Steigende Insolvenzen
Die Pleitewelle rollt: Zahl der Insolvenzen steigt immer weiter
Das Statistische Bundesamt meldet einen starken Anstieg an Regelinsolvenzen im November. Hohe Zinsen und Energiekosten sowie Fachkräftemangel setzen Unternehmen unter Druck.
Berlin – Die herausfordernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aus hohen Zinsen und teurer Energie bedroht die Existenz viele Unternehmen. Die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen stieg im November um 18,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte.
DIHK: „Keinen Anlass zur Entwarnung“
„Seit Juni 2023 sind damit durchgängig zweistellige Zuwachsraten im Vorjahresvergleich zu beobachten“, hieß es dazu. Im Oktober war der Anstieg mit 22,4 Prozent noch kräftiger ausgefallen. Diese Verfahren fließen erst nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts in die Statistik ein, der tatsächliche Zeitpunkt des Insolvenzantrags liegt in vielen Fällen etwa drei Monate davor.
„Auch wenn sich der Anstieg zuletzt verlangsamt hat, gibt es keinen Anlass zur Entwarnung“, sagte der Mittelstandexperte der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Marc Evers. „Hohe Kosten für Energie, Zinsen, aber auch für Arbeitskräfte bei gleichzeitig schwacher Nachfrage und Fachkräftemangel bringen mehr und mehr Unternehmen in eine finanzielle Schieflage.“
Steigende Forderungen aufgrund von Großinsolvenzen
Von Januar bis September meldeten die Amtsgerichte 13.270 beantragte Unternehmensinsolvenzen. Das waren 24,7 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Forderungen der Gläubiger bezifferten die Amtsgerichte auf rund 21,1 Milliarden Euro. Das ist fast doppelt so viel wie in den ersten neun Monaten 2022 mit rund 10,8 Milliarden Euro. Grund dafür sind viele Großinsolvenzen, etwa im Handel mit Gerry Weber, Ahlers und Peek & Cloppenburg.
Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform rechnet im gesamten Jahr mit einem Anstieg der Firmenpleiten um 23,5 Prozent auf 18.100. Der Chefökonom Patrik-Ludwig Hantsch begründet den Anstieg so: „Immer mehr Firmen brechen unter den Dauerbelastungen der hohen Energiepreise und der Zinswende zusammen“.
Bezogen auf 10.000 Unternehmen gab es von Januar bis September 39,1 Insolvenzen. Die meisten Firmenpleiten entfielen auf den Wirtschaftsbereich Verkehr und Lagerei mit 79,5 Fällen. Dann folgten die sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen (zum Beispiel Zeitarbeitsfirmen) mit 63,8 Fällen. Die geringste Insolvenzhäufigkeit gab es mit 4,4 in der Energieversorgung.
Bei den Verbraucherinsolvenzen gab es in den ersten neun Monaten des Jahres nur einen kleinen Anstieg. Die Zahl legte um 0,2 Prozent auf 50.018 zu, so das Statistische Bundesamt.
Langfristiger Vergleich relativiert aktuelle Insolvenzzahlen
Die hohen prozentualen Zunahmen bei Insolvenzen lassen sich allerdings auch anhand der vergleichsweise niedrigen Insolvenzvorkommen aus den Pandemiejahren erklären. Während in 2021 und 2022 die Unternehmensinsolvenzen bei 13.993 und 14.950 lagen, betrug der durchschnittliche Wert zwischen 2010 und 2019 rund 24.300 Insolvenzen. Bei der Anzahl der Unternehmensinsolvenzen kann also nur von einem starken Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren die Rede sein. Experten sprachen dementsprechend in der Vergangenheit von einer „Normalisierung“.
Mit Material von Reuters
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