Zwanzigfacher Bedarf bis 2050
Russland erobert wichtige Mineralien-Vorkommen – Und vereitelt Plan der EU
Europa ist dringend auf Lithium angewiesen. Die Ukraine könnte einen Beitrag zur Deckung leisten. Derzeit werden diese Pläne von Russland erschwert.
Kiew – Neben dem massenhaften Aufkommen von Kriegsverbrechen und dem Raub von Landesgebiet hat der vom russischen Präsidenten Wladimir Putin losgetretene Ukraine-Krieg einen weiteren Effekt – er könnte langfristig den Fortschritt der EU bei ihren Klimaschutzbemühungen behindern. Kern des Problems ist die russische Besetzung wichtiger Lithiumvorkommen in der Ukraine. Im Rahmen des Europäischen Grünen Deals und für das „Fit for 55“-Programm hatte die Europäische Union den sogenannten Critical Raw Materials Act verabschiedet, der umriss, welche Rohstoffe für das Erreichen der Klimaziele besonders wichtig sind. Zu ihnen gehört auch Lithium.
Europa braucht ukrainisches Lithium – Putin verhindert den Handel
Bis 2030 soll Europas Lithium-Bedarf drastisch ansteigen und dabei sogar den Bedarf für die so wichtigen Seltenerdmetalle bei weitem übertreffen. „EU-Bedarf für Seltenerdmetalle soll Projektionen zufolge bis 2030 um das Sechsfache steigen, bis 2050 sogar versiebenfachen“, teilte die Europäische Kommission dazu mit. Der Bedarf für Lithium übertrifft das (soweit zumindest die EU-Projektionen) deutlich: Bis 2030 steht das Zwölffache des Bedarfs bevor, im Jahr 2050 soll der Bedarf sogar zwanzigmal so groß sein wie heute. Die Ukraine wäre hier ein ressourcenreicher Lieferant – insgesamt sollen dort 500.000 bis über 760.000 Tonnen bislang unberührte Lithium-Reserven liegen. Andere Projektionen sollen von bis zu 33 Millionen Tonnen Lithium ausgehen.
„Das Potenzial der Ukraine für den Lithium-Abbau ist nicht von der Hand zu weisen“, zitierte das Nachrichtenportal United24 Media Ksenia Orynchak, Executive Director der National Association of Extractive Industries of Ukraine (NAEIM). „Studien zufolge gehört das Land zu den drei stärksten Ländern, was die Lithiumreserven angeht, zusammen mit Tschechien und Serbien.“ Die geografische Nähe zur EU stelle einen strategischen Vorteil dar.
In Europa gibt es Lithium – Trotzdem ist der Kontinent abhängig
Allerdings kämpft Russland gerade um ein reiches ukrainisches Vorkommen in der Donezk-Region. Mitte Januar 2025 hatte Russland die hierfür wichtige Stadt Shevchenko zu einem großen Teil erobert, die Ukraine hält noch einen kleinen Anteil. Ein weiteres Lithiumvorkommen in Saporischschja habe Russland schon 2022 besetzt.
Sollte es Russland gelingen, diese Gebiete langfristig zu halten, könnte Russland verhindern, dass Europa diese wichtigen Rohstoffflüsse aus der Ukraine in die Lieferketten für kritische Rohstoffe aufnimmt. Es besteht – ebenso wie beim russischen Gas – Konfliktpotenzial, weil politische Akteure fordern könnten, die Kosten in den Vordergrund zu stellen und „billiges“ Lithium von Russland zu kaufen.
Europa besitzt Lithiumvorkommen – laut dem Wirtschaftsmagazin Economist etwa fünf Prozent der globalen Reserven – allerdings produziert der Kontinent so gut wie nichts. Es kann darum nicht verwundern, dass die Europäische Kommission in ihrem Raw Materials Information System (RMIS) eine Abhängigkeit von 100 Prozent beim raffinierten Lithium angibt. Die größten Reserven haben China, Argentinien und Australien. Aktuell kauft Europa vor allem aus China ein.
Lithium in der Anwendung – Dafür wird es gebraucht
Unter anderem ist Lithium für die Herstellung von Smartphones und Laptops notwendig – und für die Akkus, die in Elektroautos zum Einsatz kommen. Der Bedarf wird daher auf nicht absehbare Zeit weiter steigen. Allerdings ist die Förderung teuer. Auch wenn in Europa große Vorkommen lagern, stehen Hürden im Weg der Produktion. Umweltbedenken sind dabei ein weiterer Risikofaktor.
Die einzige Alternative ist der Zukauf von Lithium aus dem Ausland. Damit keine Abhängigkeiten entstehen, hat die EU bereits vorgeschrieben, dass bis 2030 ...
- Mindestens zehn Prozent des jährlichen EU-Verbrauchs für Förderung
- 40 Prozent des jährlichen EU-Verbrauchs für Verarbeitung
- Mindestens 25 Prozent des jährlichen EU-Verbrauchs für Recycling
- Und nicht mehr als 65 Prozent des jährlichen EU-Verbrauchs von einem einzelnen Drittland
... aus heimischer Produktion stammen müssen.
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