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Wirtschaftsminister

„Menschenrechte opfern“: Habecks Lieferketten-Vorschlag unter Beschuss

Robert Habeck
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Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will das deutsche Lieferkettengesetz für einige Zeit aussetzen. (Archivbild)

Wirtschaftsminister Habeck will das deutsche Lieferkettengesetz für einige Zeit aussetzen, um deutsche Unternehmen zu entlasten. Allerdings kommt aus der SPD Gegenwind.

Berlin – Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat am Freitag (7. Juni) beim Tag der Familienunternehmen im Berliner Nobelhotel Adlon eine überraschende Ankündigung gemacht: Er deutete an, dass die Ampel erwäge, das deutsche Lieferkettengesetz für zwei Jahre auszusetzen, bis eine europäische Richtlinie greife.

Habeck will deutsches Lieferkettengesetz aussetzen

„Wir können das Gesetz jetzt – auch mit Blick auf das, was dann europäisch irgendwann national umgesetzt werden wird in zwei Jahren ungefähr – pausieren“, sagte Habeck demnach. Das Gesetz nimmt Unternehmen für Missstände in den Lieferketten in die Pflicht. Vor allem Umweltsünden und Zwangsarbeit sollen so verhindert werden.

Die Wirtschaft klagt aber über zu viel Bürokratie. Die FDP hat sich immer wieder gegen das Lieferkettengesetz eingesetzt, die SPD dagegen dafür. Habeck sagte, manche Unternehmen wollten die Vorgaben umsetzen und könnten dies weiterhin freiwillig tun. Man könnte aber die Verpflichtung für alle Firmen aussetzen. Das könnte ein „Befreiungsschlag“ sein.

Im Endeffekt hätten Firmen in Deutschland nach Habecks Vorschlag so noch einmal etwas Zeit, um sich auf die Vorgaben vorzubereiten. Denn nach dem deutschen Lieferkettengesetz folgt in absehbarer Zeit sowieso die europäische Richtlinie: Erst im Mai wurde das europäische Lieferkettengesetz endgültig beschlossen. Der Gesetzestext muss nur noch im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden, damit er in Kraft treten kann. Danach haben die EU-Staaten gut zwei Jahre Zeit, die neuen Regeln in nationales Recht umzusetzen.

Deutsche Unternehmen fürchten Wettbewerbsnachteile

Habeck folgt mit seinem Vorschlag einer Forderung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), das bestehende deutsche Lieferkettengesetz „umgehend“ auszusetzen. DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben erklärte Ende Mai: „Eine nationale Gesetzgebung aufrechtzuerhalten, während in fast allen anderen EU-Mitgliedstaaten eine derartige Regelung noch gar nicht existiert, schafft eindeutig Wettbewerbsnachteile für die deutsche Wirtschaft.“ Dabei geht es ihm um die Umsetzungsfristen: Die Mitgliedsländer haben ja nach Inkrafttreten der Richtlinie noch zwei Jahre Zeit, um ihre Gesetzgebung anzupassen. In Deutschland ist das wegen des deutschen Lieferkettengesetzes nicht so.

Die europäische Richtlinie ist dafür in einigen Punkten härter: EU-weit sind künftig Unternehmen mit mindestens 1000 Beschäftigten betroffen, die weltweit jährlich mindestens 450 Millionen Euro umsetzen. Die Firmen sind künftig verpflichtet, negative Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Menschenrechte und Umwelt auch in Drittländern zu ermitteln. Mögliche Folgen müssen sie laut Gesetzestext „verhindern, mildern, beenden und beheben“. Außerdem müssen sie die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards auch bei Lieferanten und Transportunternehmen überwachen.

Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen sowie Gewerkschaften begrüßten die Verabschiedung der Richtlinie und sprachen von einem „Paradigmenwechsel“. Das sei „eine gute Nachricht für alle, die unter ausbeuterischen Bedingungen in Lieferketten arbeiten“, erklärte die Initiative Lieferkettengesetz, der unter anderem Amnesty International und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) angehören.

„Menschenrechte opfern“: SPD gegen Habeck-Vorschlag

Ob Habeck nun aber seinen Vorschlag wirklich umsetzen kann, ist noch fraglich. Er sagte dazu laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Berlin, er könne das Moratorium „nicht wirklich versprechen“, weil daran viele Stellen beteiligt seien. Dazu gehört immerhin das Arbeits- und Sozialministerium von Hubertus Heil (SPD). „Aber ich glaube, ich kann zusagen, dass es beim Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz noch mal eine richtige Schneise geben wird. Wie breit sie ist, da muss ich noch um zwei, drei Wochen Geduld bitten“, sagte Habeck laut der Zeitung und erntete dafür Applaus.

Aus der SPD kam dagegen Unverständnis. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Rosemann, sagte am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters: „Will hier ernsthaft ein Spitzenpolitiker der Grünen die Menschenrechte opfern, um sich bei den Familienunternehmern anzubiedern? Ganz deutlich: Wir reden hier über den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und wir reden über die Ausbeutung von Kindern.“ Faire Lieferketten seien keine Belastung, sondern eine moralische Verpflichtung. „Wiederholt äußert sich der Wirtschaftsminister zu Themen, für die aus gutem Grund andere zuständig sind.“

Während innerhalb der Ampel-Koalition weite Teile der Grünen und die SPD das Lieferkettengesetz befürworten, ist die FDP aber seit langem dagegen. Der Mittelstandsexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Carl-Julius Cronenberg, begrüßte den Habeck-Vorstoß. Jetzt liege es am zuständigen Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) schnell zu handeln. „Mit der Aussetzung schaffen wir eine Atempause für den Mittelstand.“ Dies wäre in wirtschaftlich angespannten Zeiten überfällig. Mit Material von Reuters und der dpa

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