Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

EU-Kommission sieht „schwere Mängel“

Glasfaserausbau: Anbieter stehen vor der Pleite – „Der Glasfasermarkt kollabiert gerade“

Der Glasfaserausbau geht in Deutschland so schleppend voran, dass die EU-Kommission jüngst „sehr schwere Mängel“ beklagte. Die Konkurrenz wirft dem Branchenprimus Telekom vor, den Wettbewerb zu behindern.

Berlin – Bis zum Jahr 2030 soll es flächendeckend Glasfaseranschlüsse bis ins Haus überall dort geben, wo Menschen leben, arbeiten oder unterwegs sind, heißt es in der Gigabitstrategie der Bundesregierung hoffnungsvoll. In den vergangenen Jahren entstand eine regelrechte Goldgräberstimmung in der Glasfaserbranche. Die Begeisterung ist mittlerweile der Ernüchterung gewichen. Das Ziel der Bundesregierung ließe sich wohl nicht mehr erreichen, heißt es in der Branche unter vorgehaltener Hand.

Glasfaserbranche in Deutschland: EU-Kommission beklagt „sehr schwere Mängel“

Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland beim schnellen Internet hinterher, fast alle OECD-Länder kommen beim Ausbau schneller voran. Glasfaser gilt als die beste Technologie, um stabiles und sehr schnelles Internet zu ermöglichen. In Deutschland läuft es damit so schlecht, dass die EU-Kommission im September „sehr schwere Mängel“ beklagte. Die Abdeckung liegt hierzulande mit 19 Prozent der Haushalte deutlich unter dem EU-Schnitt von 56 Prozent, wie aus einem Bericht der Brüsseler Behörde hervorging. Die Kommission schätzte, dass dafür zusätzliche Investitionen in Höhe von 200 Milliarden Euro notwendig seien.

Zwar ergab eine BREKO-Marktanalyse zuletzt, dass der Glasfaserausbau in Deutschland deutlich voranschreite. Allerdings sei dies auf „Homes Passed“ beschränkt, hieß es von den Studienautoren. Damit bezeichnet die Branche jene Haushalte, an denen die Glasfaserkabel vorbeilaufen, wo aber noch kein Hausanschluss besteht. Der wichtigere Wert ist daher FTTH (Fibre to the Home), also die Zahl der Haushalte, die tatsächlich schon an das Glasfasernetz angeschlossen sind. Hier gab es zuletzt keinen wesentlichen Fortschritt. Wie ernst es um den Glasfasermarkt hierzulande steht, zeigt die anonyme Aussage aus der Branche. „Der Glasfasermarkt kollabiert gerade“, sagte der Geschäftsführer eines großen Anbieters dem Handelsblatt.

Das sind die Probleme der Glasfaserbranche: Geringe Auslastung und hohe Kosten

Die Glasfaserbranche hat hierzulande mehrere Probleme. Auf der einen Seite stiegen die Kosten – etwa für den Tiefbau. Der Fachkräftemangel erhöht den Druck zudem. Auch die gestiegenen Leitzinsen der Europäischen Zentralbank und damit die höheren Finanzierungskosten wirken sich auf die Branche aus. Außerdem sei die Auslastung vielerorts viel zu gering. Während ein rentabler Betrieb in der Regel einen Anteil von 60 Prozent der Haushalte in einem bestimmten Gebiet erfordere, müssten sich selbst große Anbieter mit 30 Prozent oder weniger begnügen. Selbst wenn man nur 15 Prozent der Haushalte zu einem Vertrag bewegen könne, sei dies mancherorts Grund zur Freude, so Recherchen des Handelsblatts.

Solche Zahlen sorgen nicht unbedingt für Begeisterung bei Investoren aus dem Ausland. Eine weitere Hürde sind die strengen Regulierungen in Deutschland. Andere EU-Länder erlauben das Verlegen von Glasfaserkabeln außen statt unter der Erde – Spanien zum Beispiel, das im Jahr 2021 bereits 80 Prozent aller Haushalte an das Netz angebunden hatte. In Deutschland gibt es strengere Regeln, was den logistischen Aufwand und damit die Kosten erhöht. Im Vergleich zu Spanien ist Deutschland zudem deutlich zersiedelter, was den Aufwand einer Anbindung nochmals erhöht. Eine weitere Herausforderung ist die Marktstruktur hierzulande. Dem Branchenführer Telekom wird vorgeworfen, den Wettbewerb zu behindern.

Branche kritisiert Wettbewerbsvorteil der Telekom und deren Doppelausbau

In Deutschland gibt es eine hohe Anzahl an konkurrierenden Netzbetreibern, die im Ausbau aktiv werden. Weit über hundert Anbieter seien im Markt, hieß es vonseiten des Branchenexperten Sebastian Fornefeld von MICUS Strategieberatung. Telekom ist klarer Marktführer. Konkurrenten sehen das Gebaren des Branchenriesen kritisch, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete: Das Unternehmen habe einen Wettbewerbsvorteil, der den Glasfaserausbau behindere, statt ihn voranzutreiben. Der Staat müsse den Marktführer stärker regulieren, so die Forderung. Der sogenannte Doppelausbau ist einer der größten Streitpunkte. Damit wird das Verlegen von Glasfaserkabeln in einem Bereich bezeichnet, der von einem anderen Anbieter bereits bedient wurde.

Finanziell lohnt sich das oftmals nicht für beide – insbesondere kleinere Unternehmen haben dann das Nachsehen. Der Branchenreise Telekom setze diesen Überbau strategisch ein, so der Vorwurf der Konkurrenz. Baue also gezielt Glasfaser aus, damit die kleineren, bereits vor Ort befindlichen Unternehmen schlechtere Karten haben und im Wettbewerb mit dem großen Bonner Konzern unter Druck geraten. Bei der im Juli eingerichteten Monitoringstelle der Bundesnetzagentur habe es diesbezüglich bereits fast 300 Meldungen gegeben, teilte die Behörde mit. „Die Prämisse der ganzen Debatte ist falsch“, entgegnete eine Telekomsprecherin zum Handelsblatt. Wettbewerb sorge für mehr Glasfaser – und nicht für weniger, hieß es vom Konzern laut dpa. Verbraucher hätten durch den Infrastrukturwettbewerb die Wahl.

Branchenexperten sehen die Probleme der Anbieter auch als hausgemacht

Branchenexperten sehen jedoch auch Probleme bei den Anbietern selbst. „In der jetzigen Phase ist operative Exzellenz gefragt, um die Anschlüsse auch wirklich zu den Kunden zu bringen“, sagt Markus Keller, Telekommunikationsexperte der Personalberatung Egon Zehnder dem Handelsblatt. Dem Management mancher Anbieter mangele es jedoch an entsprechender Erfahrung. Im Optimalfall wird der Prozess von Beginn an optimiert, rät Branchenexperte Fornefeld. „So können beispielsweise Baukosten deutlich reduziert und die Ausbaugeschwindigkeit erhöht werden, wenn Planung und Konzeption der Netze in Richtlinien vereinheitlicht und standardisiert werden.“ Eine Kostenreduktion von bis zu 20 Prozent sei damit drin, meint Fornefeld in einer Mitteilung (bme mit dpa).

Rubriklistenbild: © IMAGO/Michael Gstettenbauer

Kommentare