Deutschland in der Krise?
Nach Intel-Debakel: Ungewissheit um weitere deutsche Technologieprojekte
Intel, der Technologie-Gigant, verschiebt den Mega-Bau seiner neuen Fabrik in Magdeburg. Wie ist die Situation auf den anderen Mega-Baustellen in Deutschland?
Magdeburg – Die Intel-Absage an den geplanten neuen Chip-Fabrik-Standort in Magdeburg stürzt die Ampel-Politik in eine schwere Krise, wollte sie doch die Abhängigkeit von Importen aus Asien in Schlüsselbereichen reduzieren. Der Technologiekonzern wollte bis zuletzt in Ostdeutschland ein Mega-Milliarden-Projekt umsetzen, nun soll dieses um mindestens zwei Jahre verschoben werden. Rund 10 Milliarden Euro an Subventionen hatte die Bundesregierung Intel für das neue Werk zugesagt. Doch bis auf Weiteres steht das Bauvorhaben fortan auf der Kippe. Die Chipfabrik ist jedoch nicht die einzige große Baustelle in Deutschland – und nicht überall läuft es rund. Kommen auf die Ampel noch größere Probleme zu? Ein Überblick.
Nach Intel-Stopp: Auch Northvolt steckt in der Krise – was passiert mit der Fabrik in Heide?
Auch die europäische Batteriebranche steht vor einem Dilemma: Der Batteriezellenhersteller Northvolt aus Schweden muss seine Expansionspläne einschränken. Grund sind rückläufige Bestellungen und Schwierigkeiten, die Produktionskapazitäten zu steigern. Das ist alles andere als erfreulich, warnen Branchenkenner doch davor, dass die europäische Automobilindustrie damit weiter stark von chinesischen Zulieferern abhängen könnte – Northvolt gilt als Schlüsselfigur in diesem Sektor.
Ob eine geplante Restrukturierung auch die Baustelle in Schleswig-Holstein betrifft, bleibt unklar. Zurzeit hält das Unternehmen an seinen Plänen für eine neue Fabrik in Heide fest, wenngleich auch hier Verzögerungen möglich sind. Die Landesregierung geht derzeit jedoch von keinen Änderungen aus, die Arbeiten am Standort laufen wie geplant weiter. Anfang September hieß es noch von einem Unternehmenssprecher: „Northvolt steht zum Standort bei Heide, ist in engem Kontakt mit Landes- und Bundesregierung sowie den kommunalen Vertretern vor Ort und ist dankbar für die Unterstützung“. Klarheit gibt es jedoch erst im Herbst, dann plant Northvolt weitere Details zu den Standorten in Deutschland, Schweden und Kanada bekanntzugeben.
Spatenstich für TSMC-Chipwerk in Dresden im August: Baut taiwanesischen Unternehmen weiter?
Der Bau der ersten europäischen Chipfabrik des taiwanesischen Unternehmens TSMC wurde bereits mit einem symbolischen Spatenstich gestartet. Das Zehn-Milliarden-Euro-Projekt ist eine Kooperation zwischen TSMC und den Dresdner Unternehmen Bosch, Infineon sowie NXP Semiconductor. TSMC wird mit einem Anteil von 70 Prozent die Mehrheit halten, während die drei deutschen Partner jeweils zehn Prozent übernehmen. Die Fabrik läuft unter dem Namen European Semiconductor Manufacturing Company (ESMC) und ist ein zentraler Bestandteil des europäischen Chips Acts, der eine nachhaltige Halbleiterproduktion in Europa fördern soll. Die Bundesregierung unterstützt das Vorhaben mit fünf Milliarden Euro – Bundeskanzler Olaf Scholz: „Halbleiter sind entscheidend, um Klimaneutralität zu erreichen.“ Ein Elektroauto enthalte bereits doppelt so viele Chips wie ein herkömmliches Verbrennungsfahrzeug.
Doch läuft weiterhin alles nach Plan? Die Intel-News aus Magdeburg haben auf den Bau der ersten Chipfabrik des taiwanesischen Halbleiterkonzerns TSMC in Dresden keinen Einfluss, heißt es: „Es bleibt bei den Plänen. Die Projekte in Magdeburg und Dresden sind unabhängig voneinander“, sagte der Geschäftsführer des Branchennetzwerkes Silicon Saxony, Frank Bösenberg, auf dpa-Anfrage. Man blicke optimistisch in die Zukunft.
Teslas Ausbaupläne in Grünheide: Steht das Milliarden-Vorhaben vor dem Aus?
Das Tesla-Werk in Grünheide bei Berlin plant eine Produktionssteigerung von 50 Prozent, trotz der kürzlichen Entlassung von mehreren hundert Mitarbeitern. Die Begeisterung für Elektroautos in Deutschland hat in den letzten Monaten jedoch merklich abgenommen, was sich auch auf die Nachfrage auswirkt. Tesla steht daher vor schwierigen Herausforderungen in seiner einzigen europäischen Fabrik, die seit 2022 in Betrieb ist. Der geplante Ausbau der Produktionskapazitäten wurde vor über einem Jahr beantragt, doch aufgrund der aktuellen Marktlage bleibt der genaue Zeitplan unklar, wann und ob es losgeht.
„Wir gehen fest davon aus, dass der Markt wieder anziehen wird. Es ist sicherlich eine Frage, wie schnell und wann“, meinte Tesla-Werksleiter André Thierig noch im Sommer. Die Entscheidung, Milliarden in die Erweiterung zu investieren, hänge jedoch stark von der Nachfrage ab: „Wir werden nicht mehrere Milliarden für den Ausbau der Fabrik in die Hand nehmen, ohne dass die Signale ganz klar sind, dass das vom Markt auch abgefragt wird.“ Der Zeitplan bleibt daher flexibel – Thierig: „Wir können aufs Gas treten, wenn wir merken, dass wir es brauchen.“ Zurzeit sieht es jedoch nicht danach auf, dass ausgebaut wird.
Wolfspeed will im Südwesten Mega-Chipfabrik bauen: Doch vorerst tut sich wenig
Im Südwesten Deutschlands plant der US-Halbleiterhersteller Wolfspeed den Bau der weltweit größten Chipfabrik – ein Titel, den Infinion in Dresden für sich beansprucht –, die bis zu 1.000 Arbeitsplätze schaffen soll. Das milliardenschwere Projekt, an dem auch der baden-württembergische Autozulieferer ZF Friedrichshafen beteiligt ist, hat sich jedoch bereits mehrfach verzögert.
Ursprünglich war der Baustart für nächstes Jahr angesetzt, doch aktuelle Entwicklungen könnten dies weiter verzögern – ein genauer Zeitplan ist nicht bekannt. ZF rechnet nun erst 2026 mit einem Baubeginn. Wolfspeed, Marktführer in der Siliziumkarbid-Technologie, ist für den Bau der Anlage hauptverantwortlich, wobei ZF 170 Millionen Euro investiert. Ein Sprecher von ZF bestätigte gegenüber dem Handelsblatt, dass Wolfspeed die Hauptrolle im Projekt einnimmt, da die Fabrik in Ensdorf im Wesentlichen ein Wolfspeed-Vorhaben ist. Schwierigkeiten wie der Wunsch nach zusätzlichen staatlichen Subventionen haben im Vorfeld das Vorhaben ins Stocken gebracht.
Infineon: Größte Chip-Fabrik in Europa steht in Dresden
Der Halbleiterhersteller Infineon plant den Abbau von 1.400 Arbeitsplätzen und die Verlagerung weiterer 1.400 Stellen in kostengünstigere Länder. Diese Maßnahmen folgen auf die kürzlich veröffentlichten Quartalszahlen. Diese zeigen zwar einen langsamen Erholungstrend, doch trotz einer leichten Steigerung von Umsatz und Ergebnis im Vergleich zum Vorquartal liegen beide Kennzahlen deutlich unter dem Vorjahresniveau. Die geplanten Einsparungen sollen daher zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit beitragen. Infineon-Chef Jochen Hanebeck meinte, dass auch betriebsbedingte Kündigungen in Deutschland nicht ausgeschlossen seien, eine Entscheidung, die ein „schwerer Schritt“ gewesen sei, den das Management nicht leichtfertig getroffen habe. Doch was bedeutet das für das Mega-Projekt in Dresden?
Mit einer Investition von fünf Milliarden Euro errichtet das Unternehmen dort die größte Chipfabrik Europas, die ab Herbst 2026 in Betrieb gehen soll. Der Konzern erwartet, dass die Anlage zusätzliche jährliche Erlöse von rund fünf Milliarden Euro generieren könnte. Hanebeck sah in dem Werkszubau schon 2023 großes Potenzial: „Wir machen gemeinsam Tempo beim Ausbau unserer Fertigung, um von den Wachstumschancen zu profitieren, die uns die Megatrends Dekarbonisierung und Digitalisierung eröffnen“.
Im Mai 2024 wurde die letzte notwendige Baugenehmigung für das Projekt erteilt, das rund 1.000 qualifizierte Arbeitsplätze schaffen soll. Das komplette Werk in Dresden macht die Infineon-Chip-Fabrik zur größten in Europa. Bisher scheint der Sparstift das Baustellenprojekt in Dresden nicht zu gefährden.
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