„Von Konjunkturerholung nichts zu sehen“
„Fühlt sich an wie eine Rezession“: Industrieaufträge erleben drastischen Rückgang
Dämpfer für die Industrie: Nach zwei Monaten positiver Entwicklung zeigte sich die Auftragslage im August schwach und nahm deutlich ab. Wirtschaftsexperten äußern ihre Besorgnis.
München – Es ist die nächste wenig erfreuliche Nachricht für die deutsche Wirtschaft: Dem Statistischen Bundesamt in Wiesbaden zufolge hat der Industriesektor im August ein Auftragsminus von insgesamt 5,8 Prozent im Vergleich zum Vormonat verzeichnet. Auch die Schlüsselbranchen Automobil, Chemie und Maschinenbau seien vom Rückgang der Aufträge betroffen. Beobachter gehen von einem weiteren Warnzeichen für die Industriekonjunktur aus.
Auftragsrückgang der Industrie zeigt sich besonders an Bestellungen aus dem Inland
Damit sanken die Industrieaufträge im August insgesamt so stark wie seit Januar nicht mehr. Und das, obwohl sie im Sommer in den beiden Monaten zuvor angestiegen waren – im Juni und Juli um jeweils 3,9 Prozent im Vormonatsvergleich. Der Auftragsrückgang widerspricht damit auch Experten: Sie hatten für August zunächst nur mit einem Rückgang von 2,0 Prozent gerechnet.
Insbesondere die Aufträge aus dem Inland gingen im August stark zurück und brachen um 10,9 Prozent ein. Sichtbar wird das Auftragsminus jedoch auch bei ausländischen Aufträgen: Sie gingen im Vormonatsvergleich um 2,2 Prozent zurück. Auch sank die Anzahl an Neugeschäften mit Ländern der Euro-Zone mit 10,5 Prozent deutlich. Neugeschäfte deutscher Industrieunternehmen mit Partnern außerhalb der Euro-Zone legten dagegen um 3,4 Prozent zu.
Von der niedrigen Auftragslage der deutschen Industrie betroffen zeigte sich auch der Experte der Landesbank Baden-Württemberg, Jens-Oliver Niklasch: „Die Frühindikatoren fallen, die Prognosen sinken, die schlechten Nachrichten reißen nicht ab. Alles fühlt sich an wie eine Rezession“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
„Schlüsselbereiche der deutschen Industrie sind alle massiv von der Schwächephase betroffen“
Sebastian Dulien, wissenschaftlicher Direktor des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts, sieht im aktuellen Auftragsminus ein Krisensignal für den gesamten deutschen Wirtschaftssektor. „Die drei wesentlichen Schlüsselbereiche der deutschen Industrie sind alle massiv von der Schwächephase betroffen: der Automobilbau, der Maschinenbau und die Chemie.“
Die kriselnde deutsche Autoindustrie musste im ersten Halbjahr 2024 gar ein nominales (also nicht um Preiseffekte bereinigtes) Umsatzminus von 4,7 Prozent einstecken. Die Branche (exklusive Zulieferindustrie) erwirtschaftete laut Statistischem Bundesamt rund 269,5 Milliarden Euro.
Im ersten Halbjahr 2023 hatte es noch einen Rekordumsatz von nominal 282,6 Milliarden Euro gegeben – auch wegen gestiegener Marktpreise. Vom Erlösrückgang waren dabei alle Bereiche der Autoindustrie betroffen. Volkswagen reagierte unter anderem mit Sparmaßnahmen und Stellenstreichungen, auch BMW und Mercedes-Benz verzeichneten Umsatzrückgänge.
„Von der ersehnten Konjunkturerholung ist weit und breit nichts zu sehen“
Für das laufende Jahr prognostiziert das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) dem deutschen Bruttoinlandsprodukt eine Stagnation. Für das Wirtschaftsjahr 2025 rechnen seine Experten nach aktuellem Stand dann wieder mit einer leichten Erholung des BIP in Form eines Wachstums von 0,7 Prozent. „Von der ersehnten Konjunkturerholung ist weit und breit nichts zu sehen“, kommentierte Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer die aktuelle Talfahrt des industriellen Wirtschaftssektors dagegen äußerst kritisch.
Am Sonntag (6. Oktober) war bereits bekannt geworden, dass das Wirtschaftsministerium um Robert Habeck (Grüne) seine Konjunkturprognose für 2024 senkt – und für das laufende Jahr mit einem Minus von 0,2 Prozent rechnet. Zuvor hatten bereits die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Prognosen für die deutsche Konjunktur im Wirtschaftsjahr 2024 auf 0,1 Prozent reduziert. Die globale Wirtschaft dagegen soll in diesem Jahr um mehr als drei Prozent wachsen. (fh)
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