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Ab 1. Januar 2024

Mindestlohn soll auf 12,41 Euro steigen: Dabei sagt Ökonom, dass schon 13,50 Euro zu wenig wären

Der Mindestlohn soll von 12 Euro auf 12,41 Euro steigen. Viel zu wenig, sagen die Gewerkschaften. Ihnen springt Ökonom Marcel Fratzscher zur Seite. Er sagt: 14 Euro sollten es sein.

Berlin – Wenn zwei streitende Parteien sich einigen müssen, kommt in der Regel ein Kompromiss heraus. Doch dieses Mal gab es sogar einen Knall. Die Empfehlung wurde erstmals in der Geschichte der Mindestlohnkommission nicht im Einvernehmen getroffen. Die Arbeitnehmervertreter in der Kommission halten die Anhebung für zu niedrig, wurden überstimmt und erhoben schwere Vorwürfe gegen die Arbeitgeberseite. Während Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, über das ganze Gesicht strahlte, schaute Gewerkschaftsvertreter Stefan Körzell bedröppelt drein, als die Mindestlohnkommission ihren Vorschlag für eine Erhöhung vorstellte.

Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn in Deutschland soll zum 1. Januar 2024 von 12,00 auf 12,41 Euro und ein Jahr später auf 12,82 Euro angehoben werden. Diesen Vorschlag legte die zuständige Mindestlohnkommission, zu der Kampeter und Körzell gehören, am Montag in Berlin vor. Die Empfehlung wurde dieses Mal allerdings nicht im Einvernehmen getroffen. Die Arbeitnehmervertreter in der Kommission sind gegen diese in ihren Augen zu geringe Anhebung und wurden nach eigenen Angaben in der Kommission überstimmt.

Mindestlohn 13,50 Euro? „Das wäre angemessen“

Die Mindestlohnkommission habe gegen die Stimmen der Gewerkschaften einen absolut nicht zufriedenstellenden Beschluss gefasst, teilte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mit. Vorstandsmitglied Körzell sagte am Montag in Berlin: „Für eine Anpassung lediglich im Cent-Bereich konnten wir auf keinen Fall unsere Hand reichen.“ Mit dem Beschluss erlitten die fast sechs Millionen Mindestlohnbeschäftigten einen enormen Reallohnverlust. „Um einen Mindestschutz und einen Ausgleich der Inflation zu gewährleisten, hätte der Mindestlohn zumindest auf 13,50 Euro steigen müssen.“

Christiane Schönefeld, Vorsitzende der Mindestlohnkommission, steht zwischen Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (rechts) und Stefan Körzell, Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstands des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

Das ist eine Größe, die Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, gegenüber IPPEN.MEDIA ebenfalls forderte. Der Ökonom argumentierte, dass „13,50 Euro vollends angemessen wären und eher am unteren Ende einer Erhöhung liegt, die als angemessen gelten sollte“. Rund elf Millionen Menschen würden von einem Mindestlohn in dieser Höhe profitieren.

Inflation belastet vor allem Menschen mit niedrigen Einkommen

Immerhin lag die durchschnittliche Inflation im Jahr 2022 bei sieben Prozent. Zwar ist eine leichte Entspannung zu beobachten – im Mai fiel die Inflation mit 6,1 Prozent etwas geringer aus –, dennoch belasten die gestiegenen Preise viele Menschen. Allerdings müsse man hier differenzieren, weil Geringverdiener stärker litten, erklärt Fratzscher. „Für Menschen mit geringen Einkommen liegt die individuelle Inflation nochmals deutlich höher.“

Eine Erhöhung des Mindestlohns um 12,5 Prozent (auf 13,50 Euro) würde somit noch nicht einmal die Inflation von 2022 und 2023 ausgleichen. „Viele Menschen mit Mindestlohn würden trotzdem einen erheblichen Reallohnverlust erfahren“, so Fratzscher. „Wenn man den Tarifvertrag mit einer Lohnsteigerung von 16 Prozent für Geringverdiener*innen im öffentlichen Dienst als Grundlage nimmt, dann müsste der Mindestlohn auf 14 Euro steigen.“

Auf die gesamte Volkswirtschaft bezogen wäre Fratzscher nicht bange vor einem Mindestlohn von 14 Euro – im Gegenteil. „Das würde gesamtwirtschaftlich positive Effekte haben“, sagte der Wirtschaftsexperte. „Denn es würde die Kaufkraft vieler Menschen stützen und somit auch einen Nachfrageimpuls setzen und zum wirtschaftlichen Aufschwung beitragen.“

Bundesregierung muss 12,41 Euro Mindestlohn noch zustimmen

Fratzscher geht auch nicht davon aus, dass sich ein deutlich höherer Mindestlohn negativ auf die Beschäftigung auswirken würde – immerhin sei der Fachkräftemangel groß. „Ganz im Gegenteil, ein deutlich höherer Mindestlohn dürfte für manche einen Anreiz setzen, mehr zu arbeiten“, so Fratzscher. „Zudem würde ein deutlich höherer Mindestlohn helfen, den im internationalen Vergleich ungewöhnlich großen Niedriglohnbereich in Deutschland zu reduzieren, und somit auch den Sozialstaat entlasten.“

Die Positionen hätten sehr weit auseinander gelegen, sagte die Vorsitzende der Mindestlohnkommission, Christiane Schönefeld, bei der Pressekonferenz. Die Verhandlungen dauerten ihren Angaben nach bis in den frühen Montagmorgen.

Der Vorschlag der Mindestlohnkommission muss von der Bundesregierung noch per Verordnung verbindlich gemacht werden. Normalerweise ist das Formsache. Ob das angesichts dieses Abstimmungsergebnisses auch diesmal so ist, blieb zunächst unklar. (mit dpa)

Rubriklistenbild: © Michael Kappeler/dpa

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