Für den Wohlstand
„Kein anstrengungsloser Wohlstand“: Arbeitgeberpräsident attackiert deutsche Arbeitsmoral
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger fordert mehr Arbeit und weniger Diskussion über Nicht-Arbeit. Er betont, dass Wertschöpfung in privaten Unternehmen entsteht.
München – Zum Tag der Arbeit fordert Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), eine erhöhte Arbeitsleistung. „Wir brauchen mehr und nicht weniger Arbeit in Deutschland“, betonte Dulger. Er kritisierte, dass „Deutschland zu viel über die Bedingungen von Nicht-Arbeit und zu wenig über den Wert von Arbeit“ diskurtiere.
Die zentrale Frage sollte sein, wie Deutschland als Arbeitsstandort wieder attraktiver gestaltet werden kann. Dulger stellte klar: „Dazu gehört auch: Wir werden alle mehr und länger arbeiten müssen“. Es sei notwendig, die Arbeitsbedingungen zu optimieren.
Dulger attackiert deutsche Arbeitsmoral: „Wenn die Wirtschaft brummt, werden auch die Löhne steigen“
Der BDA-Chef unterstrich: „Arbeit ist viel mehr als eine Notwendigkeit, dies muss am 1. Mai wieder stärker in den Fokus gerückt werden“. Er fügte hinzu: „Es gibt keinen anstrengungslosen Wohlstand. Und: Wertschöpfung entsteht in privaten Unternehmern.“
Dulger betonte die Bedeutung der Sozialpartnerschaft. „In Zeiten geringen Wachstums, einer immer älter werdenden Gesellschaft und eines hohen Arbeits- und Fachkräftemangels müssen wir gemeinsam anpacken, um gute Arbeitsplätze und Wohlstand auch für die Zukunft am Standort Deutschland sichern zu können“, sagte der Arbeitgeberpräsident.
Er appellierte an Gewerkschaften und Politik, „Arbeit endlich wieder konstruktiv mitzugestalten. Das hilft allen: Wenn die Wirtschaft brummt, werden auch die Löhne schneller steigen.“
Ausland kritisiert deutsche Arbeitsleistung
Auch im Ausland gehen Meinungsmacher mit der Arbeitsleistung der Deutschen immer härter ins Gericht. Als „kranken Mann Europas“ bezeichnete der britische „Economist“ Deutschland angesichts seines schwachen Wachstums im Jahr 1999. Nun ist es ein Amerikaner von der Nachrichtenagentur „Bloomberg“, der den Finger in die Wunde legt, Chris Bryant. Der Finanzdienst wird weltweit gelesen und ist sehr renommiert. Bryant fragt sich dort in einem Meinungsartikel: „Haben die Deutschen ihre berühmte Arbeitsethik vergessen?“
Tatsächlich könnte diese Faulpelz-These stimmen, das legen zumindest die Zahlen nahe: Alle Deutschen im erwerbstätigen Alter arbeiteten im Schnitt nur 1031 Stunden pro Kopf und Jahr – in allen anderen Industrienationen wird länger gearbeitet. Griechen liegen mit 1145 Stunden weiter vorne, Amerikaner mit 1291 Stunden ebenso, Neuseeland ist mit 1393 Stunden weit enteilt. In Kombination mit dem Fachkräftemangel, der die Wirtschaft längst in große Probleme stürzt, ist das gefährlich. Und: Die Deutschen sind auch vergleichsweise oft krank.
Scholz lehnt höheres Rentenalter ab
Dennoch hat Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Videobotschaft zum Tag der Arbeit die Forderung nach einer Erhöhung des Eintrittalters zur Rente entschieden zurückgewiesen. Er betonte: „Für mich ist es eine Frage des Anstands, denen, die schon lange gearbeitet haben, nicht den verdienten Ruhestand streitig zu machen“. Er fügte hinzu: „Und auch die Jüngeren, die am Anfang ihres Berufslebens stehen, haben das Recht zu wissen, wie lange sie arbeiten müssen.“
Er wies darauf hin, dass die Beschäftigten in Deutschland im vergangenen Jahr mehr Arbeitsstunden geleistet haben als je zuvor. Er äußerte seine Verärgerung über diejenigen, die Deutschland herablassend als ‚Freizeitpark Deutschland‘ bezeichnen. „Deshalb ärgert es mich, wenn manche abschätzig vom ‚Freizeitpark Deutschland‘ reden.“ Er stellte fest, dass es in Deutschland mit über 46 Millionen mehr Erwerbstätige gibt als jemals zuvor.
Gewerkschaften kritisieren Sparpolitik der Ampel-Regierung
Am Tag der Arbeit nutzten die Gewerkschaften die Gelegenheit, um die Sparpolitik der Bundesregierung scharf zu kritisieren. Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), forderte eine Reform der Schuldenbremse. „Die Schuldenbremse ist eine Investitionsbremse“, sagte er den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Frank Werneke, Vorsitzender der Dienstleistungsgesellschaft Verdi, bezeichnete sie als „Zukunftsbremse“.
Körzell bemerkte, dass in den USA über die „Knauserigkeit“ von Bundesfinanzminister Christian Lindner gelacht werde. Die Bundesregierung verfolge auf Drängen der FDP eine „harten Sparpolitik“, was der falsche Weg sei. Andere Länder agierten vorausschauender als Deutschland und seien daher „viel besser dran“.
Kritik an der SPD: „Nicht über jedes Stöckchen springen“
Werneke stellte fest, dass notwendige Investitionen in „Infrastruktur, den öffentlichen Personennah- und -fernverkehr oder in Bildung finden nicht mehr statt oder bleiben nur Stückwerk“. Die Schuldenbremse beeinträchtige vor allem die Möglichkeiten der Mehrheit der Menschen, „die auf eine funktionierende öffentliche Daseinsvorsorge angewiesen sind“.
Werneke drohte der Bundesregierung in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) mit einer Verfassungsklage, falls sie Haushaltskürzungen und die Klinikreform auf Kosten der Beitragszahler durchsetzen sollte. Er sprach sich, ebenso wie DGB-Chefin Yasmin Fahimi, gegen steuerliche Begünstigungen für Überstunden aus. Dies würde „eine Diskriminierung von Teilzeitkräften und damit häufig von Frauen“ bedeuten, so Werneke.
Fahimi kritisierte die SPD in diesem Zusammenhang. Sie solle „nicht über jedes Stöckchen springen, das FDP und Union ihr hinhalten“, sagte sie dem „Spiegel“. Steuerfreie Überstunden, wie von FDP und Union gefordert, seien nicht realisierbar, da Arbeitgeber die reguläre Arbeitszeit in den Verträgen reduzieren würden, um Steuern zu sparen.
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