„Projekte gestoppt“
Russlands Gas-Export-Terminal in der Arktis: EU-Unternehmen beim Bau beteiligt
Trotz geplanter EU-Sanktionen soll ein ehemals deutsches Unternehmen beim Bau eines LNG-Terminals in Russland geholfen haben. Russlands Produktionskapazität steigt.
Frankfurt – Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine haben sich die Beziehungen zwischen dem Westen und Russland verändert. Die EU verhängte weitreichende Sanktionen gegen den Aggressor, die insbesondere auf Russlands Wirtschaft abzielten. Die Einschränkungen haben den Bau von Russlands größtem Gasexportprojekt allerdings eher weniger beeinflusst. An der arktischen Küste in Russland entsteht ein riesiger Gas-Export-Terminal. „Arctic LNG-2“ lautet der Name des Projekts, das vor allem durch westliche Konzerne ermöglicht wurde, wie Recherchen des Spiegels und des ZDF zeigen.
Russlands LNG-Arktis-Terminal erhält Unterstützung durch EU-Konzern
Öl- und Gasexporte bleiben für Russland weiterhin die wichtigste Einnahmequelle. Bereits im Juli eröffnete Präsident Wladimir Putin die erste Anlage des Flüssigbauprojekts. Aus den sibirischen Feldern soll Erdgas verflüssigt werden. Danach gelangt das Flüssiggas (LNG) in spezielle Tanker und wird in der ganzen Welt verkauft. Durch „Arctic LNG-2“ soll sich die russische Produktionskapazität von Flüssigerdgas um mehr als die Hälfte erhöhen. Ein wichtiger Kunde ist dabei die Europäische Union, die mehr LNG aus Russland importiert als vor dem Ukraine-Krieg. Gleichzeitig wird Russlands Kriegskasse gefüllt.
Trotz der Sanktionen gegen Russland sollen westliche Konzerne mit Geld und Technologie das Arktis-Projekt unterstützt haben. Das ehemals deutsche Traditionsunternehmen Linde, das seit einer Fusion im Jahr 2018 Linde plc heißt und seinen Hauptsitz in Dublin hat, soll bereits 2017 in das Projekt eingestiegen sein, wie der Spiegel schreibt. Linde war demnach bei der Planung des Baus von „Arctic LNG-2“ involviert und versprach im Jahr 2018 High-Tech-Wärmetauscher zu liefern – die wichtigste Komponente der Anlage.
Europäische Lieferungen an Russland: „Bestehende Projekte gestoppt“
Wie das ZDF berichtete, half Linde dem russischen Partner, einige Bauteile selbst herzustellen. Im Jahr 2017 ging das Unternehmen ein Joint Venture mit der russischen JSC Power Machines ein. Damit sollten Wärmetauscher in St. Petersburg produziert werden, auch für „Arctic LNG-2“. Im Sommer 2023 erklärte Sanjiv Lamba, Vorstandsvorsitzender von Linde: „Wir haben alle bestehenden Projekte mit juristischen Personen gestoppt, die unter Sanktionen gegen Russland fielen. Heute haben wir in der Russischen Föderation keine Projekte mehr.“
Recherchen von ZDF, Spiegel, dem Recherchebüro Data Desk und dem Anti-Corruption Data Collective sollen aber darauf hindeuten, dass kurz vor Inkrafttreten der Sanktionen Linde Anlagenteile zu den russischen Baustellen brachte. Russische Zolldaten, die dem ZDF vorliegen, zeigen eine 1.500 Tonnen schwere Ausrüstung auf. In einem Zusatz wird der Rahmen der Lieferung vermerkt: „Bau der LNG-Anlage des Arctic LNG-Projekts.“ Das Importdatum ist der 1. Juni 2022 und liegt damit fünf Tage nach dem Inkrafttreten der EU-Sanktionen. Laut Spiegel soll Linde eine rechtliche Übergangsfrist bis zum 27. Mai 2022 ausgenutzt haben, um weiterhin nach Russland liefern zu können.
Linde soll auf Anfrage versichert haben, dass in Übereinstimmung mit den Sanktionen alle Lieferungen europäische Häfen rechtzeitig verlassen hätten. Das russische Gas- und Anlagengeschäft sei schrittweise „dekonsolidiert“ worden sein und nicht sofort abgebrochen worden. Das französische Unternehmen Total Energies hält zehn Prozent des Projektes „Arctic LNG-2“ und teilte mit, dass kein neues Kapital für das Projekt bereitgestellt werde. (vk)
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