Abschaltung der Kraftwerke ist „schwerer Fehler“
Rückkehr zur Atomenergie in Deutschland? Neue Pläne für US-Atomkraftwerk sorgen für Aufsehen
Deutschland plant den Abschied von der Kernenergie. Doch die Union hat eine andere Meinung. Währenddessen gewinnt die Atomenergie in anderen Regionen der Welt an Beliebtheit.
Berlin – Der Atomausstieg ist vollzogen. Nachdem er bereits vor vielen Jahren beschlossen wurde, hatte ihn die jetzige Bundesregierung (zumindest in einigen) Kraftwerken doch noch einmal aufgeschoben, da die Energiesicherheit des Landes auf dem Spiel stand. Zum 15. April 2023 war es dann so weit: Die letzten drei Atomkraftwerke wurden abgeschaltet. Jetzt aber macht die Union einen Rückzieher.
CDU fordert Reaktivierung der Atomkraftwerke – Atomstrom soll weiter fließen
Die Union will den Ausstieg vom Atomausstieg. Der Rückbau der im Jahr 2023 abgeschalteten Atomkraftwerke müsse enden, stattdessen müsse es die Möglichkeit einer Wiederinbetriebnahme geben. „Die Ampel muss sicherstellen, dass die Kernkraftwerke nicht zerstört werden“, erklärte Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) gegenüber dem Handelsblatt. Seiner Meinung nach ließe das die Möglichkeit offen, die Abschaltung noch zu revidieren und die Meiler erneut in Betrieb zu setzen.
Der Auslöser für die neue Diskussion waren Meldungen aus den Vereinigten Staaten. Dort steht derzeit die Wiederinbetriebnahme eines Reaktors im US-Atomkraftwerk Three Mile Island zur Debatte. Der Tech-Riese Microsoft wolle den Reaktor wieder hochfahren, um Strom für Rechenzentren zu bekommen. Angeblich hatte Microsoft bereits zugesagt, die Energie 20 Jahre lang abzunehmen. Zwar diskutiert man in den USA außerdem die Wiederinbetriebnahme des Palisades-Kraftwerks in Michigan, aber hier rechnet der Betreiber erst im späten Jahr 2025 mit einer Wiedereröffnung.
Three Mile Island könnte der erste US-amerikanische Atomreaktor sein, der wieder ans Netz geht. Ausgerechnet das Atomkraftwerk hat Geschichte: Im Jahr 1979 gab es am Unit 2 Reaktor einen Unfall, der in einer Kernschmelze endete. Der Reaktor, der jetzt wieder in Betrieb gehen soll, ist jedoch ein anderer.
„Die Bürger müssen bei der nächsten Bundestagswahl auch darüber entscheiden können, ob die Kernkraftwerke wieder ans Netz sollen“, befand Spahn. Er hält die Abschaltung der Kraftwerke für einen „schweren Fehler“.
Neuer Atomstrom für Deutschland – so wäre es möglich
Dabei stellt sich die Frage: Wäre es technisch möglich, die stillgelegten Reaktoren erneut hochzufahren? Im Prinzip ja, hatte der Physiker Ulrich Waas bereits im Dezember 2023 mitgeteilt. Früher war Waas Mitglied der Reaktorsicherheitskommission. Außerhalb des nuklearen Bereichs sei zwar schon einiges verschrottet oder weiterverkauft worden, aber bei vielen Kraftwerken seien die „wesentlichen“ Komponenten noch vorhanden. Das hatte er gegenüber dem ZDF erklärt.
Allerdings ist die Zahl der Kernkraftwerke, die sich für eine Reaktivierung eignen, begrenzt. Von den sechs zwischen 2021 und 2023 abgeschalteten Kraftwerken seien lediglich fünf Kraftwerke reaktivierungsfähig: Grohnde, Brokdorf, Neckarwestheim2, Emsland und Isar 2. Bei anderen Kraftwerken seien die Abbauarbeiten schon zu weit fortgeschritten.
Es würde ein bis zwei Jahre dauern, die Reaktoren wieder anzufahren. Unter anderem seien Prüfungen zur Sicherheit notwendig, allen voran die „wiederkehrenden Prüfungen“, bei denen die Experten die einzelnen Komponenten der Anlagen etwa mit Ultraschall testen müssen.
China baut auf Atomstrom – und baut neue Reaktoren
Während Deutschland den Atomausstieg durchführt, streben andere Länder eher verstärkt nach mehr Kernkraft. China zum Beispiel strebt bereits an, im Energiesektor für Atomstrom die Spitzenposition einzunehmen. Im August hatte das Nachrichtenportal China Energy News gemeldet, dass der Bau von elf weiteren Atomreaktoren genehmigt wurde. Ein Rekord, der darauf abzielen soll, die CO₂-Emissionen im Land zu verringern. Sollte der Fortschritt sich in dem Tempo fortsetzen, so soll China bis 2030 eine führende Stellung bei der Atomenergie einnehmen. Um dieses Ziel zu erreichen, hatte der chinesische Staat Hilfsleistungen in Höhe von umgerechnet 31 Milliarden US-Dollar bewilligt.
Von der Leyen ruft bei Atomstrom zu längeren Laufzeiten auf – Atom-Renaissance in Europa?
Und auch in Europa scheint die Stimmung in Richtung Kernkraft zu drehen. Vor einigen Monaten hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Atom-Gipfel der Atomenergie-Agentur in Brüssel teilgenommen und dort Staatschefs und Minister aus 37 Staaten dazu aufgefordert, eine mögliche Laufzeitverlängerung ihrer Kraftwerke zu prüfen.
Kernenergie ist auf europäischer Ebene bereits im Net Zero Industry Act (NZIA) verankert, der Technologien festlegt, die dem Abbau von Treibhausgasemissionen dienlich sind. Seit 2022 gilt sie als sauber und nachhaltig, zumindest als Übergangstechnologie.
Zwölf von 27 EU-Ländern betreiben Kernkraftwerke, allen voran Frankreich. Die Niederlande und Belgien, die vormals einen Atomausstieg nach deutschem Vorbild durchlaufen wollten, haben diese Pläne verschoben oder ganz aufgehoben, während Polen derzeit erst einsteigen will. In Frankreich sind weitere Anlagen geplant – die Grande Nation gilt bereits als Powerhouse, was die Versorgung mit Atomstrom angeht. 65 Prozent von Frankreichs Strom kommen aus der Kernkraft.
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