„Emotionale Situation“
Trump verschont Russland mit Zoll-Chaos – und trifft Putins wichtigste Einnahmequelle trotzdem
Russland hat für 2025 mit hohen Ölpreisen kalkuliert. Diese brechen kurzfristig ein. Trump könnte einen gravierenden Preisverfall ausgelöst haben.
Moskau – Die jüngst angekündigten Mega-Zölle von US-Präsident Donald Trump sorgen für Unruhe in Russland. Auf den ersten Blick ist das seltsam, immerhin blieb Russland trotz eines erheblichen Handelsdefizits von Trumps Zöllen verschont. Allerdings sind die Zölle keineswegs der einzige Schadensfaktor für die Ölverkäufe des Kreml. Eine wichtige Bank warnt bereits vor einem mittelfristigen Verfall. Fest steht vor allem eines: Der Ölpreis stützt ab.
Ölpreise brechen ein – schwerer Schaden für Russlands Wirtschaft
Aktuell geht im Kreml wegen der Entwicklung beim Ölpreis die Angst um. Am 7. April teilte der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow mit: „Wir behalten die momentan sehr turbulente, angespannte und emotional überladene Situation sehr genau im Auge“, zitierte die Nachrichtenorganisation Interfax. Auslöser für diese Sorge ist ein Preisverfall bei einem der wichtigsten Güter Russlands: Ural-Rohöl. Dieses rauscht derzeit in Richtung der 50-Dollar-Marke beim Barrelpreis ab.
Peskow zufolge liegt dieser Preisverfall in der Zollpolitik des US-Präsidenten Donald Trump begründet. Für Russland ist der Preisverfall vor allem darum so schmerzhaft, weil die gesamte Budgetplanung auf einen Zielpreis über 70 Dollar pro Barrel ausgelegt war. Zu drastische Preisverfälle könnten für enorme Lücken im Staatshaushalt sorgen. Die Sorte Ural-Rohöl stürzte auf 52,76 Dollar pro Barrel am Ostseehafen Primorsk ab, berichtete Bloomberg unter Berufung auf die Datenagentur Argus Media. Die Nachrichtenagentur Reuters sprach vom niedrigsten Preis für russisches Ural-Öl seit 2023.
Der niedrige Ölpreis stellt den Kreml-Diktator Wladimir Putin vor neue Herausforderungen. Russland baut in einem erheblichen Maße auf die Verkäufe von Öl und Gas – die beiden Energieträger gelten als zwei der wichtigsten Exportprodukte. Ein Wegfall der Einnahmen aus diesem Sektor, ausgelöst durch einen Preiskollaps, könnte Russlands Budget destabilisieren. Weil das Land gleichzeitig enorme Summen in den Ukraine-Krieg und die Waffenproduktion steckt, stiegen die Staatsausgaben im ersten Quartal 2025 drastisch an. Zum Vergleich: Der Ölpreisdeckel, den die G7-Nationen auf russisches Öl gelegt haben, beläuft sich auf 60 US-Dollar pro Barrel.
Einnahmen aus Öl und Gas brechen weg – „es gibt einen spürbaren Verlust“
Das ist nicht alles: Erst am 3. April war bekannt geworden, dass Russlands Einnahmen aus dem Verkauf von Öl und Gas in erheblichem Maße zurückgegangen sind. Das Finanzministerium berichtet einen Rückgang um 17 Prozent auf 1,08 Billionen Rubel (etwa 12,8 Milliarden US-Dollar). Massive Rabatte, die sich aus stärkeren US-Sanktionen ergeben, sorgen für einen zusätzlichen Preisverfall. Weiterhin soll die Regierung 2,7 Milliarden Dollar weniger aus Zollzahlungen eingenommen haben.
Das Finanzministerium geht jetzt schon für den zweiten Monat in Folge von einem 20-prozentigen Rückgang in den Einnahmen aus Rohstoffen aus. Über das erste Quartal des Jahres schrumpften die Einnahmen aus Öl und Gas um rund zehn Prozent. „Die Situation ist empfindlich“, zitierte die Moscow Times Sofya Donets, Chefökonomin bei T-Investments. „Es gibt einen spürbaren Verlust, den wir entweder durch zusätzliche Kredite abdecken oder Geld aus dem Nationalen Wohlstandsfonds ziehen müssen – aber der ist größtenteils leer.“
Für 2025 gibt sich Donets pessimistisch. Anstatt der vom Kreml veranschlagten 129,7 Milliarden Euro, die Russland durch Öl- und Gasverkäufe einnehmen will, sollen dieses Jahr lediglich 23,8 Milliarden zusammenkommen – etwas weniger als ein Fünftel.
Parallele zur Sowjetunion – sorgt Preisverfall beim Öl für Kollaps?
Und als wäre das alles nicht genug, stehen sowohl in den Opec-Ländern als auch in den USA zusätzliche Fördermengen in Aussicht. Erst Anfang April hatte die Opec angekündigt, einen bestehenden Förderstopp auslaufen lassen zu wollen, gleichzeitig will Trump die US-Ölindustrie „entfesseln“. Beides zusammen lässt bei der russischen Zentralbank die Alarmglocken schrillen. Wie die Nachrichtenagentur Reuters am 24. März berichtete, ging vonseiten der Bank bereits eine Warnung beim Kreml ein.
Gemeinsam könnten die USA und die Opec-Länder (zu denen auch Russland im weiteren Kreise gehört) dazu führen, dass der Ölmarkt „geflutet“ wird. Das wiederum könnte eine Wiederholung des ausgedehnten Preisverfalls beim Öl in den 1980er-Jahren auslösen. Dieser Verfall sorgte damals für den Niedergang der Sowjetunion.
Zuletzt steht derzeit eine Drohung vom US-Präsidenten gegen Russland im Raum. Sollte sich der Kreml nicht ausreichend für einen Waffenstillstand und Friedensgespräche in der Ukraine einsetzen, würde es höhere Zölle und neue Sanktionen geben.
Rubriklistenbild: © IMAGO / SNA
