15 Euro im Spiel
Heil fordert Mindestlohn von 15 Euro: „Die letzte Erhöhung war zu niedrig“
Die Erhöhung des Mindestlohns wird eigentlich von einer unabhängigen Kommission bestimmt. Doch die Politik bringt immer wieder Forderungen für mehr Geld.
Berlin – Der Mindestlohn in Deutschland soll nach Vorstellungen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ab 2026 auf über 15 Euro steigen. Dies ergibt sich aus einem der Nachrichtenagentur Reuters am Montag (9. September) vorliegenden Schreiben des SPD-Politikers an die Mindestlohnkommission. Darin fordert Heil das Gremium aus Gewerkschaften und Arbeitgebern auf, bei der nächsten Erhöhung der Lohnuntergrenze im Sommer des nächsten Jahres die Vorgabe der Europäischen Mindestlohnrichtlinie umzusetzen. Diese sieht als Mindestlohn 60 Prozent eines mittleren Lohns vor. Das wären nach derzeitigen Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) 15,27 Euro.
Debatte um den Mindestlohn: Heil hält letzte Erhöhung für „zu niedrig“
In diesem Jahr beträgt der Mindestlohn 12,41 Euro. Im kommenden Jahr steigt die Lohnuntergrenze auf 12,82 Euro. Über die Anhebung ab 2026 muss die Mindestlohnkommission bis Mitte 2025 entscheiden. Dabei ist offen, ob die Kommission der Aufforderung des Ministers folgen wird. Die Kommission hatte sich im Sommer 2023 zerstritten, weil die Arbeitgeber für 2024 und 2025 aus Sicht der Gewerkschaften viel zu geringe Mindestlohnanhebungen durchsetzten.
„Die letzte Erhöhung war zu niedrig“, sagte Heil in der ARD. Dies müsse nun geradegezogen werden. 2026 werde der Mindestlohn zwischen 14 und 15 Euro liegen, so der Arbeitsminister.
Kritik kam umgehend vom Ampel-Koalitionspartner FDP: „Hände weg von der unabhängigen Mindestlohnkommission! Von Seiten der FDP wird es keine Unterstützung für die Vorschläge von Heil geben“, sagte der mittelstandspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Carl-Julius Cronenberg. Die Lage der Wirtschaft sei besorgniserregend, Beschäftigte bangten um ihre Jobs. „Gleichzeitig haben wir bereits heute einen der höchsten Mindestlöhne in Europa.“ Der Arbeitsminister sollte lieber substanzielle Vorschläge für einen Bürokratieabbau machen.
EU-Regeln zum Mindestlohn: Deutschland hinkt weiter hinterher
Heil legte zudem fest, dass beim Mindestlohn nach EU-Vorgaben die Löhne von Vollzeitbeschäftigten als Messlatte gelten sollen. „Bei der Ermittlung der 60-Prozent-Medianlohn-Schwelle sind die Lohndaten von Vollzeitbeschäftigten zugrunde zu legen“, heißt es in dem Schreiben. Heil sagte im Morgenmagazin, er müsse der EU-Kommission bis November melden, ob das deutsche Recht der EU-Richtlinie entspreche und habe der Mindestlohnkommission daher den Brief geschrieben.
In der EU-Richtlinie wird als Referenzwert für den Mindestlohn 60 Prozent des sogenannten Medianlohns genannt. Der Medianlohn teilt das Lohnspektrum in zwei Hälften - 50 Prozent der Beschäftigten verdienen mehr, die anderen 50 Prozent weniger als den Medianlohn. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts entspricht der aktuelle Mindestlohn auf eine Vollzeitstelle gerechnet, gut 57 Prozent des Bruttomedianverdienstes. Es müsste also laut EU eine Anhebung geben.
Arbeitgeber kritisieren Vorschlag zur Erhöhung: Mindestlohn kann Arbeitgeber unter Druck setzen
Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) hat scharfe Kritik an der gewollten Anhebung des Mindestlohns geübt. „Die Mindestlohnkommission kann man sich sparen, wenn ständig die Politik von der Seite reingrätscht“, sagte IW-Tarifexperte Hagen Lesch der Nachrichtenagentur Reuters. „Man pfuscht den Tarifparteien ins Geschäft. Das ist Wahlkampf und Stimmenfang.“
Am Ende könne eine ständige Einmischung der Politik dazu führen, dass in bestimmten Bereichen wie dem Friseurgewerbe oder dem Bäckerhandwerk keine Bereitschaft mehr da sein werde, Tariflöhne zu verhandeln. „Stattdessen gibt es dann eine staatliche Lohnfestsetzung.“ Dann richte sich aber künftig auch die mögliche Kritik an den Löhnen verstärkt an den Staat. „Wollen wir politisierte Löhne?“, sagte Lesch.
Er warnt zudem vor wirtschaftlichen Nebenwirkungen. „Das Umfeld hat sich konjunkturell deutlich eingetrübt“, sagte er angesichts der Dauerflaute von Europas größter Volkswirtschaft. „Der Arbeitsmarkt ist nicht mehr so robust, wie er einmal war.“ Irgendwann werde beim Mindestlohn der Kipppunkt erreicht. Das könne Jobs in bestimmten Bereichen kosten. „Dann gibt es keine Bäckereien mehr, sondern Ketten mit Industrieware“, sagte der IW-Experte. Hinzu kämen Preiseffekte. Die Dienstleister seien schon seit einiger Zeit ein starker Inflationstreiber. „Gerade personennahe Dienstleister wie die Gastronomen werden versuchen, höhere Lohnkosten an die Kunden weiterzureichen.“ Das dürfte den Preisdruck verschärfen. (mit reuters und AFP)