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Arbeitsmarkt

2,59 Millionen Arbeitslose im März: Wie kann es dann einen Personalmangel geben?

Vollzeit, Teilzeit oder Aushilfe: Jede helfende Hand wird aktuell gebraucht.
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Vollzeit, Teilzeit oder Aushilfe: Jede helfende Hand wird aktuell gebraucht.

Es gibt so viele offene Stellen wie noch nie. Dabei haben einige Menschen gar keine Arbeit. Liegt es an den Bewerbern oder an den Unternehmen? Gute Nachrichten gibt es für alle, die jetzt einen Job haben.

Köln – In Deutschland sind 2,594 Millionen Menschen arbeitslos. Das sind 232.000 Arbeitslose mehr als im März 2022, wie die Bundesagentur für Arbeit am Freitag mitteilte. Das ist die eine Seite der Geschichte. Auf der anderen Seite stehen Millionen offene Stellen, verzweifelte Headhunter und Bäckereien, die sonntags nicht mehr öffnen können, weil ihnen das Personal fehlt. Wie passt das zusammen?

So richtig kann sich das Enzo Weber nicht erklären. Dabei forscht der Ökonomie-Professor am Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung seit Jahren zu Arbeitslosigkeit. „Es gibt nicht die Arbeitslosen“, sagt Weber und spricht damit ein Grundproblem an: Es ist schwer, pauschale Aussagen über den Arbeitsmarkt zu treffen. Es gibt da die Architektin, die zwischen zwei Jobs eine Übergangszeit hat; den Galeria-Kaufhof-Mitarbeiter, der nun gekündigt wird und die ungelernte Schulabbrecherin, die keine Ausbildung findet. „Gesundheitliche Einschränkungen, familiäre Verpflichtungen, fehlende Qualifikation – es gibt immer Gründe, warum Arbeitslosigkeit länger dauert. Insofern lässt sich pauschal keine Aussage über die gesamte Gruppe treffen“, sagt Weber.

Offene Stellen: Fehlende Qualifikationen der Bewerber, zögernde Unternehmer

Viel entscheidender sei etwas anderes: „Die Unternehmen suchen jetzt zwar händeringend Personal, viele waren aber lange eher zurückhaltend bei den Einstellungen“, so Weber. Die Vorsicht sei angesichts von drei Jahren Dauerkrise – erst Corona in verschiedenen Wellen, dann die Energiekrise – nachvollziehbar.

Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), sagt: Es liegt an den Bewerbern, nicht an den Unternehmen. „Oftmals können Arbeitslose die offenen Stellen nicht besetzen, weil die gesuchten Qualifikationen nicht zueinander passen oder die Arbeitslosen nach anderen Tätigkeiten Ausschau halten. Im vergangenen Jahr gab es deutschlandweit mehr offene Stellen für qualifizierte Fachkräfte als qualifizierte Arbeitslose.“ Zahlen der DIHK würden zeigen, dass rund die Hälfte der Unternehmen ihre Stellen nicht besetzen kann, weil Fachkräfte fehlen. Decks‘ Forderung: „Damit Arbeitslose in Beschäftigung finden, sind zum Beispiel Teilqualifizierungen oder das Nachholen von Berufsabschlüssen wichtig – auch die Bereitschaft zu höherer Mobilität verspricht größere Chancen auf einen neuen Job.“

Dabei fehlen ja nicht nur Ingenieure und Software-Entwicklerinnen, sondern auch in vergleichsweise „einfachen“ Jobs können Stellen nicht mehr besetzt werden. In Deutschland haben einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft zufolge Hotels und Gaststätten allein im Jahr 2020 über 215.000 Beschäftigte verloren. Warum werden diese Stellen nicht nachbesetzt? Dercks und Weber können es nicht erklären.

Stigma Langzeitarbeitslosigkeit: „Derjenige ist jetzt drei Jahre arbeitslos, da muss doch was faul sein“

Die Zahl der 2,594 Millionen Arbeitslosen hat allerdings zwei Tücken: Die saisonale Komponente – im Winter ist die Arbeitslosigkeit seit jeher höher als im Sommer – und die nach Deutschland gekommenen Ukrainer verzerren das Bild ein wenig. „200.000 ukrainische Geflüchtete wurden in der Statistik erfasst. Bei der Integration in den Arbeitsmarkt gibt es zwar Fortschritte, aber das braucht einfach Zeit, um die Sprache zu lernen, richtig anzukommen, Kinderbetreuung zu organisieren“, sagt Arbeitsmarktexperte Weber.

Es ist eher eine andere Gruppe, die Weber Sorge macht: die Langzeitarbeitslosen. „Je länger jemand arbeitslos ist, desto kleiner wird die Chance, wieder in einen Job zu kommen.“ Dazu komme das Stigma, das nicht nur die Arbeitslosen selbst belastet, sondern auch bei der Jobsuche hinderlich sei. „Da wird bei der Einstellung schon genau hingeschaut: Derjenige ist jetzt drei Jahre arbeitslos, da muss doch was faul sein. In der Realität stimmt das oft gar nicht“, sagt Weber.

Ampel beschließt Gesetzentwurf zur Einwanderung

Webers Lösungsvorschlag: mehr Investitionen. „Wir müssen individuell ran, mit genug Personalkapazität. Das kostet Geld, aber es lohnt sich. Individuelle Beratung und Weiterbildung hilft weiter.“ Mehr Fachkräfte in den Job-Centern, um dem Fachkräftemangel entgegenzutreten? Die Ampelkoalition verfolgt einen anderen Plan. Am Mittwoch hat das Kabinett neue Regeln für die Einwanderung von Fachkräften beschlossen. Neben verschiedenen Erleichterungen – etwa beim Familiennachzug und der Anerkennung von Berufsabschlüssen – enthält der Gesetzentwurf die Einführung eines Punktesystems. Zu den Kriterien, die berücksichtigt werden, zählen Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug.

Weber blickt optimistisch in die Zukunft. Auch, weil er weiß, wie die Vergangenheit aussieht. „Wir hatten mal fünf Millionen Arbeitslose in Deutschland, diese Zahl konnten wir halbieren. Jeder weitere Schritt wird immer schwieriger, weil man es auch einfach nie schaffen wird, dass es gar keine Arbeitslosen mehr gibt. Vollbeschäftigung ist bei zwei bis drei Prozent erreicht.“ Für diejenigen, die den Weg zurück in Lohn und Brot finden, hat Weber eine mutmachende Nachricht: „Das Risiko arbeitslos zu werden, ist so niedrig wie noch nie. Die Betriebe tun alles, um ihre Leute zu halten.“

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