Interaktive Karte
Zehntausende Ausbildungsplätze unbesetzt: Hier ist die Lage besonders dramatisch
Deutschland kämpft mit dem größten Azubi-Mangel seit 30 Jahren. Zuletzt wurde jede achte Stelle nicht besetzt. Unsere Karte zeigt, wo Nachwuchs besonders knapp ist – und in welchen Berufen.
Berlin – In mehr als 74.000 Fällen ist es deutschen Betrieben im vergangenen Jahr nicht gelungen, einen Auszubildenden zu finden. Ein regionaler Brennpunkt ist dabei Bayern: Im Bezirk Regensburg beispielsweise fehlen mit fast 1500 Azubis so viele wie nirgendwo sonst. Dort blieb jeder vierte Ausbildungsplatz frei. Doch nicht nur in Bayern zeigt sich der Engpass. Wir haben Zehntausende Daten ausgewertet. Je kritischer die Lage, desto dunkler ist der Bezirk auf unserer Karte eingefärbt.
Brandenburg hat von allen Bundesländern die größten Nachwuchssorgen. Von jeweils 100 Ausbildungsplätzen bleiben jeweils rund 21 frei. Und bei den Flächenländern steht Niedersachsen mit einer Lücke von rund neun Auszubildenden noch am besten da. Woher diese Unterschiede kommen? Darauf hat selbst das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) auf Nachfrage von IPPEN.MEDIA keine eindeutige Antwort. Jeder einzelne Bezirk habe seine eigenen Gründe.
Trotz der insgesamt noch passablen Situation klaffen auch in Niedersachsen nennenswerte Lücken – beispielsweise im Bezirk Oldenburg-Wilhelmshaven. Dieser muss etwa auf die Ausbildung von gleich 54 Gärtnern verzichten. Die Branche mit dem grünen Daumen ist in Niedersachsen eigentlich ein Riesengeschäft mit zwei Milliarden Umsatz.
Handel und Handwerk suchen händeringend Azubis
Doch welche Branchen sind am stärksten betroffen? Wegen bevorstehender Renteneintritte hatte der Einzelhandel besonders viele Ausbildungsstellen ausgeschrieben. Doch mit überschaubarem Erfolg: Kaufleute sind in zwei von drei Bezirken der Mangelberuf Nummer eins. Dahinter folgt mit Verkäufern ein weiterer Handelsberuf.
Auch das Handwerk hat große Nachwuchssorgen: In seltenen Berufen wie dem Spielzeugmacher haben sich zum Teil überhaupt keine Auszubildenden finden lassen. Kritisch ist die Lage auch im Baugewerbe, wo mehr als ein Drittel der Lehrstellen für Beton- und Stahlbauer frei geblieben ist. Die Folge unter anderem: dringend benötigter Wohnraum fehlt.
Ausbildung oder Studium: Stimmen Sie mit ab
Überalterung und Pandemie stürzten Firmen in Personalkrise
Nicht erst seit diesem Ausbildungsjahrgang ist die Lage derart kritisch. Mehr Bewerber als Stellen gab es zuletzt 2015. Mit Corona hat sich die Situation weiter verschärft. Zwar ist auch das Angebot an Ausbildungsstellen zwischen 2019 und 2023 zurückgegangen. Die Zahl der Bewerber ist jedoch stärker geschrumpft. Ein möglicher Grund: Während Corona hatten Schüler weniger Berührungspunkte mit Unternehmen – etwa durch Praktika.
Die Alterung der Gesellschaft als Hauptursache für den Azubi-Notstand gilt weithin als Konsens. Als eine mögliche Lösung schlagen die Bildungsexperten die Anwerbung von Nachwuchskräften aus dem Ausland vor. Wie schwierig dies in der Praxis sein kann, zeigte sich jedoch im vergangenen Jahr beispielhaft bei einem oberbayerischen Bäckermeister. Er ließ zwei Auszubildende aus Vietnam einfliegen. Doch beide haben ihre Lehre abgebrochen. Als Ausweg bleiben der Bäckerei nur verkürzte Öffnungszeiten.
Unsere Daten, Quellen, Methoden
Wir haben mehr als 50.000 Datenreihen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) zum Stichtag 30. September 2023 ausgewertet. Ein Teil der Statistik stammt von der Bundesagentur für Arbeit. Absolute Zahlen hat das BIBB auf ein Vielfaches von drei gerundet. Der Datensatz umfasst Berufe nach Berufsbildungsgesetz, Handwerksordnung sowie Schiffsmechaniker. Ausbildungen in der Pflege, Beamtenausbildungen und schulische Ausbildungen hat das BIBB nicht erfasst. Die Arbeitsagenturbezirke stammen vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (Stand 2022) sowie dem BIBB. Wir haben die Bezirke an den Stand 2023 angepasst. Zusätzlich haben wir Daten des Statistischen Bundesamts herangezogen.
Rubriklistenbild: © S. E. Lim/Lars Fröhlich/Imago (Montage)
