„Für Menschen und Unternehmen eine Katastrophe“
Baubranche in der Krise: „Darf nicht zum Normalzustand werden“ - Wohnraummangel in Städten verschärft sich weiter
In zahlreichen deutschen Städten sind hohe Mieten und ein Mangel an Wohnungen allgegenwärtig. Eine echte Entspannung ist vorerst nicht absehbar: Die deutsche Baubranche befindet sich in einer Notlage.
Berlin – Der akute Wohnungsmangel beherrscht die deutschen Städte derzeit wie kaum ein anderes Thema. Gerade jetzt müssten also eigentlich möglichst viele neue Wohnungen gebaut werden, um die Situation zu entspannen – doch die Realität sieht anders aus. Bereits seit Längerem verzeichnet die Bauwirtschaft Auftragsrückgänge und teils auch Umsatzeinbußen, und auch die Zahl der Wohnungsfertigstellungen nahm in den vergangenen Monaten ab. Am Freitag (25. Oktober) vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Zahlen zu den Auftragseingängen im Bauhauptgewerbe unterstreichen die laufende Krise.
„Wir haben die Talsohle im Wohnungsbau leider noch immer nicht durchschritten“, meint Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverband Deutsches Baugewerbe, und bezieht sich auf die neuen Zahlen der Wiesbadener Behörde. „Bis zum August 2024 sind die Auftragseingänge im Wohnungsbau gegenüber dem Vorjahr real um gut 6 Prozent gesunken, gegenüber dem Jahr 2022 sind es real fast 30 Prozent weniger. Dieser Rückgang ist das traurige Resultat der seit über zwei Jahren sinkenden Baugenehmigungszahlen.“ Konkret hieße das: Gegenüber den Vergleichsjahren 2020-2022 fehlten „fast 100.000 Wohnungen“, so Pakleppa.
Pakleppa: „Für Wohnungssuchende und Unternehmen eine Katastrophe“
Sowohl für Wohnungssuchende als auch für Bauunternehmen sei das eine „Katastrophe“. Der harte Rückgang von 30 Prozent bei den Auftragseingängen würde für große Unterauslastungen bei den Firmen sorgen, meint Pakleppa. Teilweise hätten diese in den Vorjahren sogar noch extra ihre Kapazitäten erhöht. Für den Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands ist klar: „Da müssen wir mit starken Impulsen gegensteuern. Diese Wohnungsbaukrise darf nicht zum Normalzustand werden.“
Das Problem ist auch bei der Politik angekommen: In der laufenden Amtszeit verabschiedete die Bundesregierung bereits einige Maßnahmen, um die schleppenden Bauzahlen anzukurbeln und für Entspannung auf dem Markt zu sorgen. Doch diese scheinen bisher noch nicht gegriffen zu haben – das sieht auch Pakleppa so: „Trotz vieler Maßnahmen der Bundesregierung bleiben Investitionen in Wohnimmobilien in erheblichem Umfang aus, weil die Impulse aus Berlin zu schwach sind.“ Dies könne man auch an Daten des Münchner Ifo-Instituts erkennen: Laut der aktuellen Konjunkturumfrage des Instituts liegt die Auftragsreichweite im Wohnungsbau derzeit bei 3,2 Monaten, im August 2022 lag sie noch bei 5,7 Monaten.
Lichtblicke für Branche: Tiefbau-Nachfrage wächst – Landesbauordnungen werden entschlackt
Doch Pakleppa sieht auch Fortschritte: „Positiv sehen wir die nun mit dem Gebäudetyp E in den Ländern angestoßene Diskussion zur Entschlackung der Landesbauordnungen. Nicht jede Wohnung braucht alle erdenklichen Ausstattungen und Komfort.“ Das alles könne helfen, die Baukosten zu senken. Auch die Nachfrage im Tiefbau stimme ihn positiv, wenngleich mit Blick auf August 2023 ein Orderminus stehen würde. Dies sei aber im Wesentlichen auf einen Basiseffekt zurückzuführen – real könne er sogar ein Orderplus von 2,8 Prozent erkennen.
Nach den Daten des Statistischen Bundesamtes zu den Betrieben des Bauhauptgewerbes mit mehr als 20 Beschäftigten erreicht der Umsatz im Bauhauptgewerbe im August ca. 10,2 Mrd. Euro (+3,3 Prozent), davon entfielen auf den Hochbau ca. 4,9 Mrd. Euro (ca. -4,0 Prozent) und den Tiefbau ca. 5,3 Mrd. Euro (+11 Prozent). Von Januar bis August erreichte der Umsatz ca. 69,4 Mrd. Euro, was knapp über dem Vorjahreswert liegt (+ 0,3 Prozent). Im Hochbau wurden ca. 35,2 Mrd. Euro umgesetzt (ca. -7 Prozent), im Tiefbau ca. 34,2 Mrd. Euro (ca. +9 Prozent). (lf, mit Material von dpa)
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