„Sicherheitsrisiko für Europa“
Wirtschafts-Schwergewicht rechnet gnadenlos mit Lindner-Plan ab und warnt vor China-Schock
Erneut kocht die Debatte um eine Lockerung der Schuldenbremse hoch. IfW-Präsident Schularick geht hart ins Gericht mit der Haushaltspolitik.
Kiel – Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, hat die Bundesregierung aufgefordert, mehr Geld für Verteidigung auszugeben. „Die deutsche Haushaltspolitik ist ein Sicherheitsrisiko für Europa“, sagte Moritz Schularick der Süddeutschen Zeitung (Mittwochsausgabe vom 22. Mai 2024). Um große Lücken in der deutschen Verteidigungsfähigkeit zu schließen, müsse die Bundesrepublik auf absehbare Zeit eher um die drei als zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben.
Kritik an Lindners Sparkurs: IfW-Präsident fordert Lockerung der Schuldenbremse
„Um das zu erreichen, könnte die Regierung etwa die Schuldenbremse aussetzen oder ein neues Sondervermögen beschließen. Wer sich dagegen aus dogmatischen Gründen neuen Krediten verweigert, stellt Partei über Land“, sagte Schularick weiter mit Blick auf Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der auf einen strikten Sparkurs pocht.
Europa habe Investitionen in seine Sicherheit vernachlässigt, sodass es die Ukraine ohne Hilfe der Vereinigten Staaten nicht ausreichend gegen Russland stützen könne. „Angesichts der labilen USA sollte sich Europa in absehbarer Zeit alleine verteidigen können“, sagte Schularick. Mehr Ausgaben für Sicherheit würden für Wachstum sorgen, ebenso wie Steuergutschriften für Unternehmen, um Investitionen anzukurbeln.
Debatte um Haushalt und Schuldenbremse: Erhöhung des Verteidigungsetats gefordert
In der Debatte um eine Aufstockung des Verteidigungsetats hatte auch Militärexperte Carlo Masala einen ähnlichen Vorschlag gemacht. Vor dem Hintergrund, dass die Bundeswehr auf ein Milliardenloch zusteuert, forderte der Masala im Gespräch mit dem Focus eine Umformulierung der Schuldenbremse, sodass Investitionen von der Schuldenbremse ausgenommen sind.
Die Diskussion über eine Erhöhung des Verteidigungsetats stellte zudem die Ampel vor eine Zerreißprobe. Während Finanzminister Lindner dafür plädierte, Rüstungsausgaben mit Einsparungen im Sozialbereich zu finanzieren, erteilte Kanzler Olaf Scholz (SPD) dem Vorschlag mit Blick auf die wirtschaftliche Lage in Deutschland eine klare Absage. Auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schloss sich der Haltung an.
Neben Kritik am Haushalt und Lindner-Sparkurs: IfW-Präsident warnt vor „China-Schock“
Mit Blick auf die Importe chinesischer E-Autos sagte Schularick, deutschen Herstellern drohe ein China-Schock. Europa importiere bereits 40 Mal so viele E-Autos aus China wie die USA, die in der vergangenen Woche angekündigt hatten, den Zollsatz auf chinesische E-Autos drastisch von 25 auf 100 Prozent zu erhöhen.
Er gehe davon aus, dass die Importe weiter zunehmen, sagte der IfW-Präsident. Die chinesische Regierung subventioniere ihre Industrie mit Hunderten Milliarden Euro im Jahr, was den Wettbewerb verzerre. „Womöglich merken wir in fünf oder zehn Jahren, dass ganze Zukunftsbranchen in chinesischer Hand sind.“ Die EU-Kommission solle Chinas Subventionen prüfen und entsprechend reagieren, „zur Not auch mit Strafzöllen“. (bohy mit Material der AFP)
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