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Alterssicherung

Regierung setzt auf Aktien für gesetzliche Rente: Muss ich jetzt überhaupt noch privat vorsorgen?

Die Ampel-Koalition hat den Weg für die Aktienrente freigemacht. Damit soll das bisherige System zukunftsfest gemacht werden – schon ab diesem Jahr. Die wichtigsten Fragen im Überblick.

Berlin – Deutschland steuert um. Zumindest ein bisschen. Die gesetzliche Rente bekommt Unterstützung. Und zwar von Aktien. Es ist eines der zentralen sozialpolitischen Vorhaben der Ampel-Koalition. Vor allem die FDP hat Druck gemacht, die umlagefinanzierte Rente durch eine Kapitaldeckung zu ergänzen. Noch in diesem Jahr, also 2023, soll der Startschuss fallen.

Doch was heißt das genau: Wie funktioniert die Aktienrente eigentlich? Gibt es dafür Vorbilder? Ist das Thema Altersarmut mit Aktien vom Tisch? Muss ich noch privat mit ETFs vorsorgen? Sind Aktien nicht spekulativ? Und überhaupt: Was plant die Politik mit der gesetzlichen Rente? Der Münchner Merkur beantwortet die wichtigsten Fragen.

Warum muss das Rentensystem gestützt werden?

Die gesetzliche Rente funktioniert nach dem Umlagesystem: Die junge Generation zahlt mit ihren Beiträgen die Rente der Älteren. Das funktioniert nur, wenn sich beide Gruppen – rein zahlenmäßig – in etwa die Wage halten. Oder noch besser: Wenn es mehr Junge als Alte gibt.

In Deutschland aber schlägt die Demografie durch. Immer weniger Junge müssen mit ihren Beiträgen für immer mehr Alte aufkommen. Die Folge: Die Rentenbeiträge steigen, das Rentenniveau sinkt. Schon heute liegt die Durchschnittsrente für Männer nur bei rund 1400 Euro (West) bzw. bei 1160 Euro (Ost). Frauen bekommen wegen unterbrochener Erwerbsbiografien oft noch weniger.

Wie funktioniert die Aktienrente?

Eines vorweg: Die Aktienrente ist nicht dafür da, die individuelle Rentenhöhe nach oben anzupassen. Sie soll, wenn man so will, dem Umlagesystem unter die Arme greifen. Aktuell bezuschusst der Bund die Rente mit jährlich rund 100 Milliarden Euro – bei steigender Tendenz. Die Aktienrente soll dabei helfen, die Beitragszahler zu entlasten. Sprich: den Beitragssatz stabil zu halten.

Dafür stellt der Staat der Rentenversicherung jährlich zehn Milliarden Euro zur Verfügung. Das Geld stammt aus einem Darlehen – ist also schuldenfinanziert – und wird über einen Fonds am Aktienmarkt investiert. Was an Rendite übrig bleibt, fließt nach Abzug der Kreditzinsen in die Rentenversicherung. Es geht also nicht darum, die Rentner besserzustellen. Sondern darum, künftige Generationen zu entlasten. Daher spricht die Ampel inzwischen auch von „Generationenkapital“.

Generationenkapital statt Aktienrente: Finanzminister Christian Lindner (FDP) stellt die Pläne vor.

Hat die Politik nicht versprochen, dass auch die Rentenhöhe dank Aktien steigt?

Stimmt. Vor allem die FDP wollte das. Doch das ursprüngliche Konzept wurde verwässert. Im Koalitionsvertrag der Ampel taucht das Wort Aktienrente nicht mehr auf. Nun ist vom Einstieg in die Kapitaldeckung die Rede – um das System zu stabilisieren.

Die Liberalen wollten sich stärker an Schweden – ein Land, das neben Norwegen als Vorreiter bei der Kapitaldeckung gilt – orientieren. Die Beitragszahler hätten demnach zwei Prozentpunkte des aktuellen Beitragssatzes (18,6 Prozent) in einen Aktienfonds überführt. Doch die Berliner Koalition wählte einen Kompromiss. Auch, weil im Lager von SPD und Grünen die Begeisterung für Aktien deutlich geringer ist als bei der FDP.

Wie arbeitet der Fonds, der das Geld investiert?

Dafür stehen laut Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) „unabhängige Experten“ bereit. Das Geld fließt in eine Stiftung. Managen soll das Generationenkapital dann der „Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung“ (Kenfo). Der wurde 2017 als öffentlich-rechtliche Stiftung gegründet, um den Atomausstieg zu finanzieren.

Um Risiken zu streuen, investiert der Fonds weltweit am Kapitalmarkt. Aktien unterliegen dennoch Schwankungen, die sich im Zeitverlauf in der Regel aber ausgleichen. Sollte es zu Verlusten kommen, springt der Bund ein.

Ab wann merken die Beitragszahler den Einfluss der Aktienrente?

Das dauert noch eine ganze Weile. Zunächst ist eine Ansparphase von 15 Jahren geplant. Ab 2037 soll das erste Geld in die Stabilisierung der gesetzlichen Rente fließen. Für die Beitragszahler heißt das: Sie zahlen weiter wie gewohnt ihre Rentenbeiträge, während der Staat im Hintergrund eine kapitalgedeckte Stütze aufbaut.

In der gesetzlichen Rentenversicherung ändert sich somit: nichts. Der Beitragssatz soll bis zum Jahr 2026 stabil bleiben und dann auf 19,3 Prozent ansteigen.

Reichen zehn Milliarden Euro aus, um die Rente zu stabilisieren?

Nein, darin sind sich alle Fachleute einig. „Die zehn Milliarden Euro, die die Ampel für einen Aktienfonds einplant, sind nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein“, sagte der Freiburger Rentenexperte Bernd Raffelhüschen im Interview mit dem Münchner Merkur.

Auch das Verbraucherportal Finanztip senkt den Daumen. Um eine Steigerung des Rentenbeitragssatzes von einem Prozentpunkt zu verhindern, müssten 210 Milliarden Euro am Kapitalmarkt investiert werden. Es ist also deutlich mehr Geld nötig. Das gibt auch Finanzminister Lindner zu. „Wir brauchen mittel- bis langfristig eine dreistellige Milliardensummer, damit die Erträge der Aktienanlage einen spürbaren Effekt auf die Stabilisierung der Rentenbeiträge und des Rentenniveaus haben können“, sagte der FDP-Politiker im Dezember.

Was bedeutet die Aktienrente für die eigene Vorsorge?

Sie bleibt weiter notwendig. Die Kapitaldeckung ändert nichts an der Rentenhöhe. Um die sogenannte Rentenlücke – also die Differenz zwischen Nettogehalt und erwarteter Rente – im Alter auszugleichen, bieten sich ETFs an. Damit können Anleger monatlich schon kleine Geldbeträge am Kapitalmarkt anlegen.

Ebenfalls beliebt: die betriebliche Altersvorsorge. Dabei übernimmt der Chef einen Teil der Beiträge. Ein Teil des Gehalts fließt – zunächst steuer- und sozialversicherungsfrei – via Entgeltumwandlung in einen Sparvertrag. Der Arbeitgeber packt mindestens 15 Prozent obendrauf.

Wer wenig verdient oder eine Familie hat, für den kann sich auch dank staatlicher Zulagen die Riester-Rente lohnen.

Gibt es noch andere Möglichkeiten, die Rente zu stabilisieren?

Es gibt mehrere Stellschrauben: die Beitragshöhe, das Renteneintrittsalter, das Rentenniveau und die Zahl der Beitragszahler. Auch wenn mehrere Ökonomen sagen, dass an der Rente mit 70 kein Weg vorbeiführt: Politisch ist das äußerst unpopulär und nur schwer umzusetzen. Bei Rentenniveau und Beitragssatz hat der Gesetzgeber Leitplanken vorgesehen („doppelte Haltelinie“).

Am einfachsten wäre es, dem System mehr Beitragszahler zuzuführen. Vor allem bei Frauen und Zuwanderern sehen Rentenexperten viel Potenzial. Denkbar wäre auch, Beamte ins System einzahlen zu lassen. Der Freiburger Rentenexperte Bernd Raffelhüschen forderte im Münchner Merkur: „Schluss mit Verbeamtung, Lehrer und Angestellte können auch als Angestellte arbeiten.“

Rubriklistenbild: © Jörg Carstensen

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