Hohe Jugendarbeitslosigkeit
Chinas Wirtschaft schwächelt: Herrschaft der Kommunistischen Partei in Gefahr
China muss sich auf eine weitere Verlangsamung seines Wachstums einstellen. Besonders bedenklich: Die Jugendarbeitslosigkeit bleibt hoch, die Zuversicht niedrig.
Dieser Artikel liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem China.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn China.Table am 3. Juli 2023.
Peking – Unlängst traf sich die globale Manager-Elite beim Weltwirtschaftsforum im ostchinesischen Tianjin. Mit Leidenschaft versuchte Ministerpräsident Li Qiang die anwesenden Unternehmer von der Dynamik des chinesischen Marktes zu überzeugen. Doch ein Blick auf die Faktenlage zeigt: Lis Worte haben mit der Realität derzeit wenig zu tun.
Über sechs Monate nach der Pandemie-Öffnung zeigt sich immer klarer, dass Chinas wirtschaftliche Erholung nach einem zunächst starken Start schon wieder vorbei ist. Stattdessen deuten viele Anzeichen auf eine deutliche Verlangsamung des Wachstums hin:
- Der Binnenkonsum ist weiterhin schwach,
- die Immobilienkrise längst noch nicht vorbei und
- der Schuldenberg der Lokalregierungen unverändert hoch.
Pessimismus überwiegt in Chinas Wirtschaft
Am vergangenen Freitag hat das Pekinger Statistikamt neue Wirtschaftszahlen veröffentlicht. Demnach ist die Aktivität in Chinas herstellendem Gewerbe im Juni den dritten Monat in Folge gesunken. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) liegt derzeit bei 49 Punkten – und damit nach wie vor unter der 50-Punkte-Marke, die zwischen Wachstum und Schrumpfung unterscheidet. Im Dienstleistungssektor schaut es nur marginal besser aus: Der Wert ist immer noch deutlich niedriger, als von nahezu allen Ökonomen prognostiziert.
Auch die private Konkurrenz, der Einkaufsmanagerindex von Caixin und S&P, sieht die Stimmung am Montag nur minimal über der Negativlinie. „Aktuelle Wirtschaftsdaten deuten darauf hin, dass Chinas Aufschwung noch keine stabile Basis gefunden hat, da es nach wie vor an internen Wachstumsfaktoren mangelt und die schwache Nachfrage und düsteren Aussichten andauern“, sagt Wang Zhe, Ökonom bei der Caixin Insight Group.
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Besonders aufschlussreich für die Entwicklung der nächsten Monate ist ein Blick auf die Stahlindustrie, welche als Frühindikator für die Gesamtwirtschaftslage gilt. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg am Freitag berichtete, haben die führenden Staatsunternehmen der Branche in einer ungewöhnlich offenen Botschaft davor gewarnt, dass man vor einer sehr schwierigen zweiten Jahreshälfte stehe. Solch offen formulierte Hiobsbotschaften sind in China überaus selten.
Die größten Kopfschmerzen dürfte den Kadern der Zentralregierung die hohe Jugendarbeitslosigkeit in den Städten bereiten. Diese hat bereits im Frühjahr erstmals die 20-Prozent-Marke durchbrochen und wird im Laufe des Sommers – wenn weit mehr als zehn Millionen Universitätsabsolventen auf den Arbeitsmarkt strömen – weiter steigen.
Neuer Zuschuss für Chinas Unternehmen
Am Montag hat die Regierung in Peking deshalb ihre Fördermaßnahmen ausgeweitet. Unternehmen, die Menschen im Alter von 16 bis 24 Jahren oder Hochschulabsolventen beschäftigen, die seit zwei Jahren arbeitslos sind, können nun einen Zuschuss von 1.500 Yuan (207 US-Dollar) pro Person erhalten, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Mitteilung des chinesischen Personalministeriums.
Zuvor hatten nur frische Hochschulabsolventen Anspruch auf die Subvention. Da die Arbeitslosigkeit unter den 16- bis 24-Jährigen mit 20,8 Prozent aber auch im Mai hartnäckig hoch bleibt, hat die Regierung den Umfang der Subvention ausgeweitet, um Unternehmen zu ermutigen, ihre Einstellungen zu erhöhen.
Die Unzufriedenheit der Jugend könnte schon bald zur existenziellen Gefahr für die Kommunistische Partei werden. Schließlich hat die KP in den vergangenen Jahren ihre Macht vor allem dadurch legitimiert, dass sie der Bevölkerung eine materiell bessere Zukunft versprach. Dieser Gesellschaftsvertrag steht derzeit auf der Kippe.
Und Xi Jinping hat außer nationalistischer Propaganda kaum nachhaltige Lösungsrezepte anzubieten. Denn der 70-jährige Staatschef ist nicht gewillt, den ökonomischen Reformkurs seiner Vorgänger fortzusetzen. Eine Liberalisierung würde nämlich unweigerlich auf Kosten der politischen und ideologischen Kontrolle gehen – ein Tauschgeschäft, das Xi nicht gewillt ist, einzugehen.
Chinas Staats- und Parteichef: So stieg Xi Jinping zum mächtigsten Mann der Welt auf




Chinas Jugend soll „Bitternis essen“
Auch das übliche Rezept der Wirtschaftsplaner ist längst ausgeschöpft: Immer wieder haben sie riesige Konjunkturmaßnahmen und Infrastrukturprojekte in die Wege geleitet, um die Nachfrage in Zeiten der Krise anzukurbeln. Doch jene Strategie hat nicht nur die Verschuldung der Lokalregierungen in bedrohliche Höhen getrieben, sondern auch zu einem Überangebot auf dem Immobilienmarkt geführt.
Es ist bemerkenswert, wie offen Xi die chinesische Jugend auf harte Zeiten einschwört. Erst kürzlich forderte er sie dazu auf, „Bitternis zu essen“. Das metaphorische Sprichwort umschreibt die Fähigkeit, harte Zeiten des Mangels stoisch ertragen zu können. Doch während Xis Generation noch unter Hungersnöten litt und zu Zwangsarbeit aufs Land geschickt wurde, ist die jetzige Jugend mit Smartphones und Markenklamotten aufgewachsen. Sie ist längst nicht mehr bereit, ähnlich radikale Opfer für den Aufbau der chinesischen Nation in Kauf zu nehmen.
Angesichts des ebenfalls rasant fortschreitenden demografischen Wandels droht der Volksrepublik möglicherweise nun dasselbe Schicksal wie Japan in den 1990er Jahren: eine langanhaltende Periode der Stagnation. Ökonomen gehen zwar davon aus, dass China in der nächsten Dekade eine jährliche Wachstumsrate von drei Prozent erreichen kann, doch für das derzeitige Entwicklungsstadium ist dies deutlich zu niedrig: Nach wie vor gibt es insbesondere in den Hinterlandprovinzen hunderte Millionen Chinesen, die noch nicht in ausreichendem Maße vom Wohlstand der vergangenen Jahrzehnte profitiert haben.
Derweil ist China nun auch bei Innovationen auf Augenhöhe mit Audi, BMW & Co.