Neue Härte
Drohende Folgen der Bürgergeld-Arbeitspflicht: Nur für eine Gruppe von Vorteil – sonst schädlich
Könnte bald eine Arbeitsanforderung für Bürgergeld-Empfänger eingeführt werden? Mehrere Parteien fordern diese „Gegenleistung“. Es könnte jedoch mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen.
Frankfurt – Eigentlich ist es eine kleine Gruppe von ein paar Tausend Menschen im Vergleich zu 1,6 Millionen Bürgergeld-Beziehenden, doch sie dominiert die sozialpolitische Debatte vor der Bundestagswahl: Sogenannte „Totalverweigerer“, also Menschen, die erwerbslos sind und Stellenangebote ausschlagen. Besonders die Union drängt dabei auf harte Sanktionen und will diese über eine Arbeitspflicht zu einer Beschäftigung verdonnern. Die FDP und die in Teilen rechtsextreme AfD ziehen nach, selbst die SPD ist zu Verschärfungen bereit.
Arbeitspflicht für Bürgergeld-Empfänger in Schwerin: Maßnahme existiert schon – als berüchtigte Ein-Euro-Jobs
Vorbild soll die Stadt Schwerin sein. Dort hatte der Stadtrat im Dezember 2024 eine Arbeitspflicht für Asylsuchende und Bürgergeld-Beziehende beschlossen. Die Details arbeitet das Sozialdezernat gerade gemeinsam mit der Arbeitsagentur und dem Jobcenter aus. Bisher ist noch nichts weiter bekannt. Rechtsgrundlage sind jedoch die sogenannten Arbeitsangelegenheiten – umgangssprachlich: Ein-Euro-Jobs.
Diese Maßnahme steht den Jobcentern schon länger zur Eingliederung in Arbeit zur Verfügung. Damit sollen „besonders arbeitsmarktferne“ Langzeitarbeitslose mit „einfachen Tätigkeiten“ an den Arbeitsmarkt herangeführt werden. Durch die Maßnahmen dürfen keine reguläre, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verdrängt werden – und sie müssen im öffentlichen Interesse liegen. Bereits jetzt gibt es auch die Möglichkeit, bei einer Weigerung Sanktionen gegen die Betroffenen zu verhängen.
Eingliederung in Arbeit nicht „Gegenleistung“ für Bürgergeld – doch CDU strebt das an
„Beim Einsatz von Leistungen zur Eingliederung in Arbeit geht es nicht darum, Bürgergeld-Beziehende als ‚Gegenleistung‘ für erhaltene Sozialleistungen zu Maßnahmeteilnahmen heranzuziehen“, erklärte das Arbeitsministerium auf IPPEN.MEDIA-Nachfrage. So hatte jedoch der Vorsitzende der CDU-Fraktion in Schwerin, Gert Rudolf, den Vorstoß begründet: „Wir wollten klare Linie zeigen, dass - wer Leistungen vom Staat erhält, wenn nichts dagegen spricht – für diese Leistung eine Gegenleistung erbringt, – sprich: arbeitet“.
Auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat das in der Bild gefordert: „Jeder, der in Deutschland Bürgergeld bezieht und arbeiten kann, muss arbeiten gehen. Ansonsten darf es keine Sozialleistungen mehr geben.“
Arbeitsmarktforschung sieht „Arbeitspflicht“ im Bürgergeld kritisch – nur für eine Gruppe geeignet
Zudem zeigen Analysen, dass die Arbeitsangelegenheiten als Instrument der Vermittlung in Arbeit nicht für alle Bürgergeld-Beziehenden geeignet sind. Für „arbeitsmarktferne Personen“ erhöhen sich tatsächlich die Chancen auf eine Integration in Arbeit, stellte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fest. Andere Gruppen hätten durch die Maßnahme sogar Nachteile. Bei einer „intensivierten Ein-Euro-Job-Förderung“ nehmen die „Übergänge von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in reguläre Beschäftigung ab“, so das Fazit.
Auch Joachim Wolff vom Forschungsbereich Grundsicherung und Aktivierung am IAB hält eine breite Verpflichtung in Arbeit über diese Maßnahmen für nicht angemessen. Sie seien nur für Personen geeignet, die sonst nicht bereit seien, Arbeit aufzunehmen, erklärte er IPPEN.MEDIA. Sie könnten dadurch herangeführt werden. Wer dagegen aktiv nach Arbeit sucht, könnte von der Suche abgehalten werden. Ihnen bleibe dadurch weniger Zeit, sich zu informieren.
Zudem warnen die Linken gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), dass eine solche Arbeitspflicht für Beziehende von Bürgergeld Kosten in Höhe von 7,1 Milliarden Euro verursachen. Pro Monat und Stelle.
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