Synthetische Kraftstoffe
Trickst Brüssel Deutschland bei E-Fuels aus? Rückschlag für Verbrenner-Fans
Kann Deutschland das Verbrenner-Aus in der EU elegant mit E-Fuels verhindern? Die Befürworter von synthetischen Kraftstoffen erleiden dank Brüssel einen Rückschlag.
Brüssel/Berlin - E-Fuels heißt der mögliche Rettungsanker, mit dem insbesondere die deutsche Autoindustrie Verbrennertechnologie hinüber ins Elektrozeitalter retten könnte. Doch scheint die Bewilligung von synthetischen Kraftstoffen für die Rechtssprechung der Europäischen Union enorm auf der Kippe zu stehen: Denn offenbar versucht die EU-Kommission, E-Fuels über einen rechtlichen Umweg doch den Garaus zu machen.
Das Handelsblatt spricht von einem Kräftemessen zwischen Berlin und Brüssel, das Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und seinen Mitstreitern Sorge bereitet.
E-Fuels in Europa: Kommission plant offenbar strengere Bedingungen
Ein neuer Entwurf aus Brüssel sieht nämlich vor, dass die CO₂-Emissionen bei E-Fuels im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen um 100 Prozent gesenkt werden sollen. Das widerspreche einer früheren Vereinbarung, bei der das Verkehrsministerium maßgeblich mitwirkte: Die „Erneuerbare-Energien-Richtlinie“ beinhalte demnach, dass E-Fuels lediglich eine Kohlendioxid-Ersparnis von mindestens 70 Prozent gegenüber fossilen Kraftstoffen erbringen sollen.
Warum der Unterschied von 30 Prozent dem Vernehmen nach das E-Fuel-Kartenhaus zum Einsturz bringen könnte: Hersteller erklären, dass eine Reduktion über die gesamte Lieferkette von 100 Prozent technisch nicht möglich sei. Eine derartige Regelung auf EU-Ebene würde also mutmaßlich das Ende von Neuwagen mit Verbrennermotoren auf dem hiesigen Kontinent besiegeln.
Damit rückt der von Wissing und Co. erträumte Kompromiss für die Zeit nach 2035 also eher weiter weg statt näher. Denn möglicherweise bekommen Autos mit Benzin- oder Dieselmotor nach Ablauf der Frist auch dann keine Zulassung, wenn sie mit synthetischen Kraftstoffen fahren können. Dem Bericht zufolge prüft das Verkehrsministerium aktuell die Details und „insbesondere die Definition der Bezeichnung ‚CO2-neutral‘”.
EU-Kommission torpediert E-Fuel-Pläne: Wissing appelliert an von der Leyen
Parallel suche das Verkehrsministerium angeblich den Draht nach Brüssel, um den Entwurf der Kommission abzuschwächen: „Ich erwarte von der Kommissionspräsidentin, dass sie uns unterstützt“, zitiert das Handelsblatt den Bundesverkehrsminister. Ursula von der Leyen sollte damit gemeint sein. Der aktuelle Entwurf sei demnach nicht das, was ursprünglich vereinbart worden sei.
Der Kurswechsel auf europäischer Ebene hinsichtlich der Verbrenner basiert den Angaben zufolge auf einer Meinungsverschiedenheit zweier Abteilungen: Während die Generaldirektion für Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU (DG Grow) auf eine Reduktion der E-Fuels bei „nur“ 70 Prozent einschwenkt, geht dies der Generaldirektion Klimapolitik (DG Clima) nicht weit genug. Und letztere habe sich mit ihrer 100-Prozent-Forderung durchgesetzt. Ein entsprechender neuer Vorschlag in Sachen E-Fuels seitens EU-Kommission wird nun nicht vor November 2023 erwartet.
E-Fuels als Rettungsanker für Verbrennertechnologie
Vom Bund der Steuerzahler hatte Volker Wissing in Bayern kürzlich den „Sparlöwen“ erhalten: Der Verband würdigte dessen Linie in der Debatte um ein Verbrenner-Aus. Mit seinem Beharren auf einer Ausnahme für E-Fuels mache er sich um den Klimaschutz sowie den Wirtschaftsstandort Deutschland mitsamt Steuerzahler verdient. Auch mit bezahlbarer Mobilität habe dessen Bestreben in Sachen Abgasnorm zu tun.
Als großer Treiber der E-Fuel-Technologie gilt zudem Sportwagenhersteller Porsche, dessen Modelle in der Zukunft PS-Power aus synthetischen Kraftstoffen ziehen könnten. Auch BMW hat diesbezüglich Ambitionen, die Premiummarke verschreibt sich der Technologieoffenheit und setzt längerfristig auf mehrere Antriebsarten. (PF)
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