„Wir haben so etwas schon öfter geschafft“
Die Rentenversicherung hält den demografischen Wandel für bewältigbar – Neue Zahlen
Immer mehr Menschen fürchten durch eine immer älter werdende Gesellschaft um den Kollaps des Rentensystems. Die Rentenversicherung selber sieht sich jedoch gut gewappnet.
Berlin – Die Rentenversicherung wurde schon öfter wegen Überalterung totgesagt. Schon 1932 schrieb Gustav Harz in seinem Werk „Die national-soziale Revolution“ von der „Vergreisung“ des Volkes, die dazu führe dass es bald nicht mehr genug junge Menschen gebe, „um die Summen aufzubringen, die zur Ernährung einer immer größer werdenden Zahl von Alten nötig werden“. 1966 warnte die Sozialenquete-Kommission der Bundesregierung vor einem „Rentenberg“ in den Jahren nach 1975. Und 1985 fragte der „Spiegel“: „Wer trägt die Last im Jahr 2000, wenn immer weniger Arbeitnehmer immer mehr Ruheständler ernähren müssen?“ Um es vorwegzunehmen: Die Rentenversicherung gibt es noch heute.
Dennoch möchte Reinhold Thiede nicht falsch verstanden werden, wenn er diese Beispiele anführt, um die auch heute wieder umgehende Angst vor der Überalterung einzuordnen. „Ich will nicht sagen, dass es kein Problem gibt“, betont der Leiter der Abteilung „Forschung und Entwicklung“ bei der Deutschen Rentenversicherung. Denn tatsächlich wird der demografische Wandel das Verhältnis von Beitragszahlern und Rentnern ab 2030 sehr ungünstig verändern, wenn die geburtenstarken „Babyboomer“-Jahrgänge in Rente gehen.
Was Thiede sagen will, ist vielmehr: „Wir haben so etwas schon öfter geschafft.“ Auch die früheren Warnungen hätten nämlich zu ihrer Zeit durchaus eine Berechtigung gehabt. „Aber die Schlussfolgerung, dass die Alterssicherung nicht mehr finanzierbar wäre, ist nie eingetreten.“ Von 1990 bis 2010 sei der Altersanstieg sogar noch stärker gewesen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es auch diesmal gutgeht, sei hoch, sagt Thiede. Denn: „Das Rentensystem und die Gesellschaft sind anpassungsfähig.“
Erwarteter Alters-Anstieg halbiert sich
Darüber hinaus gäben neue Zahlen Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Die Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamts zeigt zwar immer noch einen deutlichen Anstieg des sogenannten Altenquotienten, der die Anzahl der Menschen im Rentenalter auf 100 Menschen im Erwerbsalter ausdrückt. Von heute ca. 35 dürfte der Wert demnach auf ca. 45 im Jahr 2060 steigen. Doch in einer Vorausberechnung aus dem Jahr 2015 waren die Statistiker noch von einem Sprung auf 55 ausgegangen. Der erwartete Anstieg habe sich also halbiert, sagt Thiede.
Das liegt neben einer höheren Zuwanderung auch an einer veränderten Annahme zur Lebenserwartung. Ging man 2015 noch davon aus, dass ein 65-Jähriger im Jahr 2060 durchschnittlich noch 23,7 Jahre lebt und eine 65-Jährige noch 26,5 Jahre, hat man die Annahmen inzwischen nach unten korrigiert: Auf 20,9 Jahre bei den Männern und 23,9 Jahre bei den Frauen. Insgesamt ist übrigens auch das noch ein deutlicher Anstieg der Lebenserwartung. Wer heute 65 ist, hat statistisch gesehen als Mann noch 17,8 Jahre vor sich, als Frau 21,1 Jahre. Das Tempo, in dem es nach oben geht, ist allerdings langsamer geworden.
Deutsche Rentner erhalten derweil zurzeit oft einen besonderen Brief: Die Sozialwahl 2023 steht nach sechs Jahren wieder an. Die Deutsche Rentenversicherung ruft, unter anderem mit den Briefen, 52 Millionen Menschen zur Wahl auf.