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Wirtschaftsflaute

Wirtschaftsverbände schlagen Alarm: „Deutschland befindet sich auf der Verliererstraße“

Die deutsche Wirtschaft stagniert und die Konjunkturaussichten verschlechtern sich. Die Spitzenverbände der Wirtschaft reden Klartext – auch über die Ampel-Koalition.

Berlin - Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft blicken mit großen Sorgen auf die Lage der Konjunktur. Industriepräsident Siegfried Russwurm sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa): „Deutschland befindet sich wirtschaftlich auf der Verliererstraße, insbesondere im internationalen Vergleich.“

Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Flaute fest

Das aktuelle Investitionsklima in der Industrie sei „wirklich schlecht“, sagte Russwurm vergangene Woche im Interview mit dem Münchner Merkur. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte der dpa: „Wenn wir eine der führenden Industrienationen bleiben wollen, müssen wir an vielen Stellschrauben drehen.“ Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, sagte der dpa, es bestehe ein großer Handlungsdruck, um nicht in eine tiefe Krise hineinzusteuern.

Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Flaute fest. Der erhoffte Frühjahrsaufschwung ist ausgeblieben. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stagnierte im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt anhand vorläufiger Zahlen mitgeteilt hatte. Die Aussichten für die kommenden Monate haben sich nach Einschätzung von Ökonomen zudem eingetrübt. Der Internationale Währungsfonds erwartet für dieses Jahr ein Schrumpfen der deutschen Wirtschaft um 0,3 Prozent. Die Bundesregierung erwartet nach der im April vorgelegten Frühjahrsprojektion für dieses Jahr ein BIP-Plus von 0,4 Prozent.

Qualm über dem ThyssenKrupp Stahlwerk Schwelgern: In der Industrie ist die Stimmung schlecht.

Deutschland rutscht in eine Rezession

„Die Konjunkturindikatoren zeigen leider alle nach unten, also komplett in die falsche Richtung“, sagte Russwurm. Laut aktuellem IWF-Wachstumsausblick sei die deutsche Volkswirtschaft die einzige unter den 22 untersuchten Ländern und Regionen, in der das Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr zurückgehe. „Das muss ein Industrie- und Exportland, wie es Deutschland ist, alarmieren.“

Substanzielle Unterstützung aus dem politischen Umfeld, gerade in einer so schwierigen Situation, sei noch Mangelware, kritisierte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie. „Es geht längst nicht nur um Geld: Wir machen keine Fortschritte beim Bürokratieabbau. Wir machen keine Fortschritte beim Thema Genehmigungsbeschleunigungen.“ Es gebe zu kleine Fortschritte, das Energiesystem der Zukunft und seine Kosten in den Griff zu bekommen.

BDI-Chef Russwurm: Wir könnten uns Schmerzen ersparen

„Ich glaube, in der Politik setzt sich die Erkenntnis langsam durch, dass wir nicht von blühenden Landschaften und einem neuen Wirtschaftswunder sprechen, sondern von einer krisenhaften Situation der deutschen Wirtschaft“, so Russwurm. „Wenn die Antwort der Bundesregierung dann heißt, wir stellen dafür kein zusätzliches Geld in den Haushalt ein, muss sie die Zielkonflikte innerhalb der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien lösen und klären, ob und wie sie die richtigen Prioritäten setzt.“

Russwurm sagte weiter: „Ich fürchte, der Leidensdruck ist noch nicht groß genug. Das ist unfassbar schade, weil viele Entwicklungen vorhersehbar sind. Wir könnten uns jede Menge Schmerzen ersparen, aber es sieht so aus, als müsste es erst noch schlimmer werden, damit es zu dem notwendigen Ruck kommt, und dann wieder besser werden kann.“

Habecks Energiepolitik sorgt für Kopfschütteln

Es gebe konkrete Entscheidungen, über die er nur den Kopf schütteln könne, so Russwurm. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schlage auf der einen Seite einen Industriestrompreis vor, der eine Brücke für die Zukunft darstellen solle, und auf der anderen Seite streiche die Bundesregierung den Spitzenausgleich beim Strompreis. Das belaste energieintensive Unternehmen enorm.

Handwerkspräsident Dittrich sagte, den meisten Betrieben gehe es aktuell noch gut. „Allerdings ist die Stimmung schlecht - sogar bei denen, die wirtschaftlich gut dastehen. Die Kostenschübe durch höhere Materialkosten, Inflation, Lohnsteigerungen und vor allem durch weiter steigende Sozialabgaben sind gewaltig.“ Darunter leide die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe und ihre Zukunftsperspektiven gerieten unter Druck. „Die Transformation wird nur leistbar sein, wenn es weiter ausreichend zahlungsfähige Handwerksbetriebe gibt.“

Deutschlands Bürokratie hält Wirtschaftswachstum auf

Deutschland sei zu bürokratisch, nicht digital genug und zu langsam, beispielsweise bei Genehmigungs- und Planungsverfahren, so Dittrich. „Was vor uns liegt, ist sehr herausfordernd. Wenn jetzt nicht gehandelt und gegengesteuert wird - besonders im Baubereich -, dann droht eine lange Zeit der wirtschaftlichen Schwierigkeiten.“

Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP habe im vergangenen Halbjahr leider nicht zu einer positiven Grundstimmung im Land beigetragen, sagte Dittrich. „Ihr teils praxisfernes und überhastetes politisches Handeln hat im Gegenteil viele, gerade auch im Handwerk, verunsichert - ganz besonders beim Gebäudeenergiegesetz.“

BDA-Chef Dulger: Deutschlands Wirtschaft leidet unter „multiplen Erkrankungen“

Dulger als Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sagte: „Wir befinden uns in einer Rezession. Auch die Inflation hält sich hartnäckiger als gedacht. Wir haben mit die höchsten Energiekosten, wir haben mit die höchsten Steuern und Lohnzusatzkosten. Wir haben eine marode Infrastruktur. Diese Probleme mischen sich mit Fachkräftemangel, verschlafener Digitalisierung und der Dekarbonisierung. Ein Mediziner würde von multiplen Erkrankungen sprechen.“

Die Stimmung in den Unternehmen trübe sich ein, das Investitionsklima sei nicht gut. „Vor allem sind wir für ausländische Investitionen derzeit nicht attraktiv, unter anderem, weil wir ein Hochsteuerland sind. Wir sind kein attraktiver Standort. Wir brauchen Investitionen in den Standort. Deutschland muss vor allem schneller und digitaler werden.“ Nötig seien zudem weniger Steuern und Lohnzusatzkosten.

Derweil hadern Industrie und Wirtschaft mit dem Ende der E-Auto-Förderung für Dienstwagen. (dpa/row)

Rubriklistenbild: © Marcel Kusch/dpa

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