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„Die Wirtschaft floppt gerade“

Rente mit 63 „war ein Fehler“ – Sozialrichter fordert jetzt „mutigen Schritt“ von der Politik

Der Präsident des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel, war 36 Jahre lang Sozialrichter. Aus seiner Sicht hat die Politik zu oft aus Angst vor dem Wähler schlechte Entscheidungen getroffen.

Berlin – Lange haben Politiker und Politikerinnen in Deutschland sich auf eine stabile Wirtschaft mit niedrigen Arbeitslosenzahlen und einem soliden Sozialstaat ausgeruht. Dass ein demografischer Wandel vor der Tür steht, war allen bewusst – doch wollte keiner unbeliebte Entscheidungen treffen, die dem Land jetzt zugutekommen würden. Nirgends sieht man die Konsequenzen dieses Handelns so deutlich, wie bei der gesetzlichen Rentenversicherung. Die verschleppte Renten-Reform führt nun dazu, dass Rentner und Rentnerinnen mit weniger auskommen müssen, auch wenn sie viele Jahre gearbeitet haben.

Renten-Reform dringend notwendig

Einer, der diese Entwicklungen immer ganz genau mitbekommen hat, ist Rainer Schlegel, Präsident des Bundessozialgerichts, der nun in den Ruhestand geht. Das nimmt er nun zum Anlass, nochmal seine Meinung zu den Entwicklungen im Sozialstaat kundzutun. Im Interview mit der Frankfurter Rundschau mahnte er zuletzt: „Unserer Gesellschaft fehlt es an der gebotenen Wertschätzung gegenüber unserem Sozialstaat. Ein Sozialstaat, auf den wir sehr stolz sein können. Unsere sozialen Sicherungssysteme werden oft kritisiert – Lob und Dankbarkeit für diese Errungenschaften höre ich eher selten.“

Rainer Schlegel, Präsident des Bundessozialgerichts, in der Saarbrücker Ludwigskirche. (Archivbild)

Dennoch sieht er es kritisch, wenn nach immer mehr Sozialleistungen gerufen werde, wenn auf der anderen Seite die Wirtschaft nicht brummt. „Es fehlt bei vielen Menschen an der Einsicht, dass es unserem Sozialstaat nur so gut gehen kann, wie es unserer Wirtschaft geht“, so Schlegel der FR. „Diejenigen, die täglich zur Arbeit gehen und täglich Steuern und Beiträge zahlen, sind diejenigen, die diesen Sozialstaat wesentlich am Laufen halten. Und auch die hätten die Wertschätzung der gesamten Gesellschaft verdient.“

Diejenigen, die besonders lange genau das getan haben, sind angehende Rentner und Rentnerinnen. Mit der gesetzlichen Rente sollen Senioren die Wertschätzung für all ihre Jahre im Dienst der Gesamtgesellschaft bekommen – das ist zumindest die Idee. Doch das System bröckelt immer mehr, da die Babyboomer langsam in Rente gehen und die übrigbleibende arbeitende Bevölkerung nicht die Kosten für alle diese Menschen tragen kann. Es muss eine Reform her, und zwar schleunigst. Und das bedeutet auch politisch unbeliebte Entscheidungen zu treffen, zum Wohle aller.

Was ist die „Rente mit 63“?

Die abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte (45 Versicherungsjahre) wird zwar umgangssprachlich „Rente mit 63“ genannt, doch dieser Begriff ist irreführend: Denn der Rentenbeginn hängt nicht nur von der Versicherungszeit, sondern auch vom Geburtsjahr ab.

So konnten alle vor 1953 Geborenen noch ohne Abschläge mit 63 Jahren in Rente gehen. Doch das gilt nicht mehr für alle Menschen, die zwischen 1953 und 1963 geboren sind. Das Eintrittsalter verschiebt sich mit dem Geburtsjahr graduell nach oben, weil das Rentenalter schrittweise angehoben wird. Beim Geburtsjahrgang 1964 oder später kann man dann erst ab 65 Jahren nach 45 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen.

„Politik erfolgt oft aus Angst vor dem Wähler“

Im Interview mit dem Tagesspiegel bedauert Rainer Schlegel, dass diese Einsicht erst so spät in der Politik angekommen ist. „Es war sicherlich ein Fehler, die Rente mit 63 einzuführen“, denkt der 66-Jährige heute. „Die Wirtschaft floppt derzeit, das liegt auch daran. Es würde einen mutigen Schritt des Gesetzgebers erfordern, um mit der Rente mit 63 Schluss zu machen. Aber es wäre sehr wichtig.“

Dass die Politik beim Sozialstaat immer wieder solche Fehler macht, scheint er aber zu verstehen – schließlich sind Entscheidungsträger hierzulande von der Gunst des Wählers abhängig. „Politik erfolgt oft aus Angst vor dem Wähler. [...] In den vergangenen Jahren hat keine Partei damit geworben, dass wir bei den Sozialausgaben sparen müssen. Vielleicht wäre das erfolgreich gewesen.“

Ökonomen fordern Abschaffung der Frührente

Aktuell beträgt der Sozialetat knapp 40 Prozent der Staatsausgaben im Jahr. Alleine 2024 plant die Bundesregierung, 127 Milliarden Euro für die Rentenversicherung auszugeben. Und das, obwohl ein Großteil der Renten über die Beiträge der Arbeitenden (Versicherten) finanziert wird. Vor zehn Jahren hat der Staat 88 Milliarden Euro für die Rente ausgegeben. Hätte man also schon damals nach Möglichkeiten gesucht, die Staatsausgaben für die Rente auf einem stabilen Niveau zu halten, stünde nicht nur der Staatshaushalt besser da, sondern auch die finanzielle Lage vieler Rentner und Rentnerinnen könnte besser sein.

Das Thema „Rente mit 63“ erhitzt schon seit Längerem die Gemüter, zahlreiche Ökonomen haben sich in den vergangenen Wochen klar für die Abschaffung der Frührente ausgesprochen. Besonders deutlich zuletzt auch der Wirtschaftsweise Martin Werding, der im Gespräch mit Ippen.Media sagte: „Schafft die Rente mit 63 ab!“ Doch aus der Politik hat es noch keine deutliche Positionierung gegeben. Doch mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wird es keine Abschaffung der „Rente mit 63“ geben, das hat er schon mehrmals bekräftigt.

Rubriklistenbild: © BeckerBredel/Imago

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