China-Abhängigkeit
Einigkeit statt Zoff: Habeck und Lindner initiieren milliardenschweren Rohstoff-Fonds
Die deutsche Wirtschaft ist gefährlich abhängig von kritischen Rohstoffen aus China. Das wollen Robert Habeck und Christian Lindner mit einem Milliarden-Fonds beenden.
Berlin – Grafit, Galium oder Germanium – Namen, die erstmal seltsam anmuten. Und dennoch hängt von diesen kritischen Rohstoffen ein Großteil der Hightech-Industrie in Deutschland ab. Sie alle eint, dass sie rar auf der Welt zu finden sind – und für die Herstellung von Produkten wie Laptops, Handys, Batteriezellen oder Glasfaserkabel unverzichtbar sind. Das Problem dabei: In Deutschland werden die Ressourcen nicht (mehr) gewonnen, sodass die Bundesrepublik in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zum Hauptproduzenten China steht.
Rohstoff-Fonds von Habeck und Lindner: KfW-Bank soll Milliarden-Investition aufsetzen
Um diese strategische Abhängigkeit perspektivisch zu reduzieren, hat die Bundesregierung nun ein Investitionspaket über das Volumen von einer Milliarde Euro aufgesetzt. „Mit dem Rohstofffonds sollen bestimmte Projekte gefördert werden, damit die Rohstoffversorgung deutscher Unternehmen abgesichert, deren Abhängigkeit von anderen Staaten verringert sowie die Resilienz der Lieferketten und der Volkswirtschaft gestärkt werden“, zitiert das Handelsblatt aus einem Brief der Bundesregierung an den KfW-Chef Stefan Wintels.
Mit dem Fonds will die Bundesregierung diese Entwicklung durchbrechen und alternative Lieferketten aufbauen. Doch der Weg ist lang – was auch an der chronisch zerrissenen Stimmung innerhalb der Ampel liegt: So war der Einigung ein monatelanger Streit über die konkrete Ausgestaltung vorausgegangen. Konkret gerieten das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) und das Finanzministerium von Christian Lindner (FDP) in der Frage aneinander, inwiefern sich der Staat an dem Projekt beteiligen solle.
Streit in der Ampel: Wer trägt die Verantwortung für Deutschlands Wirtschaft?
Lindners Ministerium pochte darauf, dass die Unternehmen für Ihre eigene Zukunft verantwortlich seien – und deshalb nur Kredite vom Staat erhielten sollen. Habeck wollte dagegen die Last teilen – und den Staat mit Investitionen direkt beteiligen. Immerhin sei der Lindner-Weg, dass Unternehmen ihre Abhängigkeiten eigenständig reduzieren, in den vergangenen Jahren kläglich gescheitert.
Der Fonds ist dabei auch eine Reaktion auf die alarmierende chinesische Marktmacht im Bereich der kritischen und strategischen Rohstoffe. Bei Gallium, einem weichen Metall, ist die Volksrepublik für rund 98 Prozent der weltweiten Produktion verantwortlich. Die chemische Substanz wird speziell in der Halbleiter-Industrie sowie der Herstellung von LEDs oder Solarzellen benötigt. Unternehmen wie das Spezial-Halbleiterunternehmen Freiberger Compound Materials (FCM) aus Sachsen bemängelte unlängst die schwierige Rohstofflage. „Europa braucht neue Gallium-Quellen außerhalb China. Wir sind da fast komplett abhängig“, heißt es aus der Konzernspitze gegenüber dem regionalen Wirtschaftsportal Oiger. Da die Volksrepublik selbst mit eigenen Unternehmen auf die Märkte strebt, die besonders stark von strategischen Rohstoffen abhängig sind, befürchten Experten eine Verschärfung der Ausfuhrkontrolle.
China spielt mit Marktmacht – und lässt Europa den doppelten Preis zahlen
Der Preis pro Kilogramm Gallium in China changiert laut dem Marktanalyse-Unternehmen Argus derzeit zwischen 300 und 400 US-Dollar. Für die Einfuhr nach Europa zahlen westliche Unternehmen mittlerweile fast den doppelten Preis. Der Rohstoffexperte der Pekinger Beratungsfirma Trivium China, Cory Combs, sagte gegenüber der Neuen Züricher Zeitung, dass es keine Belege für einen künftigen Exportstopp kritischer Rohstoffe gäbe. Doch sei es durchaus vorstellbar, dass China mit verschleppten Ausfuhrgenehmigungen die Kosten für westliche Unternehmen nach oben treiben könne. Ähnlich sieht es bei weiteren strategisch wichtigen Rohstoffen aus: Beim Halbmetall Germanium hält China einen 60-prozentigen Marktanteil.
Für die Herstellung von der Kohlenstoffmodifikation Grafit liegt dieser bei zwei Drittel – bei der Verarbeitung sogar bei 90 Prozent. In Deutschland sind speziell die Autoindustrie und die Elektrotechnik-Branche auf eine stabile Versorgungskette angewiesen. Grafit wird etwa in Lithium-Ionen-Batterien verbaut, Germanium in verschiedenen Elektronik-Produkten. Die Bundesrepublik muss genauso wie Europa und die USA alternative Produzenten finden und chinaferne Lieferketten aufbauen.
Alternative Lösungen: Habecks Knicks vor Katar und teurer Import von schmutzigem Gas
Die eigene Gewinnung beziehungsweise Verarbeitung von Gallium und anderen Rohstoffen kommt dagegen nicht infrage. Angesichts der deutlich billigeren Konkurrenz aus China sei das Geschäft zu unrentabel. Aus diesen Gründen wurde die Herstellung von Gallium 2016 in Deutschland eingestampft. Die Marktmacht der Volksrepublik resultiert einerseits aus kostengünstigen Abbau-, Herstellungs- und Verarbeitungsprozessen. Andererseits hat der Westen den Aufbau eigener, effizienter Lieferketten völlig verschlafen. Nun ist der Rückstand groß.
Und wie rasant sich eine wirtschaftliche Abhängigkeit zu einer Geiselhaft wandeln kann, hatte Deutschland – und Habeck im speziellen – in den Monaten nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine erlebt. Damals kappte Russland die Gaslieferungen nach Deutschland. Als Wirtschaftsminister suchte Habeck kurzfristig in Katar und den USA um Alternativen für die Energieversorgung der deutschen Industrie. Dass er sich dafür etwa vor dem katarischen Energieminister verbeugen oder dem überteuerten wie auch umweltschädlichen Fracking-Gas zustimmen musste, dürfte auch ein Grund für seine heutige Haltung sein.
„Wichtiger Schritt zu mehr Rohstoffsouveränität“: Unternehmen mit Interesse an Beteiligung
Letztendlich einigte er sich mit Lindner darauf, dass sich der Staat mit „Eigenkapital für Projekte im In- und Ausland“ beteiligt, wie es Wirtschaftsstaatssekretärin Franziska Brantner (Grüne) gegenüber dem Handelsblatt formulierte. In welchen Bereiche die Investitionen fließen, dürfte sich je nach der Interessenslage aus der Wirtschaft richten. Aktuell seien rund 30 Unternehmen an einer Beteiligung interessiert, hieß es weiter. Und auch Matthias Wachter, BDI-Abteilungsleiter für Rohstoffe und internationale Zusammenarbeit, lobte den Schritt: „Der Rohstofffonds ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Rohstoffsouveränität.“
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