Energiewende
Rückkehr ins fossile Zeitalter? Vorreiter-Land für grünen Strom erwägt Einsatz von Öl und Gas
Costa Rica ist ein Vorreiter beim grünen Strom. Nahezu der gesamte Bedarf kommt aus erneuerbaren Energien. Das wird nun zum Problem. Folgt das Umdenken?
San José – Costa Rica gilt als Beispiel, wie die Energiewende gelingen kann. Seit 2015 deckt der Staat in Mittelamerika seinen Strombedarf nahezu vollständig aus erneuerbaren Energien. Auch insgesamt hat sich das Land im nationalen Dekarbonisierungsplan 2018 bis 2050 der Abkehr von den fossilen Energieträgern Öl und Gas verschrieben. Ausgerechnet diese Vorbildnation erwägt jetzt jedoch den Einsatz von Öl und Gas.
Costa Ricas Präsident Rodrigo Chaves wirbt für die Förderung von Erdöl und Erdgas. „Ich halte es für einen Fehler, ein Land daran zu binden, dass es die natürlichen Ressourcen, die ihm von Gott gegeben wurden, nicht nutzen darf“, erklärte Chaves laut dem Focus.
Wegen schlechter Wetterlage: Costa Ricas Präsident erwägt Kehrtwende bei der Energieversorgung
Chaves Vorbild ist dabei Norwegen. Das Land mache es „sehr gut, indem es Erdgas auf nachhaltige Weise fördert“. Norwegen habe sich zu einer der reichsten, wohlhabendsten und demokratischsten Gesellschaften der Welt entwickelt und schütze seine Umwelt sehr gut, erklärte der Präsident.
Durch die Förderung der fossilen Energieträger will Chaves die Stromerzeugung Costa Ricas unabhängiger von Wetterlagen machen. Anfang Mai hatte das nationale Institut für Elektrizität (ICE) die Rationierung von Strom angekündigt, wie die Tageszeitung La Nacion berichtete.
Wetterphänomen gefährdet Stromversorgung in Costa Rica und sorgt für Debatte um Energiewende
Hintergrund ist, dass durch einen starken Rückgang der Niederschläge die Wasserstände nicht ausreichten, um die Wasserkraftwerke zu betreiben. Diese machen eine große Mehrheit der Stromerzeugung aus. Zudem habe es weniger Wind als gewöhnlich gegeben, um damit Strom zu erzeugen.
| Strommix in Costa Rica im Jahr 2022 | |
|---|---|
| Wasserkraft | 72,9 Prozent |
| Geothermie | 12,6 Prozent |
| Windkraft | 12,4 Prozent |
| Biomasse | 1,5 Prozent |
| Photovoltaik | 0,6 Prozent |
| Quelle: IEA |
„Nach den Informationen, die uns von den Stauseen vorliegen, ist die Situation jetzt kritisch“, zitierte der Focus den ICE-Direktor Roberto Quiros. „Dieser El Niño war der komplizierteste in der Geschichte Costa Ricas.“ Fachleute führen das auf den Klimawandel zurück.
Zum ersten Mal seit 2007 hat Costa Rica laut La Nacion die Stromversorgung rationiert. Damit sollten unkontrollierte Stromausfälle verhindert werden.
Politiker will Costa Ricas Führungsrolle beim grünen Strom nicht aufgeben
Trotz des Strommangels stößt der Vorstoß von Präsident Chaves auf Kritik. Norwegen selbst lehnte eine Unterstützung bei der Suche nach Öl und Gas ab. Manuel Morales, der Vorsitzende der parlamentarischen Umweltkommission, sieht zudem die weltweit beachtete Führungsrolle des Landes beim Umweltschutz in Gefahr, wenn das Land nach Öl und Gas suche.
„Das Land verfügt über eine Reihe von Spitzentechnologien, eine Reihe von sauberen Energien, eine grüne Agenda, die auf globaler Ebene beispielgebend ist und uns eine Menge Einnahmen beschert“, sagte Morales laut dem Focus. Das solle nicht aufs Spiel gesetzt werden. (ms)
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