Politik muss handeln
Reform der Rente: Studie kommt zu erschreckendem Ergebnis
Die gesetzliche Rente muss dringend reformiert werden. Doch die Möglichkeiten sind alle unbeliebt. Eine neue Studie wertet aus, wofür sich die Deutschen entscheiden würden.
Berlin – Höhere Beiträge, kleinere Rentenbezüge oder ein höheres Renteneintrittsalter? Das sind im Grunde die Optionen, die aktuell zur Reform der Rente auf dem Tisch liegen. Dass alles so bleibt, wie es aktuell ist, gilt als quasi unmöglich. Denn auf immer mehr Rentner und Rentnerinnen gibt es weniger Arbeitnehmende – die gesetzliche Rente kann so kaum noch finanziert werden. Doch die drei Reformmöglichkeiten, die am schnellsten Abhilfe schaffen würden, sind allesamt unbeliebt.
Doch wofür würden sich die Bürgerinnen und Bürger entscheiden, wenn sie keine andere Wahl hätten? Das haben Ökonomen des Instituts für Wirtschaft in Köln (IW) in einer neuen Studie jetzt herausgefunden. Zuerst berichtete das Handelsblatt über die Ergebnisse.
Ranking: Höhere Beiträge zur Rente wären am beliebtesten
Befragt wurden fast 4900 Personen im Frühjahr 2023, aus allen Altersgruppen. Rund ein Drittel der Befragten befinden sich schon jetzt im Ruhestand. Die restlichen Befragten teilen sich auf in Über-50-Jährige und Unter-50-Jährige. Demnach gibt es auch abweichende Vorstellungen, wie die Reform der Rente aussehen soll. Dabei sind es die Jüngeren, die bereit wären, größere Veränderungen in Kauf zu nehmen.
Anhand der Grafik ist zu erkennen, dass über alle Altersgruppen hinweg ein höherer Beitragssatz am verkraftbarsten wäre. Aktuell liegt der Beitragssatz bei 18,6 Prozent, davon zahlen Arbeitnehmende und Arbeitgebende jeweils die Hälfte vom Bruttolohn.
Die Unter-50-Jährigen sind interessanterweise eher bereit, ein niedrigeres Rentenniveau in Kauf zu nehmen als die anderen Altersgruppen. Für 17 Prozent dieser Altersgruppe wäre es sogar die Reformmöglichkeit, die für sie am verkraftbarsten wäre.
Bei der Frage, ob das Renteneintrittsalter erhöht werden sollte, lässt sich eine klare Spaltung ablesen. Die Jüngeren sind weniger bereit, länger zu arbeiten als ihre Vorgängergenerationen – aber nicht mehrheitlich. Immer noch gut 28 Prozent sprechen sich dafür am ehesten aus. Über alle Altersgruppen hinweg ist man sich jedoch nicht einig, ob das eine verkraftbare Option wäre, oder nicht.
Ergebnis der Studie: Die Rente sollte sich nicht verändern
Doch wie immer steckt auch bei diesem Thema der Teufel im Detail. Diese erste Auswertung bildet nämlich nicht ab, wie stark sich die Stellschrauben verändern sollen. Würden die Befragten beispielsweise einen Beitragssatz von 25 Prozent akzeptieren? Oder eine Erhöhung der Regelaltersgrenze auf 69 Jahre, nicht aber auf 70? Dazu hat das IW weiter nachgeforscht und 27 unterschiedliche Szenarien abgeklopft.
Die höchste Zustimmung haben zwei Szenarien erhalten: Der Renteneintritt beginnt mit 65 Jahren (aktuell: Anhebung auf 67 Jahre), das Rentenniveau bleibt gleich (aktuell: 50 Prozent), aber der Beitragssatz steigt auf 22 Prozent oder bleibt gleich bei 18,6 Prozent. Eine ebenfalls recht hohe Zustimmung erhält eine Beibehaltung des Status Quo, also gar keine Veränderung. Das zeigt eindeutig: Am liebsten würden die Deutschen überhaupt gar nichts verändern. In der Wissenschaft nennt man das „Status Quo Bias“.
Aus Sicht der Forschenden belegen die Ergebnisse der Studie den Handlungsdruck: Am meisten machen sich diejenigen Sorgen um ihre Altersvorsorge, die unter 50 Jahre sind. „Es gilt demnach herauszuarbeiten, inwiefern sich das Reformfenster, das aufgrund der zunehmenden Sorgen um die eigene Rente bei jüngeren Menschen besteht, nutzen lässt, bevor die demografische Entwicklung Mehrheiten weiter zur älteren Bevölkerung hin verschiebt“, so die Studienautoren.
Vorwurf: Politik hat bei der Rente geschlafen
Die Studie belegt jedoch ein weiteres, politisches Problem: Jede Reform wäre vermutlich äußerst unbeliebt und würde Wählerinnen und Wähler abstoßen. Genau das möchten Politiker und Politikerinnen nicht tun, sie wollen natürlich immer die nächste Wahl überleben.
Aus Sicht der Ökonomen ist das Problem jedoch hausgemacht: Dadurch, dass die Politik jahrelang versprochen hat, an der Rente nicht schrauben zu wollen, hat sich diese Anspruchshaltung innerhalb der Bevölkerung verfestigt. Zum Beispiel habe die Einführung der Rente mit 63 dazu geführt, „der Status quo ließe sich ohne zusätzliche finanzielle Belastungen beibehalten oder sogar verbessern. Das ist nicht der Fall.“
Es müsse also neben tatsächlichen Reformen auch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden, so die Autoren und Autorinnen. Den Bürgerinnen und Bürgern müsse klargemacht werden, dass eine Reform der Rente nicht nur notwendig ist, sondern auch langfristig etwas Gutes für die Gesellschaft bringen würde.
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