Sanktionen kaum umsetzbar?
Heils Schein-Sanktionen: Hohe Hürden für Streichung der Bürgergeld-Bezüge
Arbeitsverweigerern kann das Bürgergeld komplett gestrichen werden. Die Hürden dazu sind laut einem Medien-Bericht jedoch hoch.
Nürnberg – Das Bürgergeld soll hilfsbedürftigen Menschen ein menschenwürdiges Existenzminimum sichern. Mittlerweile tobt jedoch die Debatte darüber, ob die Anforderungen an die Bezieher der Sozialleistung hoch genug sind. Niemand soll, so der Tenor, ohne eigenen Einsatz durchgefüttert werden. Wer arbeiten kann, soll das auch machen. Daran gibt es nun Zweifel – auch innerhalb der Bundesregierung. Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte das Bürgergeld als „bedingungsloses Grundeinkommen“ bezeichnet und ein härteres Vorgehen gefordert.
Dabei hatte die Bundesregierung weitere Möglichkeiten geschaffen, Totalverweigerer zu sanktionieren. Die Jobcenter können den Arbeitsverweigerern für bis zu zwei Monate den Regelsatz komplett streichen. Das ist seit dem 28. März möglich, wenn die Bezieher innerhalb von zwölf Monaten zweimal als zumutbar eingestufte Jobangebote ablehnen. Lediglich die Kosten für Wohnung und Heizung bleiben unangetastet.
Internes Papier zeigt Hürden für Bürgergeld-Streichung für Arbeitsverweigerer
Bei der Umsetzung der Bürgergeld-Sanktionen für die Totalverweigerer gibt es jedoch weitere Hürden. Das geht zumindest aus einer internen Weisung der Bundesagentur für Arbeit hervor, die die Bild-Zeitung veröffentlicht hat. Die Umsetzung der Bürgergeld-Streichung sei kaum umsetzbar.
Zusätzlich zu den zwei abgelehnten zumutbaren Jobangeboten komme die Bürgergeld-Streichung demnach nur bei Personen infrage, die innerhalb der vergangenen zwölf Monate eine Pflichtverletzung begangen haben und ihnen bereits die Leistung gekürzt worden sei, berichtet Bild unter Berufung auf das interne Dokument. Eine Pflichtverletzung ist etwa die grundlose Beendigung des Jobs.
Bürgergeld-Streichung bei Verweigerung eines Ausbildungsplatzes nicht möglich – laut Bild-Bericht
Zusätzlich müssten sich die Betroffenen ohne wichtigen Grund „willentlich weigern, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen“. Als Beispiele nennt die Bild, die Ablehnung eines „konkreten Arbeitsvertrages“. Dazu müsse es sich um ein konkretes Arbeitsangebot handeln. Die Verweigerung eines Ausbildungsplatzes und einer geförderten Arbeit sowie die Verweigerung, sich zu bewerben oder ein Vorstellungsgespräch wahrzunehmen, gehörten nicht dazu. Zudem müssen die Bürgergeld-Empfänger über die Folgen belehrt werden. Wenn sie nicht im Jobcenter erscheinen, sollten die Mitarbeiter sie persönlich zuhause aufzusuchen und beraten.
Die Bundesagentur für Arbeit verweist auf Nachfrage von IPPEN.MEDIA, dass die fachlichen Weisungen mit dem Bundesarbeitsministerium und auch den Ländern abgestimmt würden. Die Arbeitsagentur setze dadurch lediglich den politischen Willen um. Sanktionen wegen Arbeitsverweigerung seien „eher selten“. Im Jahr 2023 waren es knapp 14.000 Fälle. „Das sind weniger als sieben Prozent aller Minderungen“, erklärt die Bundesagentur.
Helena Steinhaus zweifelt Wirkung der Bürgergeld-Sanktionen bei Integration in den Arbeitsmarkt an
Helena Steinhaus vom Verein Sanktionsfrei kritisiert die Totalsanktionen als „Drohkulisse“ für Bürgergeld-Bezieher und prekär Beschäftigten. „Obwohl die Gruppe, die von diesen Sanktionen direkt betroffen sein wird, relativ klein ist, sind die Totalsanktionen das Damoklesschwert über den Köpfen von Millionen Menschen in Bürgergeld und im Niedriglohnsektor“, erklärte Steinhaus gegenüber IPPEN.MEDIA.
Es gebe keinerlei empirische Belege dafür, dass Sanktionen bei der Integration in den Arbeitsmarkt helfen. „Das Gegenteil ist der Falll“, sagt Steinhaus. „Wir führen hier eine Scheindebatte über ein Randphänomen auf dem Rücken der Schwächsten.“ (ms)
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