Energiemärkte im Fokus
Gas, Strom und Heizöl: Weshalb einkaufen sich jetzt lohnen kann
Die Preise für Gas, Strom und Öl haben sich auf stabilem Niveau eingependelt. Welche Chancen Verbraucher gerade haben – und welche Risiken sie kennen müssen. Die Energiemärkte im Fokus.
München – Europa hat den Winter gut gemeistert, der Abwärtstrend bei den Preisen für Gas, Strom und Öl ist aber erst mal vorbei. Für Verbraucher kann das ein Zeichen sein, sich vorzubereiten: Denn der nächste Winter dürfte noch anspruchsvoller werden.
Gas und Strom
Das Abwärtspotenzial am Gasmarkt scheint vorerst ausgereizt zu sein: Heuer kostete die Megawattstunde nur an zwei Tagen weniger als 40 Euro – derzeit sind es 42. Das entspricht – wie in diesem Format berichtet – den Erwartungen. Derzeit gilt ein Niveau von 30 bis 40 Euro als technische Untergrenze am Gasmarkt. Das sind die Logistikkosten für Flüssiggas, das die russischen Pipeline-Lieferungen ersetzt.
Derzeit sind die Marktbedingungen also günstig, wie Thomas Peiß, Rohstoff-Analyst der BayernLB, berichtet: „Die Speicher sind aktuell noch fast zu zwei Dritteln gefüllt, damit sind wir gut für den kommenden Winter gerüstet.“ Grund zum Aufatmen sei das nicht: „Wir müssen aber ohne russisches Gas auskommen und den Ersatz teurer beschaffen – der kommende Winter wird also herausfordernder als der letzte“, warnt Peiß.
Denn: „Wir haben zwei große Fragen für den Winter: Wie kalt er wird und ob Frankreich endlich die Probleme mit seinen Atomkraftwerken in den Griff bekommt.“ Die Chancen: „Bisher sieht es nicht danach aus, kürzlich wurden wieder neue Risse gefunden.“
Das könnte für Deutschland zum Problem werden: „Weil wir bisher weder die Speicher noch die Netze haben, um Dunkelflauten, wo weder der Wind weht, noch die Sonne scheint, überbrücken zu können, war Frankreich bisher ein beliebter Lieferant für den Winter“, so Peiß. Denn: „In Frankreich wird rund 70 Prozent des Stroms mit AKW erzeugt, in Deutschland 50 Prozent aus Erneuerbaren.“
Doch gerade im Krisenjahr fiel Frankreich als Lieferant komplett aus: „2022 war es umgekehrt: Weil ein Großteil der französischen AKW wegen Baumängeln ausgefallen ist, musste Deutschland Strom exportieren.“ Die Folge: In Deutschland wurde mehr Gas verstromt.
Mit der Abschaltung der letzten drei deutschen AKW – rund fünf Prozent der deutschen Stromerzeugung – müssen wahrscheinlich etwas mehr Kohle- und Gaskapazitäten ans Netz, was laut Peiß tendenziell eine preistreibende Wirkung hätte. In Energiewirtschaftskreisen erwartet man jedoch keinen spürbaren Effekt, Gas ist demnach das mit großem Abstand preisbestimmende Thema beim Strom.
Außerhalb Europas komme es heuer darauf an, wie stark Ostasien nachfragt: „Die große Frage ist China: Wenn die Wirtschaft dort wieder anspringt, werden die Chinesen mehr LNG am Kurzfrist-Markt kaufen – wo Deutschland auch noch einkauft.“ Bisher stehen die Zeichen auf Wachstum: „Im Vorjahr hatte China drei Prozent Wachstum, unsere Volkswirte erwarten für dieses Jahr 5,3.“
Entscheidend ist jedoch, wie viel Gas China bereits bestellt hat: „Über die Anzahl der Langfrist-Verträge, die Chinesen schon abgeschlossen hat – was dann die LNG-Spotmarktnachfrage entlasten würde – gibt es unterschiedliche Aussagen.“
Dass Russland die Nachfrage bedienen könnte, gilt als unwahrscheinlich: „Russland kann wegen der Sanktionen in Europa nicht annährend die Mengen Gas auf den Markt bringen, die sie früher nach Europa geliefert haben“, so Thomas Peiß.
Denn: „Beim LNG-Export ist Russland einigermaßen erfolgreich, aber sie bekommen bislang nicht genug Schiffe, um die Pipelines zu ersetzen.“ Für die Pipelines nach China fehlt es aber an Geld: „Putin braucht 100 Milliarden Dollar für die geplante Sibiria 2 Pipeline.“ Doch die russische Wirtschaft ist wegen des Kriegs schwerst defizitär. „Putin hat kürzlich versucht, sich in China die Finanzierung für eine neue Pipeline durch Sibirien zu sichern – aber die Chinesen sind zurückhaltend, weil sie es sich nicht mit Europa verscherzen wollen.“
Tipp für Verbraucher
Durch die LNG-Importe ist das Abwärtspotenzial aktuell relativ begrenzt, den Expertenmeinungen nach sind die Risiken größer als die Chancen. Rein technisch könnte Gas am Großmarkt heuer noch rund 25 Prozent günstiger werden, für einen deutlichen Preisnachlass müsste aber die Weltwirtschaft schwächeln. Nach oben halten mehrere Experten einen im Winter einen Aufschlag von 100 Prozent für möglich, die Unbekannten sind das Wetter und die wirtschaftliche Erholung in China.
Seit Anfang April pendeln die günstigsten Gastarife zwischen 10,1 und 10,6 Cent pro Kilowattstunde, beim Strom sind es zwischen 32,9 und 33,9 Cent. Wichtig: Wer sich absichern will, sollte einen Vertrag mit Preisbindung erwägen. Kommendes Frühjahr könnten sich die Bedingungen wieder ändern. Auch wichtig: Anfang 2022 sind einige Billiganbieter in die Insolvenz gerutscht, weil sie ungedeckte Tarife verkauft hatten. Ein etwas teurerer, aber solider Anbieter kann sein Geld also durchaus wert sein.
Heizöl
Die Ölmärkte haben den Förderschock gut verdaut. Ende März hatten mehrere Opec+-Länder angekündigt, die weltweite Fördermenge ab Mai um 1,6 Prozent zu drosseln. Experten sehen darin ein Manöver, um die zuletzt stark gefallenen Rohölpreise zu kontern (wir berichteten). Aufgrund von Rezessionsängsten waren die Rohölpreise auf 70 Dollar pro Fass gefallen. Aktuell sind es wieder rund 85 Dollar, ein Niveau, mit dem die Opec+ zufrieden ist, so DZ-Bank-Analyst Sören Hettler. Für Verbraucher dürfte sich zunächst nicht viel ändern, dieses Niveau hält sich seit Jahresbeginn stabil.
Die Bedingungen haben sich sogar kurzfristig verbessert: Laut dem Informationsdienst Insights Global sind die Gasöllagerbestände das erste Mal seit fünf Wochen wieder gestiegen, auch wurde mehr Heizöl gebunkert. Gasöl ist ein Vorprodukt für Diesel und Heizöl. Derzeit werden über Drittländer noch große Mengen aus Russland angeliefert, zum Mai verbietet ein EU-Embargo den Import.
Mit dem Ende der russischen Lieferungen ab Mai dürften die Preise jedoch wieder steigen. Fährt zudem die Industrie in Ostasien wieder hoch, erwarten die DZ-Bank-Analysten bis Juli 95 Dollar pro Fass und bis Oktober 100.
Tipp für Verbraucher
Gerade mit Blick auf die Rohölförderkürzung und die auslaufenden Gasöllieferungen aus Russland sind spätestens ab Mai steigende Preise zu erwarten. Damit sie fallen, müsste sich die Weltwirtschaft deutlich abkühlen. Entwickelt sich die Konjunktur wie erwartet, sollten Verbraucher ihre Öl-Tanks rechtzeitig füllen. Seit Anfang April ist Heizöl in München zwischen 100 und 102 Cent pro Liter brutto erhältlich, so die Daten des Vergleichsportals Heizoel24.de. Teilweise variieren die Preise von Tag zu Tag.
Die Preise für Sprit sind in Deutschland wieder angezogen. Experten erläutern die Lage - und die Besonderheit bei Diesel.
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