„Nächste Welle der KI“
Helfer im Ruhestand: „Länger selbstbestimmt zu Hause leben“ dank KI-Robotern
Können KI-Roboter die Pflegekrise in Deutschland lösen? Studien deuten darauf hin – aber was sind die Grenzen?
München – Der Mangel an Pflegekräften steht im scharfen Gegensatz zur wachsenden Zahl pflegebedürftiger Menschen und führt in Deutschland zu einem gravierenden Pflegenotstand. Wie die Initiative „Pflegenot Deutschland“ aufzeigt, fehlen aktuell über 150.000 Fachkräfte in der Altenpflege, um eine angemessene Betreuung gewährleisten zu können. Das sind keine Neuigkeiten – doch gibt es inzwischen vielversprechende Ansätze, um Pflegekräfte zu entlasten. Die Rede ist von humanoiden Robotern, die aufgrund der rasanten Weiterentwicklung von Künstlicher Intelligenz bereits in naher Zukunft eine reelle Hilfe im Haushalt und in der Pflege darstellen könnten.
Roboter sind „die nächste Welle der KI“ – welche Rolle sie beim demografischen Wandel spielen können
Durch den demografischen Wandel und einen veränderten Lebensstil vieler Menschen sind ältere Personen immer häufiger auf sich allein gestellt. Ihre Familienmitglieder sind berufstätig, wohnen zu weit weg oder fühlen sich schlicht weniger verantwortlich für ihre alternden Verwandten. Aus dem Grund brauchen immer mehr ältere – auch gesunde – Menschen Unterstützung von Pflegepersonal im Alltag, das ihnen Essen bringt, sie an Medikamenteneinnahmen erinnert oder Rehaübungen mit ihnen durchführt.
An dieser Stelle könnte in Zukunft ein KI-basierter Roboter ins Spiel kommen. „Die nächste Welle der KI ist die Robotik und eine der aufregendsten Entwicklungen sind humanoide Roboter“, statuiert Jensen Huang, CEO von Nvidia, in einer Unternehmensmitteilung. Geforscht wird dazu auch in Deutschland.
Forschung in Garmisch-Partenkirchen: „Garmi“ als Flaggschiff humanoider Roboter
Im bayrischen Garmisch-Partenkirchen entsteht aktuell sogar ein ganzer Campus, der sich mit diesem Thema beschäftigt. Die Technische Universität München (TUM) möchte mit der Gründung des Munich Institute of Robotics and Machine Intelligence (MIRMI) und in Zusammenarbeit mit einigen Partnern herausfinden, „inwieweit Roboter eine gute Hilfe im Alltag sein können“, so heißt es auf der Projekt-Website „Geriatronik“.
Im Zuge dessen ist am Standort Garmisch-Partenkirchen das Flaggschiff dieser Forschung, „Garmi“, entstanden. Dabei handelt es sich um einen etwa menschengroßen humanoiden Serviceroboter, der Wasser und Tee servieren, sich mit behandelnden Ärzten vernetzen und Trainingseinheiten mit den Patienten durchführen kann. Da der Campus auch mit einem Pflegezentrum und betreutem Wohnen ausgestattet ist, kann „Garmi“ in Pilotwohnungen bereits getestet werden.
KI-Roboter für zu Hause: Könnten Pflegekräfte und Familienangehörige entlasten
Dr. Martina Kohlhuber, Wissenschaftliche Leiterin des Campus in Garmisch-Partenkirchen, erklärt gegenüber IPPEN.MEDIA: „Roboter können viele Aufgaben erledigen, zu denen ältere oder pflegebedürftige Menschen nicht mehr in der Lage sind“, und fügt hinzu: „Damit können Menschen perspektivisch länger selbstbestimmt zu Hause leben und gleichzeitig besser am sozialen Leben teilhaben. Auch Pflegekräfte und Angehörige werden entlastet.“
Zu den Aufgaben gehörten demzufolge unter anderem Hol- und Bringdienste, Erinnerungen an Medikamenteneinnahmen, die Kommunikation und Interaktion mit Familie, Freunden und Ärzten sowie telemedizinische Untersuchungen und Rehabilitation mit „Garmi“. Der Roboter könne Rehaübungen viel häufiger mit Patientinnen und Patienten durchführen und spare so Zeit für Pflegepersonal und Physiotherapeuten; außerdem werde auf diese Weise wahrscheinlich auch die Heilung beschleunigt, erklärt Kohlhuber.
Was KI-basierte humanoide Service-Roboter nicht können
Natürlich haben die Fähigkeiten eines humanoiden KI-Roboters aber auch ihre Grenzen: „Je körpernäher die Tätigkeiten, desto schwieriger sind sie für einen Roboter umzusetzen“, so die Leiterin. Direktes Waschen und Körperpflege sei (noch) nicht möglich. „Allerdings kann ein Roboter hier eine Pflegekraft unterstützen, indem er z.B. Materialien bringt, damit die Pflegekraft mehr Zeit für Patienten bzw. Bewohner hat“, lenkt Kohlhuber ein.
Die Reaktionen auf solche Roboter seien individuell, doch sind „viele ältere Menschen sehr neugierig und aufgeschlossen gegenüber Robotern. Sie sehen oft das Potential dieser Systeme“, erklärt die Wissenschaftlerin. Gleichzeitig seien sie ein „Teil der möglichen Lösung des Pflegenotstands. Es geht uns nicht darum, Pflegekräfte durch Garmi zu ersetzen, sondern ihnen die bestmögliche Unterstützung zu bieten“. Erklärtes Ziel sei es, die Pflege damit wieder attraktiver zu gestalten, sodass mehr Zeit für die Zuwendung am Patienten bleibe.
Elon Musk arbeitet ebenfalls an KI-Roboter „Optimus Bot“
Natürlich arbeiten nicht nur deutsche Forschungszentren an der Entwicklung von KI-Robotern. Auch Tesla-CEO Elon Musk stellte auf der Tesla-Hauptversammlung im Juni 2024 erneut den firmeneigenen humanoiden Roboter „Optimus Bot“ vor, den er zukünftig als wichtigstes Produkt des Unternehmens einschätzt.
Darüber hinaus entwickelt das kalifornische Robotikunternehmen „Figure“ den humanoiden KI-Roboter „Figure 02“, der Forbes zufolge vom Gründer Brett Adcock als zukünftiger Heimbutler anvisiert wird. Dieser kann etwa 20 Kilogramm heben, 20 Stunden lang arbeiten, bevor er wieder aufgeladen werden muss und verfügt über Funktionen für natürliche Sprache – könnte also auch als freundlicher und kommunikativer Cyber-Begleiter herhalten.
Bis ein Roboter wie Garmi wirklich auf den Markt kommen wird, wird es noch einige Jahre dauern, da ethische und Sicherheitsaspekte sowie Regularien zu beachten sind und auch die Finanzierung durch Kranken- bzw. Pflegekassen geklärt werden muss.
Aktuell verkörpert ein humanoider KI-Roboter – allein schon wegen des immensen Kostenaufwandes von 30.000 bis 150.000 US-Dollar pro Roboter – wohl noch keine reelle Unterstützung des durchschnittlichen Rentners in Deutschland. Doch wer weiß: Unter Umständen investiert in einigen Jahren so mancher Senior lieber in einen hilfreichen und immer freundlichen Service-Roboter als in die eigenen Kinder und Enkel.