden?
Nur rund 25 Prozent aller Energie werden an der Strombörse gehandelt, wo die hohen Preise gezahlt werden. Sie gilt zwar als Leitmarke für alle anderen Verträge, aber gerade in den letzten Jahren haben völlig neue Vermarktungsformen mit Festpreisen, wie green PPA (Power Purchase Agreements), Industrie PPA und Bürgergrünstrom zugenommen. Hierbei legen der Erzeuger und der Abnehmer einen festen Preis pro Kilowattstunde fest, meist unter den Börsenpreisen. Das schafft für beide Parteien und die finanzierenden Banken Sicherheit – und die Anlagenbetreiber sind nicht auf die EEG-Förderung angewiesen. Das geplante Gesetz kann jedoch bei Bestandsanlagen, die einen festen Verkaufspreis vereinbaren, zum Verlustgeschäft und bei dauerhaft hohen Preisen zur Zahlungsunfähigkeit führen. Das heißt, so ein Anlagenbetreiber müsste mehr bezahlen, als er erwirtschaftet.
Er würde Verluste machen?
Genau! Und das, obwohl PPAs das Rückgrat der Energiewende sind. Hier werden nicht die fossilen Konzerne zur Kasse gebeten, sondern Anlagen, die sich über viele Jahre solide finanzieren. Bürgergesellschaften sind das beste Beispiel dafür. Auch für die – langsam entstehende – Wasserstoffwirtschaft ist das ein fatales Signal: Sie brauchen grüne PPAs, um Förderkriterien zu erfüllen und mit langfristigen Stromlieferverträgen planbar produzieren zu können. Mit der Abschöpfung wird der PPA-Markt massiv verunsichert und zurückgehen. Die Bagatellgrenze für Anlagen mit 1 MWp installierter Leistung ist gut gemeint, birgt aber auch Verwerfungen. Dadurch kann es passieren, dass vielfach größere Anlagen mit deutlich höherem Kapitaleinsatz deutlich weniger Einnahmen erzielen. Deshalb sollte der Gesetzgeber bei allen Anlagen, unabhängig ihrer installierten Leistung, eine Produktionsfreigrenze von X kWh einbauen.
Es gibt eine weitere Abschöpfung für die Mineralölindustrie. Wäre Ihnen die lieber?
Wir fragen uns, warum die Bundesregierung in Deutschland erzielte Mehreinnahmen von internationalen Konzernen mit Gas und Öl aus Katar, Russland, und den USA gegenüber den einheimischen erneuerbaren Energien so stark bevorzugt. Warum wird das EU-Recht für diese Konzerne auf Minimalbasis angewendet und bei den erneuerbaren Energien weit über der eigentlichen Anforderung.
Der Entwurf des Finanzministeriums sieht vor, dass hier 33 Prozent des Übergewinns abgeschöpft werden – ab einer Schwelle von 20 Prozent über dem Durchschnitt der letzten drei Jahre. Des Gewinns, wohlgemerkt, hier soll nicht auf Basis von fiktiven Annahmen bis in die Verlustzone abgeschöpft werden. Laut dem Finanzministerium werden damit die EU-Vorgaben erfüllt.
Konzerne wie Shell, Total, OMV und BP haben in diesem Jahr zum Teil fünfmal mehr als im Vorjahr verdient und die deutsche Wertschöpfung bei erneuerbaren Energien wird noch nicht mal gleichbehandelt, nein sie wird mit der Abschöpfung sanktioniert.
Was könnte man besser machen?
1. Es wäre enorm einfach und für den Staat/Steuerzahler viel günstiger: Allein der Gaspreis müsste für die Stromproduktion subventioniert werden. Die hohen Strompreise entstanden lediglich dadurch, dass der Gaspreis so massiv anstieg und den Börsenpreis für Strom mit sich nach oben riss. Dieser Weg ist sofort umsetzbar und erspart uns allen den geplanten komplizierten Weg, um Stromverbrauch für die gesamte Nation zu subventionieren.
2. Planbarkeit schaffen und schon gar nicht rückwirkend eingreifen, das ist Gift für den Markt.
3. Anstatt der Abschöpfung kann viel einfacher über eine Zusatzsteuer auf erzielte Gewinne in der Energiebranche eine Abgabe zugunsten der Verbraucher erfolgen. Dieser Weg hat den Vorteil, dass eine Reinvestition der Unternehmen in neue Anlagen belohnt wird. Also genau die Investitionen, die das Staatsziel, zügig von der fossilen Abhängigkeit wegzukommen, ermöglichen.
Dafür gab es lange die EEG-Förderung.
Das EEG war eine Innovationsförderung, die sich für Deutschland inzwischen mehr als ausgezahlt hat. Ohne diese Förderung wäre unsere Abhängigkeit deutlich höher und die Ersatzlieferungen durch teures LNG viel größer. Eine weitere Erkenntnis ist, dass neue Solar- und Windenergieanlagen keine EEG-Förderung mehr benötigen, wenn die Politik keine benachteiligenden Markteingriffe wie die Strompreisbremse vornimmt. Der Preisanstieg bei den fossilen Energieträgern wird die Energietransformation der Wirtschaft beschleunigen und erneuerbare Energien rentabler machen.
Die Vollkaskomentalität der Regierung – also Gewinne abschöpfen und Verbraucherpreise deckeln – nimmt jeglichen Leidensdruck weg, die eigene Versorgung und damit die Energiewende in die Hand zu nehmen. Die Branche hatte bis vor kurzem einen noch nie da gewesenen Nachfrageschub aus der Wirtschaft für Solar, Wind und Speichern erlebt. Durch die Strompreisbremse wird die Nachfrage und somit der dringende Ausbau mal wieder verschoben. Und das, obwohl in dem Koalitionsvertrag das Wort „Klima“ knapp 200 Mal verwendet wurde.

Rubriklistenbild: © David Young/dpa

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