Ukraine-Krieg
China fürchtet „krachende Niederlage“ Putins – nutzt Handel mit Russland aber für sich selbst
Noch übt China eine gewisse Zurückhaltung in den Handelsbeziehungen mit Russland. Für den Erfolg der westlichen Sanktionen ist das von entscheidender Bedeutung.
München – Im Ukraine-Krieg steht China noch immer auf der Seite des Aggressors. Peking hält engen Kontakt zum Kreml, bezeichnet Russland regelmäßig als engen Freund und weigert sich bis heute, Putins Angriffskrieg zu verurteilen. Gleichzeitig bringt sich China als Friedensstifter ins Gespräch, pocht auf eine diplomatische Lösung, unternimmt selbst aber nur halbherzige Vermittlungsversuche. Überhaupt ist völlig offen, wie aus chinesischer Sicht ein Frieden aussehen könnte – den ukrainischen Forderungen, dass die russischen Truppen sämtliche besetzten Gebiete verlassen müssen, will sich Peking jedenfalls nicht anschließen.
Dennoch ist China einer der Schlüsselakteure in diesem Konflikt, weil kein anderes Land einen derart großen Einfluss auf Russland hat wie die Volksrepublik. „China ist selbstverständlich an einem Ende des Kriegs interessiert“, sagte unlängst die Asien-Analystin Saskia Hieber im Interview mit dem Münchner Merkur. Gleichzeitig fürchte sich Peking aber vor einer „krachenden Niederlage“ der Russen, denn: „Ein politisch und wirtschaftlich geschwächter, destabilisierter und geächteter Nachbar ist kein guter Nachbar.“
Und in der Tat tut China einiges dafür, die russische Wirtschaft am Laufen zu halten. So kletterte der Handel zwischen beiden Ländern in den ersten fünf Monaten dieses Jahres auf knapp 94 Milliarden US-Dollar – ein Plus von fast 41 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Bereits 2022 war China mit einem Volumen von 188 Mrd. US-Dollar der wichtigste Handelspartner Russlands; der Handel zwischen beiden Ländern wuchs laut einer Untersuchung der US-Denkfabrik Atlantic Council um immerhin gut 27 Prozent im Vergleich zu 2021.
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China übt im Handel mit Russland „eine gewisse Zurückhaltung“
Allerdings ist China bei weitem nicht das einzige Land, das noch immer fleißig Handel mit Moskau treibt. So wuchs das Volumen des Russland-Handels 2022 etwa bei Ländern wie Bulgarien (plus 68 Prozent), Griechenland (104 Prozent) oder Spitzenreiter Indien (243 Prozent) deutlich stärker als im Falle Chinas. Außerdem entsprach das Handelsvolumen mit Russland im vergangenen Jahr lediglich 0,01 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts – bei der Türkei beispielsweise war es achtmal so viel.
„Es gibt tatsächlich Anzeichen dafür, dass China bei seinem wirtschaftlichen Engagement gegenüber Russland eine gewisse Zurückhaltung übt“, heißt es in der Studie des Atlantic Council. So habe es 2022 kaum chinesische Investitionen in Russland gegeben, und Staatsunternehmen seien ausdrücklich angewiesen worden, bestehende Investitionspläne zu stoppen.
„Die von China geleistete Unterstützung entspricht oft bei weitem nicht dem russischen Kriegsbedarf“, schreiben die Studienautoren Josh Lipsky und Niels Graham weiter. „Chinesische Unternehmen haben größtenteils nur einfache Mobiltelefone, Transportausrüstung und Computer nach Moskau geschickt, nicht aber die fortschrittlichere Technologie, die Russland fehlt.“ Eine Ausnahme allerdings gibt es: Laut einem Bericht der New York Times wurden in den ersten zwölf Monate nach Kriegsausbruch chinesische Drohnen im Wert von mehr als zwölf Millionen US-Dollar nach Russland geliefert.
China kauft etwas mehr Öl und Gas aus Russland als noch vor dem Ukraine-Krieg
Ähnlich aufmerksam wie Waffengeschäfte werden seit Kriegsbeginn auch die russischen Energieausfuhren beäugt. Auch hier hält sich China offenbar zurück und hat 2022 kaum mehr Öl und Gas aus Russland importiert als noch im Vorkriegs-Jahr 2021. Das geht aus einer neuen Untersuchung des Schwedischen Instituts für Internationale Politik hervor. Der Anteil von russischem Öl und Gas an Chinas Gesamtimporten dieser Produkte stieg im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr wertmäßig von 14 Prozent auf 16 Prozent, heißt es in der Studie. In den ersten vier Monaten dieses Jahres stieg der Anteil leicht auf 16,9 Prozent.
„Diese vorsichtige Haltung ist wahrscheinlich auf drei Faktoren zurückzuführen“, schreibt der Studienautor Henrik Wachtmeister: „die Androhung westlicher Sanktionen, Chinas Strategie der Energiediversifizierung und seine Fähigkeit, eine abwartende Haltung einzunehmen.“ Zwar halte sich China nicht an den Preisdeckel für russisches Öl, den der Westen beschlossen hat. Allerdings umgehe China diese Maßnahmen „nur über Dritte oder über einheimische unabhängige Unternehmen“. Auch habe Peking seine staatliche Tankerflotte bislang nicht für den Transport von russischem Öl zur Verfügung gestellt – was die durch den Preisdeckel entstehenden Einnahmeausfälle Moskaus „im Alleingang ausgleichen“ könnte, wie Wachtmeister schreibt.
Russland will neue Pipeline nach China – Peking spielt auf Zeit
Dass es im Handel mit China nicht so läuft, wie man es sich im Kreml wünscht, zeigt sich auch bei einem umstrittenen Pipeline-Projekt. Während des Moskau-Besuchs von Xi Jinping im vergangenen März hatte Russlands Präsident Wladimir Putin darauf gedrängt, den Bau der Pipeline „Power of Siberia 2“ voranzutreiben – allerdings ohne Erfolg. Auch der russische Präsident Michail Mischustin soll unlängst in Peking die Forderungen des Kreml wiederholt haben, ebenfalls ohne Ergebnis. Peking sucht stattdessen nach Alternativen. So soll etwa ein Pipeline-Projekt mit dem zentralasiatischen Turkmenistan beschleunigt werden, wie die Nachrichtenagentur Reuters vor einigen Tagen berichtete.
Peking spiele im Umgang mit Russland auf Zeit, glauben Lipsky und Graham vom Atlantic Council: „China hofft, Russlands Unfähigkeit, Gas in den Westen zu exportieren, ausnutzen zu können, um sich den bestmöglichen Preis zu sichern.“
Für Henrik Wachtmeister vom Schwedischen Institut für Internationale Politik ist die chinesische Energiepolitik ein entscheidender Faktor im Ukraine-Krieg. „Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine befinden sich die russisch-chinesischen Energiebeziehungen an einem kritischen Punkt. Ihre künftige Entwicklung ist von grundlegender Bedeutung für den Erfolg oder Misserfolg der europäischen Versuche, die russische Wirtschaft durch Energiesanktionen zu schwächen.“
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