Künstliche Intelligenz
Neue Masche: Jetzt nutzen Betrüger auch KI, um ans Geld ihrer Opfer zu kommen
In Amerika nutzen Betrüger jetzt KI-Werkzeuge, um ahnungslose Menschen auszunehmen. Die neue Masche - und wie man sich dagegen schützen kann.
München - Das Telefon klingelt, zu hören ist die Stimme ihres Sohnes. Er sitze im Gefängnis und brauche schnell Bargeld, fleht der junge Mann seine Mutter Ruth Card (75) an. Als die Kanadierin kurz darauf bei ihrer Bank eintrifft, um das Geld abzuheben, erklärt ihr ein Bankmitarbeiter: Ein anderer Kunde habe einen ähnlichen Anruf bekommen. Wahrscheinlich war die Stimme am anderen Ende der Leitung nicht ihr Sohn. In Nordamerika werden Menschen bei Betrugs-Anrufen, auch Scam-Anrufe genannt, jetzt immer häufiger von Stimmen vermeintlicher Familienmitgliedern um Geld gebeten, die gefälscht sind. Die Stimmen werden mit Werkzeugen kreiert, die künstliche Intelligenz (KI) nutzen, berichtet die Washington Post.
Die KI-Software zur Stimmerzeugung analysiert, was die Stimme einer Person einzigartig macht - einschließlich Alter, Geschlecht und Akzent. Dann durchsucht sie eine riesige Datenbank von Stimmen, um ähnliche Stimmen zu finden und Muster vorherzusagen, sagte Hany Farid, Professor für digitale Forensik der US-Zeitung.
Sie könne dann die Tonhöhe, die Stimmfarbe und die einzelnen Klänge der Stimme einer Person nachbilden, um einen ähnlichen Gesamteffekt zu erzielen. Das Programm benötigt eine kurze Hörprobe, die von Orten wie YouTube, Podcasts, Werbespots, TikTok, Instagram oder Facebook-Videos stammen kann, so Professor Farid.
Phishing-Attacken sind im Moment ein großes Problem
„Wir bekommen im Moment sehr viele Beschwerden über Betrugsversuche“, sagte Erk Schaarschmidt, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Brandenburg (VZB) gegenüber Merkur.de von IPPEN.MEDIA. Er hatte aber bisher „zum Glück noch nicht“ den Fall, dass dabei KI-Stimmen Opfer dazu nötigen, Geld zu überweisen.
Das Hauptproblem seien derzeit Phishing-Angriffe, so Schaarschmidt. Phishing-Angriffe sind Aktionen, bei dem Betrüger versuchen, sensible Informationen wie Benutzernamen, Passwörter oder Kreditkartennummern von Nutzern zu stehlen. Betrüger wollen zurzeit häufig direkt die Zugangsdaten zum Bank-Konto erlangen, sagt Schaarschmidt.
Betrug nicht nur am Telefon
Und die Betrüger beschränken sich hier nicht nur auf Anrufe. Auch vor falschen Verkäufen auf Ebay Kleinanzeigen machen sie nicht halt. Was zuletzt immer beliebter wurde: falsche Investment-Webseiten. Man solle sich anmelden und bekomme ein kostenloses Startguthaben. Das könne man beim Online-Trading investieren. Stattdessen warten die Betrüger nur darauf, dass die User unvorsichtig ihre persönlichen Bankdaten eingeben, um das Konto leerzuräumen. Die Opfer-Zielgruppe ist viel größer, als beispielsweise beim berühmten Enkeltrick.
„Banken müssten hier viel besser aufpassen und regulieren“, fordert der Verbraucher-Schützer. Er sieht die Banken in der Pflicht, für bessere Sicherheit zu sorgen. Sie könnten selbst KI nutzen, um unregelmäßige oder verdächtige Konto Abbuchungen besser zu identifizieren. Etwa, wenn von einem Konto öfter schnell hintereinander derselbe Betrag abgehoben würde.
Was tun bei einem Scam-Anruf?
Bei überraschenden, völlig unerwarteten Anrufen sei immer erst einmal eine große Portion Skepsis angebracht. Vor allem, wenn der Anrufer oder die Anruferin versucht, Druck aufzubauen, warnt Martin Meingast vom Verein „Deutschland sicher im Netz“. „Die wichtigste Regel ist: sich nicht unter Druck setzen lassen.“
Angerufene sollten sich keinesfalls verunsichern oder gar einschüchtern lassen, nichts installieren, keine Daten angeben oder bestätigen, keine Überweisungen vornehmen, sondern am besten gleich auflegen. Das nimmt den Betrügerinnen und Betrügern den Wind aus den Segeln, sagt Meingast.
So verhalten, wenn Sie Opfer eines Betrugs wurden
Verbraucherschützer mahnen eindringlich, grundsätzlich überhaupt keine persönlichen Daten preiszugeben. „Wenn persönliche Daten erst mal draußen sind, kann man sie nicht wieder zurückholen“, warnt Martin Meingast von „Deutschland sicher im Netz“. Falls es doch passiert ist, sollten Betroffene rasch reagieren:
Unter der Telefonnummer 116 116 kann man schnell Geldkarten verschiedener Anbieter sperren lassen
Die entsprechenden Unternehmen und die Bank informieren und die Accounts oder das Bankkonto erst einmal sperren lassen.
„Bei einem Vorfall auch immer zur Polizei gehen und das auch als Vorfall melden, damit die Strafverfolgungsbehörden entsprechend aktiv werden können“, sagt Fachmann Meingast.
Wenn die Stimme am anderen Ende der Telefonleitung sich zuerst anhört, wie ein Familienmitglied, hat Erk Schaarschmidt von der VZB einen einfachen Tipp: „Stellen Sie Fragen zum letzten gemeinsamen Urlaub oder zur Geburtstagsfeier.“ Also Fragen, deren Antworten nur der Partner oder das eigene Kind wissen kann - obwohl auch dann ein Restrisiko bleiben kann: Es sei, räumt der Verbraucherschützer ein, „natürlich fraglich, ob einem in dieser Situation so etwas einfällt.“ (row mit dpa)
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